Schon gewusst? Grillen war gut für Evolution

19. März 2019 | Bildung und Wissenschaft, Natur & Gesundheit | Ein Kommentar

 

Grillbraten

Als unseren höhlenbewohnenden Vorfahren vor Jahrtausenden das mühsam erjagte Wildbret ins wärmende Lagerfeuer fiel, fanden sie das gar nicht gut. Hungrig fischten sie das angekohlte Fleisch aus der verglühenden Asche, bissen verzagt hinein – und waren begeistert! Zart und nicht zäh war der Braten. Ungeahnte Aromaerlebnisse beglückten den Gaumen. Gourmand Brillat-Savarin beschrieb das in seinem Buch „Physiologie des Geschmacks“ (1825) so: „Nachdem das Feuer einmal bekannt war, schaltete sich dieser ewige Trieb nach Vervollkommnung ein, und man brachte das Fleisch damit in Berührung, zuerst wohl nur, um es zu trocknen, bald aber legte man es auch zum Braten auf die Holzkohlen. Das so bereitete Fleisch fand man weitaus besser. Es wird fester, lässt sich leichter kauen und das Osmazom entwickelte beim Bräunen ein besonderes Aroma dessen Duft uns auch heute noch gefällt.“ Noch heute durchströmen vielen von uns derartige ursprüngliche Gefühle, wenn sie den Grill anwerfen. Kochen und Braten machte die Nahrung leichter verdaulich. Für ihre Verdauung musste weniger Energie aufgewendet werden. Das Nahrungsspektrum erweiterte sich erheblich. Tierische Nahrung sicherte nicht nur das Überleben; sie beschleunigte sogar die Entwicklung und ermöglichte u.a. eine rapide, immer noch fortschreitende Vergrößerung unseres Großhirns. Seit der Mensch das Feuer nutzt nahm sein Gehirnvolumen um 300% zu. Die Vergrößerung unseres Hirnschädels bereitet allerdings zunehmend Probleme bei der Geburt. Interessanterweise tendieren männliche Gehirne dazu größer als weibliche zu sein. [Vielleicht ist das die Hirnreserve, die Männer brauchen, um das weibliche Geschlecht zu verstehen? Oder sind hier Orientierungsvermögen, Einparkverhalten u.ä. vorzugsweise vorprogrammiert?]

Frischfleisch

Was geschieht mit dem Fleisch, wenn wir es garen? Fleisch besteht aus Wasser, Proteinen und Fetten. Daraus sind Muskelzellen, Bindegewebe und Fettgewebe aufgebaut. Muskelzellen sind zu Fasern und größeren Bündeln zusammengelagert und von Bindegewebe umhüllt. Bindegewebe besteht hauptsächlich aus Kollagen und Elastin. Fette sind an das Bindegewebe angelagert. Frisches Fleisch ist ziemlich zäh. Bei alten Tieren sind die Muskelfasern obendrein dicker und die Bindegewebsanteile lösen sich nicht mehr gut heraus. Die Folge: das Fleisch bleibt trotz diverser Bemühungen zäh. Wir bevorzugen heute das zarte Steak vom Jungbullen und verschmähen das zähe Kotelett von der alten Zuchtsau. Lagert man es einige Tage (man nennt das Abhängen), so wird es weicher bevor es in Verwesung übergeht. Stunden nach dem Tod beginnen Zersetzungsprozesse, die das Erweichen der Tierleiche bewirken. Dieses Wissen qualifiziert jeden Krimi-Leser zum erfolgreichen Mordkommissar bei der Ermittlung des Todeszeitpunktes. Mit dem kontrollierten Abhängen bewirkt man eine gewollte Fleischreifung (bei +7°C ca. 1 Woche).
Die verschiedenen Arten der Fleischzubereitung dienen hauptsächlich dazu, das Fleisch zarter und natürlich auch schmackhafter zu machen. Da kann man recht rustikal rangehen, indem man das Fleisch mechanisch bearbeitet, Schnitzel oder Rouladen tüchtig plattklopft (es gibt dafür diverse Hämmerchen zu kaufen) , es durch den Fleischwolf dreht, bis zur feinen Matsche für die Wurstherstellung zermahlt oder es sich unter den Sattel klemmt und zu Tatar weichreitet. Man kann auch enzymatisch rangehen: Papaya enthält z.B. das eiweißspaltende Enzym Papain. Mit dem Enzym kann man das Fleisch anverdauen. Das haben die Mexikaner entdeckt. Oder man mariniert das Fleisch in Essig oder Wein (früher war da wohl kein Unterschied). Die Wirkung hierbei ist aber recht oberflächlich, denn die Marinade dringt nicht tief ein. Egal wie, man zerstört z.T. die zelluläre Struktur, Zellinhaltsstoffe werden freigesetzt und können miteinander reagieren zu Aromastoffen. Artspezifische Aromastoffe steuert meist das Fettgewebe bei (also z.B. den charakteristischen Lammgeschmack). Beim Erhitzen und Garen schrumpft das Fleisch, weil sich die Proteinketten verkürzen und das Fleisch Wasser verliert. Das gibt sich dann bei so 80 °C. Kollagen im Muskel löst sich und bildet Gelatine.
Durch Erhitzen soll das Fleisch zarter werden. Hitze bewirkt Koagulation der Muskelproteine, die Strukturen schrumpfen durch Wasserverlust merklich. Das Kollagen wird zunehmend in Gelatine umgewandelt. Das Braten und Garen im Backofen bei hohen Temperaturen birgt allerdings etliche Risiken. Besonders aromaschonend und risikoarm ist dagegen das Niedrigtemperaturgaren oder Slow Cooking. Bei 80°C können die Proteine gerinnen; Aromen und Saft bleiben aber dem Fleischstück erhalten. Die Fleischstücke sollen dabei eine Kerntemperatur von rund 60 Grad erreichen. Sie wird in der Mitte des Fleischstücks gemessen. Dafür gibt es spezielle Fleischthermometer. Es empfiehlt sich, das Fleisch mindestens 30 Minuten vor der Zubereitung aus dem Kühlschrank zu nehmen. Denn kommt das Fleisch kalt in den Ofen, kann sich die Garzeit fast verdoppeln.

