Schon gewusst? Bass und Beat fördern Reproduktion

15. Mai 2021 | Bildung und Wissenschaft | 3 Kommentare

Unser Hörsinn ist eine relativ junge evolutive Errungenschaft. Der akustischen Wahrnehmung dienen in unserem Ohr das Trommelfell, die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel sowie die Hörschnecke, die Cochlea. Stammesgeschichtlich alte Wirbeltiere wie Fische haben sowas nicht. Sind sie taub? Keineswegs! Fische und Amphibien erzeugen Laute mit denen sie kommunizieren. Sie hören diese Laute mit Statocysten. Statocysten sind Gleichgewichtsorgane, die Steinchen, sogenannte Otolithen, enthalten. Verändert das Tier seine Lage, verrutschen die  Otolithen auf den Mechanorezeptoren und verursachen neuronale Erregungen. Die Statocysten reagieren auch auf Schalldruckwellen. Manche Fischarten können damit recht gut hören. 

Unser Hörsinn hat über Jahrmillionen der Evolution und der Optimierung, das Gleichgewichtsorgan zum Hören eigentlich überflüssig gemacht. Die Hörschnecke (Cochlea) kann Schallereignisse so gut analysieren, dass die Otolithenorgane Sacculus und Utriculus für das Hören fast bedeutungslos scheinen und lediglich als Gleichgewichtsorgane dienen. Dem ist aber nicht so. Unser Gleichgewichtsorgan ist als zweiter Hörsinn erhalten geblieben, der besonders auf Bassrhythmen reagiert.

Untersuchungen an den von den Otolithenorganen ausgehenden Nerven haben bei Fröschen gezeigt, dass ihre Signale bis in Hirnregionen reichen, die bei Säugetieren inklusive Menschen für Hormonausschüttung und Gefühle zuständig sind. Begleiterscheinungen einer gestörten Gleichgewichtswahrnehmung kennt man ja, z.B. Seekrankheit, Angst, aber auch Lustgefühle beim Achterbahnfahren oder Bungeespringen. 

Die Balz von Wirbeltieren ist oft mit Lautäußerungen und rhythmischen Bewegungen verbunden, so bei Balzgesängen und Paarungstänzen von Vögeln. Die Verquickung von Lautäußerungen und Tanz fördert die Paarbindung auch bei Primaten. Erkennbar ist das ebenfalls bei uns Menschen. Junge Menschen treffen sich gern in Diskotheken, auf rockigen Stadionkonzerten oder auf Technoparaden bei dröhnender Musik mit Lautstärken, auf die unser Vestibularorgan reagiert. Kräftige Basstöne stimulieren bei markantem Beat den unwiderstehlichen Drang sich synchron dazu zu bewegen. Diese Rolle bei der Partnerwahl und dem Paarungsverhalten dürfte Grund genug gewesen sein, dieses einfache akustische System mit fundamentaler Bedeutung für unseren Fortbestand zu erhalten. Schon Darwin erkannte, dass Musik sich durch natürliche Selektion entwickelte als Bestandteil der Liebeswerbung. Er schrieb in seinem Buch „Die Abstammung des Menschen“: „Ich schließe, dass musikalische Töne und Rhythmus zuerst von den männlichen und weiblichen Urerzeugern des Menschen erlangt wurden zu dem Zwecke, das andere Geschlecht zu bezaubern.“ Nach Auffassung von Darwin ging die Musik als Mittel zur Partnerwerbung der Sprache voraus. Ich habe immer jene Mitschüler beneidet, die auf ihrer Gitarre spielend die Mädels betörten. Als Student habe ich mich dann als DJ profiliert und die Gitarrenfuzzies mit Düsentriebs-Dezibels locker übertönt.  

Hans J. Ferenz

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