Leopoldina zu Schulöffnung in Corona-Zeiten: Kombination von Präsenz- und Distanzunterricht empfohlen

5. August 2020 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

Die Coronavirus-Pandemie und die Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens haben dazu geführt, dass viele Kitas und Schulen ihrem Bildungsauftrag zeitweilig gar nicht oder nur sehr eingeschränkt nachkommen konnten. Eine verlässliche technische und organisatorische Infrastruktur, die eine vollständige Schließung von Bildungseinrichtungen
auffangen könnte, ist in Deutschland noch nicht vorhanden. Kinder und Jugendliche, deren Familien und pädagogische Fachkräfte sind deswegen in besonderem Maße von der aktuellen Krise betroffen. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina zeigt in ihrer heute veröffentlichten Ad-hoc-Stellungnahme „Coronavirus-Pandemie: Für ein krisenresistentes
Bildungssystem“ Maßnahmen auf, die geeignet sind, das bestehende Bildungssystem unter Krisenbedingungen widerstandsfähiger und flexibler zu machen. Die Stellungnahme richtet sich an die verantwortlichen Akteurinnen und Akteure des Bildungswesens, also Ministerien, Landesinstitute, Bildungsträger sowie Kitas und Schulen.

Vorrangiges Ziel sei es, den Zugang zu Bildungseinrichtungen so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, so die Stellungnahme. Solange es jedoch weder einen Impfstoff noch breit zur Verfügung stehende Therapien gibt, müsse in den Bildungseinrichtungen das Infektionsrisiko reduziert werden.
Abhängig vom lokalen Infektionsgeschehen seien in den kommenden Monaten erneut partielle Schließungen möglich. Deswegen empfehlen die Expertinnen und Experten auch Investitionen in ein zukunftsfähiges digitales System von Fernunterricht als Ergänzung der Präsenzlehre. Die Autorinnen und Autoren der Ad-hoc-Stellungnahme aus den Fachgebieten Erziehungswissenschaften, Bildungsforschung, Fachdidaktik, Psychologie, Ökonomie, Soziologie, Theologie, Virologie und Medizin benennen Maßnahmen in sieben Handlungsfeldern:

1. Aufrechterhaltung des Zugangs zu Bildungseinrichtungen: Empfohlen werden Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen, systematische Tests auf das Coronavirus und die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Risikogruppen unter den Kindern und dem pädagogischen Personal sowie unter den Angehörigen beider Gruppen. Um die vollständige Schließung einzelner Bildungseinrichtungen zu vermeiden, sollten überall, wo dies sinnvoll ist, feste Kontaktgruppen (zum Beispiel Klassen) eingerichtet werden, diezueinander möglichst wenige Berührungspunkte haben. Ziel ist es, den persönlichen Kontakt der Kinder und Jugendlichen einer Kontaktgruppe untereinander und zu den Pädagoginnen und Pädagogen so lange wie möglich zu gewährleisten.

2. Entwicklung von Konzepten zur Verzahnung von Präsenz- und Distanzlernen: Lernen und Bildung zu ermöglichen, ist die zentrale Kompetenz pädagogischer Fachkräfte, auch in Zeiten des Distanzlernens. Eltern können hier lediglich unterstützen. Bund und Länder sollten nach Möglichkeit eine länderübergreifende Lösung für digitale und datenschutzrechtlich geprüfte
Lernplattformen erarbeiten. Zudem empfiehlt die Stellungnahme länderübergreifende Rahmenregelungen, zum Beispiel für Prüfungen in Phasen des Distanzlernens. Die pädagogischen Fachkräfte sollen über die Plattformen qualitätsgesicherte Materialien und Inhalte teilen und mit den Kindern, Jugendlichen und deren Eltern in Phasen des Distanzlernens in Interaktion treten können.

3. Bereitstellung einer geeigneten, sicheren und datenschutzkonformen digitalen Infrastruktur: Erste finanzielle Voraussetzungen wurden durch den „DigitalPakt Schule“ geschaffen. Die technische Ausstattung, Unterstützung, Wartung, Instandsetzung und Entwicklung von Bildungsmedien sollten durch einen länderübergreifenden Beirat unterstützt werden, in dem Fachleute aus der Bildungsadministration, der Bildungspraxis, der Bildungsforschung und dem Informations- und Wissensmanagement vertreten sind.

4. Unterstützung pädagogischer Fach- und Lehrkräfte beim professionellen Einsatz digitaler Medien: Notwendig sind
Unterstützung im Hinblick auf die digitale Infrastruktur und technische Ausstattung, die Bereitstellung geeigneter digitaler
Lehrmittel und Materialien sowie Fortbildungsangebote.

5. Stärkung der Kooperation und Kommunikation mit Eltern und Familien: Die Expertinnen und Experten empfehlen unter anderem regelmäßige (Video-)Sprechstunden, Coachingangebote für Eltern sowie Materialien für altersgemäße Förderangebote.

6. Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Lern- und Leistungsrückständen: Als Schwerpunkt wird die Förderung von
mathematischen und sprachlichen Vorläufer- bzw. Basiskompetenzen empfohlen, die für das weitere Lernen grundlegend sind.

7. Stärkung der Wissens- und Informationsbasis: Forschung undEvaluation tragen dazu bei, Auswirkungen der Kita- und
Schulschließungen und die Wirksamkeit der neu eingeführten Lehr-und Lernmethoden wissenschaftlich zu bewerten und aktuell dem Bedarf anzupassen.

Für die empfohlenen Schritte werden zusätzliche Ressourcen benötigt, so die Expertinnen und Experten. In den umfangreichen Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen der Coronavirus-Pandemie waren bislang vergleichsweise geringe Investitionen in Bildung und die zukünftigen Chancen der jetzt betroffenen Generation enthalten. Mit dieser Stellungnahme legt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina die fünfte Ad-hoc-Stellungnahme zur Coronavirus-Pandemie in Deutschland vor. Sie beruht auf dem Forschungsstand der beteiligten Wissenschaftsdisziplinen. Entscheidungen im Bereich Erziehung und Bildung
zu treffen und dabei die Perspektiven der Stakeholder zu berücksichtigen, ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik und der zuständigen Institutionen. Die komplette Studie kann hier eingesehen werden: 2020 08 05 Coronavirus-Pandemie-Fu r_ein_krisenresistentes_Bildungssystem

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