Fleisch gebraten

Knusprig und braun wollen wir den Braten haben. Zu diesem Effekt tragen 2 chemische Prozesse bei: die Karamellisierung und die Maillard-Reaktion. Die Fleischsäfte enthalten u.a. auch verschiedene Zucker, die beim Erhitzen schmelzen und eine Reihe von neuen chemischen Verbindungen bilden, die zum Geschmack beitragen. Wie das chemisch genau abläuft, weiß, man aber nicht. Egal, es schmeckt jedenfalls. Deshalb ist in manchen Rezepten vorgesehen, den Braten mit Honig oder Zuckerlösung einzupinseln. Die Zucker können auch mit Aminosäuren der Muskeleiweiße reagieren und ergeben ein Fülle von neuen Verbindungen, darunter auch markante Geschmacksstoffe. Dies entdeckte vor gut 100 Jahren der Franzose L.C. Maillard, nach dem nun diese chemische Reaktion benannt ist. Welche Verbindungen und wieviel davon gebildet werden, hängt von den beteiligten Substanzen und von der Temperatur ab. Leider entstehen hier auch reihenweise unerwünschte Produkte, die die Nahrung dann geschmacklich verändern, gar ungenießbar machen oder gesundheitsschädlich sind. Unter ihnen sind krebserregende Chemikalien. Die Maillard-Reaktion kann schon bei Normaltemperaturen einsetzen, verläuft allerdings deutlich langsamer. Dennoch kann dadurch die Qualität von Lebensmitteln, hier Fleisch, beträchtlich verändert werden. Kann man das verhindern? In der industriellen Produktion setzt man Enzyme ein, die den Zucker verändern. Dann kann diese Maillard-Reaktion nämlich nicht mehr einsetzen. Wir fassen zusammen: Auch beim Braten und Grillen kein Genuss ohne Reue.
Ideal für den Fleischgenuss ist also ein geschmacksgebendes Anbraten mit nachfolgendem Slow Cooking. Unter solch schonenden Bedingungen können zugegebene Gewürze ihre Wirkung besonders gut entfalten. Auch dies sollte man beachten: Um das Bratgut außen trocken zu halten, damit sich schnell eine Kruste bildet und sein Inneres saftig bleibt, sollte es erst unmittelbar vor oder gegen Ende des Bratvorgangs gesalzen werden. Bei anfänglichem Salzen diffundiert nämlich durch Osmose Wasser aus dem Inneren heraus, was beiden Zielen zuwiderläuft.
Wieder entdeckt wurde das Dry Aging (Trockenreifung; aerobe Reifung) von Bratenstücken. Beim Dry Aging wird dem Fleisch Wasser wird entzogen – dadurch wird der Geschmack konzentriert, es werden Enzyme aktiviert – dadurch wird das Fleisch zart und es entwickeln sich spezielle Aromen. Durch die Einwirkung von Luft-Sauerstoff entstehen ganz besondere Geschmacksnuancen, die man mit nussig und buttrig beschreiben kann. Durch die Trockenreifung hat das Fleisch eine größere Wasserbindungsfähigkeit, gart schneller und bleibt saftig. Süß schmeckende Zucker und geschmacksverstärkende Proteine (Umami-Geschmack) reichern sich an und sorgen für einen besonders intensiven Fleischgeschmack. Dry Ageing macht Fleisch allerdings besonders teuer. Vielleicht haben unsere Urahnen das Dry Ageing den Leoparden in der Savanne abgeschaut. Die bugsieren ihre Beute hoch in die Bäume und lassen sie zum späteren genussvollen Verzehr tagelang abhängen.

(H.J. Ferenz)

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