MLU-Studie zu Solarzellen: Drei Kristallschichten erzeugen tausendfache Power

20. Juli 2021 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare
Der photovoltaische Effekt ferroelektrischer Kristalle in Solarzellen lässt sich um den Faktor 1.000 erhöhen, wenn drei verschiedene Materialien in einem Gitter angeordnet werden. Das haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) nun in einer Studie zeigen können. Dafür erzeugten sie kristalline Schichten aus Barium-, Strontium- und Calciumtitanat, die sie abwechselnd übereinanderlegten. Die Ergebnisse, die zu einer deutlich höheren Effizienz von Solarmodulen beitragen könnten, wurden in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.

Aktuell basieren die meisten Solarzellen auf Silizium, doch ihr Wirkungsgrad ist begrenzt. Seit einigen Jahren wird deshalb an neuen Materialen geforscht, etwa an Ferroelektrika, wie Bariumtitanat, einem Mischoxid aus Barium und Titan. „Ferroelektrisch bedeutet, dass das Material räumlich getrennte positive und negative Ladungen besitzt.“, erklärte der Physiker Dr. Akash Bhatnagar vom Zentrum für Innovationskompetenz SiLi-nano der MLU hierzu.

Die Ladungstrennung führt zu einer asymmetrischen Struktur, die eine Stromerzeugung unter Licht ermöglicht. Im Gegensatz zu Silizium benötigen ferroelektrische Kristalle für den photovoltaischen Effekt keinen sogenannten pn-Übergang, also keine positiv und negativ dotierten Schichten, was die Herstellung von Solarmodulen wesentlich erleichtert. Da reines Bariumtitanat allerdings nur sehr wenig Sonnenlicht absorbiert, kann demzufolge auch nur ein vergleichsweise geringer Lichtstrom erzeugt werden.

Die neuere Forschung hat nun aber gezeigt, dass die Kombination verschiedener Materialien in extrem dünnen Schichten die Ausbeute der Sonnenenergie deutlich erhöht. „Wichtig dabei ist, dass sich ein ferroelektrisches mit einem paraelektrischen Material abwechselt. Letzteres weist zwar keine getrennten Ladungen auf, kann unter bestimmten Bedingungen, etwa bei niedriger Temperatur oder leichten Modifikationen der chemischen Struktur, jedoch ferroelektrisch werden.“, erklärte Bhatnagar.

Die Forschungsgruppe um den Physiker hat nun herausgefunden, dass der photovoltaische Effekt nochmals deutlich verstärkt wird, wenn sich die ferroelektrische Schicht nicht nur mit einer, sondern mit zwei verschiedenen paraelektrischen Schichten abwechselt. Yeseul Yun, Doktorandin an der MLU und Erst-Autorin der Studie, sagte: „Wir haben das Bariumtitanat zwischen Strontium- und Calciumtitanat eingebettet. Dafür werden die Kristalle mit einem Hochleistungslaser verdampft und auf Trägersubstraten wieder abgelagert. Das so hergestellte Material besteht aus 500 Schichten und ist etwa 200 Nanometer dick.“

Für die photoelektrischen Messungen wurde das neue Material mit Laserlicht bestrahlt. Das Ergebnis überraschte selbst die Forschungsgruppe: Im Vergleich zu reinem Bariumtitanat ähnlicher Dicke war der Stromfluss bis zu 1.000-mal stärker – und das, obwohl der Anteil des Bariumtitanats als photoelektrische Hauptkomponente um fast zwei Drittel reduziert wurde. „Offenbar führt die Interaktion der Gitterschichten zu einer wesentlich höheren Permittivität – also dazu, dass die Elektronen aufgrund der Anregung durch die Lichtphotonen deutlich leichter abfließen können.“, so Bhatnagar. Die Messungen haben obendrein gezeigt, dass dieser Effekt sehr robust ist: Er war über einen Zeitraum von sechs Monaten nahezu konstant.

Die weitere Forschung muss nun zeigen, welche Ursachen genau für den überragenden photoelektrischen Effekt verantwortlich sind. Bhatnagar ist zuversichtlich, dass das demonstrierte Potenzial des neuen Konzepts für die praktische Anwendung in Solarmodulen genutzt werden kann: „Die Schichtstruktur zeigt in allen Temperaturbereichen eine höhere Ausbeute als ein reines Ferroelektrikum. Zudem sind die verwendeten Kristalle deutlich langlebiger und benötigen keine spezielle Verpackung.“

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