Krise und Aufbruch in den Franckeschen Stiftungen

24. Februar 2019 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

Waren die Franckeschen Stiftungen eine Antwort auf die europaweite Krise des 17. Jahrhunderts? Der Kirchenhistoriker, Pietismusforscher und ehemalige Rektor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Prof. Dr. Udo Sträter, wird am 27. Februar 2019 vorstellen, wie August Hermann Francke die „Kraft der Krise“ für sich zu nutzen wusste.

Allgemein bekannt ist die These, dass der Pietismus und die von Francke gegründeten Anstalten zu Glaucha vor Halle Reaktionen auf eine gesellschaftliche und religiöse Krise waren. In der Folge der Reformation hatte sich die europäische Landkarte konfessionell zergliedert, ständige Kriege erschütterten im 17. Jahrhundert die Zivilgesellschaften zutiefst. Die sich europaweit aneinanderreihenden Katastrophen schufen eine Atmosphäre der Endzeit, auf deren Boden Strömungen der religiösen Erneuerung wuchsen. In den Niederlanden fokussierte sich eine calvinistische Reformbewegung auf den Lebenswandel des Einzelnen, in England forderte der Puritanismus eine moralische Erneuerung der Kirche. In den lutherischen Teilen Deutschlands wuchs unter der geistlichen Führung Philipp Jakob Speners (1635–1705) die Schar der Anhänger einer individuell verinnerlichten Frömmigkeit, des Pietismus, mit dem Ziel der Erneuerung der lutherischen Kirche.

August Hermann Francke (1663–1727) beflügelte die „Hoffnung besserer Zeiten“, in Halle ein Projekt zur Verbesserung der Situation aller Stände der Gesellschaft zu beginnen. Das neue Jahrhundert startete er mit der Errichtung des Halleschen Waisenhauses (1701) als Bildungs- und Ausbildungsstätte. Die folgenden Schritte vom weltweiten Netzwerk bis zum einzigartigen Gebäudeensemble mit beeindruckenden Lehrsammlungen in Halle erinnern an die Arbeit wissenschaftlicher Akademien der Zeit. Mit einem Unterschied: Francke sah sein Wirken immer geleitet von der göttlichen Providenz. Jedes gelungene Projekt gab Sicherheit, dass auch das Folgende gelingen würde. „So ist das Vorhandene Zeichen und Garant des weiteren Gelingens“ (Udo Sträter).

Wo ist hier die Krise? Der Vortrag wird untersuchen, ob die gesellschaftlichen und religiösen Zustände um 1700 wirklich so krisenhaft waren und ob Francke die Diagnose und Konstruktion einer Krise zur Begründung und Durchsetzung seiner Ziele dienten. Abschließend wird die Frage diskutiert, weshalb dieses zeitbedingte Erklärungsmuster in der Forschung präsent blieb

Mittwoch, 27. Februar 2019 | 18.00 Uhr | Englischer Saal | Eintritt Frei

Print Friendly, PDF & Email

Kommentar schreiben