Interview mit Dr. Ralf Heine über Corona und Covid-19

11. Juni 2020 | Bildung und Wissenschaft | 5 Kommentare

Ein Gespräch mit Dr. Ralf Heine, Facharzt für innere Medizin, Pneumologie und Notfallmedizin im Elisabeth-Krankenhaus, der mit seinem Team sozusagen an vorderster Corona-Front arbeitet.

1. Teil

HalleSpektrum: Herr Dr. Heine, Covid-19, was ist das eigentlich für eine neuartige Krankheit?

Dr. Heine: Das ist eine Viruserkrankung, die im Besonderen die Lunge angreift, aber eben auch andere Organe mit betreffen kann, wie das Herz oder den Magen-Darm-Trakt. Das Virus wird durch eine Tröpfchen-Infektion übertragen. Diese Tröpfchen haben ungefähr eine Reichweite von 80 Zentimetern, wenn man normal redet. Wenn man singt oder schreit ist das natürlich mehr. Deshalb der Sicherheitsabstand von 1,50 Metern. Mit den Tröpfchen gelangen die Viren in die Bindehaut der Augen, oder die Schleimhäute von Nase und Mund und dort können sie sich vermehren. Am Anfang führt das zu Riech- und Geschmacksstörungen. In der nächsten Phase der Erkrankung gibt es dann die Beteiligung der Lunge. Das äußert sich mit trockenem Husten und Luftknappheit. Und oft auch mit Fieber und Schüttelfrost, wie bei vielen anderen Infektionskrankheiten auch. Das Virus braucht einen bestimmten Ankopplungsmechanismus, ein bestimmtes Eiweiß, das es besonders in der Lunge findet. Dann kommt es zu einer Entzündung in der Lunge. Es kommt aber auch zu Schäden an der Innenauskleidung der Gefäße und damit zu Gerinnselbildungen in der Lunge und auch in den Beinvenen.

HalleSpektrum: Diese Gerinnsel werden wirklich durch das Virus verursacht, nicht durch Bewegungsmangel?

Dr. Heine: Ja, genau. Und deshalb ist ein Behandlungsgrundsatz bei Covid-19-Patienten die Blutverdünnung, um solch schwerwiegenden Komplikationen zu vermeiden. Das Virus breitet sich dann weiter in der Lunge aus und es kommt zu Immunreaktionen, die als entzündliche Prozesse noch zu einer Verschlechterung der Situation führen können, was dann eine Beatmungspflicht hervorruft. Covid-Patienten müssen viel länger beatmet werden, als das zum Beispiel bei der Grippe der Fall ist.

Das ist eine weitere Besonderheit dieser Erkrankung. Also einmal dieser Ankopplungsmechanismus, das bestimmte Eiweiß, und die Dauer der notwendigen Beatmung. Außerdem kann dieses Virus auch am Herzen Veränderungen hervorrufen, besonders natürlich bei herzkranken Patienten, aber auch bei Menschen mit Atemwegserkrankungen oder bei abwehrgeschwächten oder besonders alten Patienten.

HalleSpektrum: Ist das nun wirklich eine ganz neue akute respiratorische Atemwegserkrankung?

Dr. Heine: Ja, es gibt mehr schwere Verläufe als zum Beispiel bei der Grippe. Mit der Grippe haben wir es ja schon ewig zu tun und da gibt es eine gewisse Grundimmunisierung. Die gibt es beim Corona-Virus nicht. – Obwohl es da auch schon wieder Überlegungen gibt, ob nicht andere Corona-Viren, die wir kennen, auch schon einen gewissen Abwehrstatus hervorgerufen haben. Aber das – wie vieles andere – sind Thesen, die nicht wirklich nachgewiesen sind.

Wenn man sich die Landkarte von Deutschland anschaut und sieht die Erkrankungszahlen, dann ist die ehemalige DDR ein wenig ausgespart. Möglicherweise hat diese BCG-Impfung, diese Tuberkulose-Impfung, die Babys innerhalb der ersten sieben Lebenstage erhalten haben, ihren Anteil daran. Vielleicht haben die das Immunsystem so geprägt, dass eine allgemeine Abwehrverbeserung gegen Corona vorhanden ist. Aber auch das ist eine unbestätigte Vermutung. Da muss man also sehr vorsichtig sein.

Das Besondere an dieser Krankheit ist dann noch, dass es sehr schwere Verläufe gibt und dass man nicht weiß, was danach kommt, ob es Folgeschäden gibt und welche.

Wenn bei einer Grippe einer von 2000 stirbt, ist es bei Covid 19 einer von 200. So ist ungefähr das Verhältnis. Das ist schon nicht unproblematisch. Und was mich da besonders stört sind eben diese Spinner, die sagen, das stimmt alles gar nicht, das ist eine große Lüge und Bill Gates will nur irgendwie Geld verdienen. Das ist nicht gut, das verunsichert die Leute nur.

HalleSpektrum: Vor drei Jahren gab es diese schwere Grippewelle, ist das vergleichbar?.

Dr. Heine: Bei der Grippewelle vor drei Jahren, da hatten wir viel mehr Tote als jetzt. Da hat die Impfung nicht gegriffen, denn es waren plötzlich ganz andere Virusstämme aktiv, als man sie bei der Entwicklung des Impfstoffes vermutet hat. Auch das kann passieren.

Im Moment haben wir weder einen Impfstoff, noch eine andere Möglichkeit der Behandlung dieser Erkrankung. Virenerkrankungen sind ohnehin schwer behandelbar, deshalb geht es vor allem um eine Immunisierung.

HalleSpektrum: Viren mutieren doch, wenn man heute einen Impfstoff entwickelt, kann das Virus morgen schon ein anderes sein?

Dr. Heine: Ja, aber das ist nicht das Hauptproblem. Das besteht eher im Prozedere bei der Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs, deshalb wird es wohl auch so schnell keinen geben. Nach meiner Einschätzung vielleicht nächstes Jahr. Man weiß zwar, wie Impfstoffe hergestellt werden, aber man muss sie auch effizient entwickeln. Also man produziert einen Impfstoff, dann gibt man ihn vielleicht Versuchstieren um heraus zu finden, ob die Antikörper bilden, die in der Lage sind, das Virus abzutöten. Dann wird das getestet an einer Gruppe junger Menschen, dann gibt es eine größere Zahl an Probanden. Dann könnte sich herausstellen, das der Impfstoff nicht effizient genug ist, man verändert ihn und beginnt von vorn. Das ist ein langer Prozess.

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