Der Kuckuck ist los

30. April 2022 | Bildung und Wissenschaft, Sport | 2 Kommentare

Man sieht ihn kaum. Wenige wissen, wie er aussieht. Aber sein charakteristischer Ruf verrät uns, dass er aus seinem afrikanischen Winterquartier zurück ist. Der Kuckuck, Cuculus canorus. Taubengroß, unauffällig grau gefärbt und mit schwarzweiß gebänderter Unterseite fällt er kaum auf. Mit seinem Ruf lockt das Männchen das Weibchen in sein Revier. Der Langstreckenzieher hat den Winter in Afrika südlich des Äquators verbracht, wo die Regenzeit für reichliche Insektenkost gesorgt hat. Mehrere Tausend Kilometer ist  er in Etappen bis nach Europa geflogen, um sich hier ab April fortzupflanzen. Das macht er bekanntlich, ohne sich der Mühsal von Nestbau, Brüten und Jungenaufzucht zu unterziehen. 

Der Kuckuck ist ein Brutparasit. Das Weibchen schmuggelt ihr Ei einfach in das Nest anderer brütender Vogelarten. Das macht es 10 bis 25mal innerhalb von 2 Wochen. Es bevorzugt dabei Vogelarten, von denen es aufgezogen worden ist, z.B. dem Teichrohrsänger. Deren Rufe, Aussehen und Nester kennt er. Geduldig wartet er im Röhricht, bis das Brutpaar sich kurz zur Futtersuche vom Nest entfernt. Dann schlägt er zu. Um die unfreiwilligen Gasteltern zu täuschen, entfernt der Kuckuck rasch ein Ei aus dem Teichrohrsängernest und ersetzt es in wenigen Sekunden durch ein eigenes. Da es den Eiern des Teichrohrsängers sehr ähnlich ist und die Anzahl der Eier stimmt, schöpfen die Teichrohrsänger keinen Verdacht und setzen ihr Brutgeschäft ahnungslos fort. Aber nicht alle parasitierten Vogelarten lassen sich so leicht täuschen. Sumpfrohrsängern fällt das ins Nest geschmuggelte Ei zwar zunächst nicht auf. Das Erscheinen und Rufen eines Kuckucks versetzt sie allerdings in helle Aufregung und sie versuchen, den Kuckuck zu verscheuchen. So sensibilisiert, untersuchen sie dann pedantisch ihr Gelege und entdecken evtl. doch noch ein gut getarntes, bislang übersehenes Kuckucksei in ihrem Nest. Das zerstören sie dann.

Wer zu spät kommt …

Das präzise Timing der Eiablage ist wichtig. Das Kuckucksküken entwickelt sich schnell, um vor den Teichrohrsängern zu schlüpfen. Umgehend macht es sich daran, alle Eier aus dem Nest zu bugsieren. Aber auch gerade geschlüpfte Stiefgeschwister werden gnadenlos aus dem Nest geschubst. Ein druckempfindlicher Bereich auf dem Rücken des Kuckuck-Nestling löst dieses instinktive Verhalten aus. Jetzt bekommt es allein alles Futter, das die getäuschten Gasteltern emsig herbeischleppen. Der Kuckuck spornt sie sogar noch zu Höchstleistungen an, indem er Bettelrufe nichtvorhandener Nestgenossen imitiert. Gut 3 Wochen dauert die Nestlingszeit. Seine richtigen Eltern lernt der Kuckuck nicht kennen. Seine Pflegeeltern kennt er dagegen bestens. Warum nehmen die Teichrohrsänger die offensichtliche Täuschung hin? Würden sie das Aussehen ihres ersten Geleges mit dem „bösen“ Kuckuck assoziieren, den man loswerden muss, dann könnte es passieren, dass sie das nächste, kuckucksfreie Gelege und die schlüpfenden Küken fälschlicherweise für Kuckucke halten, als fremd einordnen und nicht versorgen. Das wäre fatal für sie.

Kulturvogel

Die Fortpflanzungsstrategie des Kuckucks kennt man schon lange. Sein Rufen und sein Brutparasitismus ist Thema seit der Antike in Sprichwörtern, in der Literatur, in der Musik und im Volks- und Aberglauben. In vielen Kinderliedern und Gedichten kommt er vor. Shakespeare erwähnt den Kuckuck, wenn er auf Ehebruch anspielt. Schon Georg Friedrich Händel und andere Barockkomponisten ahmten Vogelstimmen wie den Kuckuck in ihren Instrumentalmusikwerken nach.

Klimaopfer

In Mitteleuropa lebt eine geschätzte halbe Million Kuckuckspaare, 10% davon in Deutschland. Der Kuckuck ist gefährdet durch den Rückgang der Wirtsvogelpopulationen, Jagd auf den Zugrouten sowie Mangel an Futterinsekten. 2008 war er Vogel des Jahres. In unserer Agrarlandschaft hat das Futterangebot durch Insektizide und Herbizide stark abgenommen. Durch die Klimaveränderungen kommt es immer häufiger zur Desynchronisierung der Beziehung zwischen Kuckuck und Wirtsvögel, so dass der ohnehin nicht sehr häufige Vogel immer weniger Nachwuchs hat. 

Hier ein Musikbeispiel: Louis-Claude Paquin: Le Coucou: https://youtu.be/G_wTdah_BBE

 

Kuckuck

Wir Vögel singen nicht egal;

Der singet laut, der andre leise.

Kanz nicht wie ich, ich nicht wie Nachtigall,

Ein jeder hat so seine Weise.

(Matthias Claudius, 1819)

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