Corona in Halle – aus mathematischer Sicht kommentiert

20. März 2020 | Bildung und Wissenschaft | 2 Kommentare

Gerade trat mein Elektroherd den Weg in die ewigen Jagdgründe an. Passgenau zum nächsten Gang in den Fachmarkt direkt nach dem Aufstehen versperrte mir die Schließungsverfügung des halleschen Katastrophenstabes den Weg dorthin. Obwohl keiner sagen kann, wie lange die derzeitige Situation anhält, so fragen sich neben mir vermutlich noch mehr Einwohner, wie notwendig und wie sinnvoll die getroffenen Maßnahmen sind.

Die einfachsten öffentlich zugänglichen Informationen über die Corona Ausbreitung sind die täglich verkündeten offiziellen Zahlen neuer Corona-Befunde. Leider erhält nicht jeder Bürger einen Corona-Test. Eine erhebliche Dunkelziffer an unerkannten Corona-Trägern dürfte die Folge sein. Dennoch sind die offiziellen Zahlen von OB Wiegand die einzige vernünftige Datenbasis für eine Einschätzung von Notwendigkeit und Nutzen der getroffenen Maßnahmen. Glücklicherweise ist die Zahl an Corona-Fällen in Halle immer noch überschaubar. Unglücklicherweise für statistische Auswertungen sind kleinen Zahlen immer nur mit etwas Vorsicht zu betrachten.

Die täglich höheren Fallzahlen zeigt die das rote Balkendiagramm. Seit dem ersten Auftreten von zwei Corona-Fällen am 10. März hat sich die Anzahl der Corona-Fälle in Halle auf heute insgesamt 50 erhöht. Die Gesamtzahlen der Corona-Fälle scheinen charakteristisch für eine zunächst exponentielle Zunahme. Das war zu erwarten und sieht so ähnlich wohl auch in anderen Gegenden aus. Der Anstieg von 12 Corona-Fällen zuletzt bedeutet einen Zuwachs von 32%, was ziemlich genau dem heutigen bundesdeutschen Durchschnitt entspricht. Die beiden Tage davor lag er allerdings noch oberhalb bei 40%.

Wollen wir aber die Bedeutung der Zahlen in Bezug auf die getroffenen Maßnahmen sinnvoll einschätzen, müssen wir die Zahlen weiter befragen. Ein wichtiges Maß scheint mir die relative Zunahme der täglichen Corona-Fälle mit den blauen Werten. Vom Ideal einer ansteckungsfreien Stadt beim Wert 1 sind wir weit entfernt. Bei einem Wert von 2 verdoppeln sich die Fallzahlen innerhalb von nur einem Tag. Nach einigem Zittern in der Anfangszeit bei sehr kleinen Zahlen hat sie sich derzeit auf etwa den Wert 1,4 eingepegelt. Das bedeutet eine Verdoppelung der Corona-Fälle innerhalb von nur 2,1 Tagen. Damit steigen die Fallzahlen deutlich schneller an als die für Sachsen-Anhalt angegebenen 3,0 Tage, die ziemlich genau den Schnitt der Bundesrepublik mit 2,9 Tage treffen. Drastischere Maßnahmen in anderen vergleichbaren Staaten haben die Verdoppelungszeiträume für Corona-Fälle dagegen auf 3,8 Tage (Frankreich, Spanien) oder 4,9 Tage (Italien) hochgesetzt.

Bei einer durchschnittlichen Inkubationszeit von 5,1 Tagen dauert es natürlich mindestens 5 Tage bis die ersten Auswirkungen sichtbar werden. Bislang könnten so lediglich Schulschließungen seit dem 13. März die erfassten Corona-Ausbreitungen beeinflussen. Die vorhandenen Daten zeigen keinen Einfluss. Vermutlich ist die Schulschließung so rechtzeitig vor Bildung von Infektionsketten innerhalb von Schulen und Kindergärten erfolgt.

Seit den weiteren halleschen Maßnahmen ist bislang zu wenig Zeit für eine Beurteilung vergangen. Dennoch zeigt die Corona-Ausbreitung die Notwendigkeit von drastischen Maßnahmen. Ob die Sonntagsschicht der Verkäuferinnen wirklich für die Pandemiebekämpfung notwendig ist, wird sich mit diesen Zahlen sicher nicht ermitteln lassen. Auf meinen neuen Elektroherd werde ich ganz sicher nicht bis zum Ende der Corona-Pandemie warten. Hier wird wohl das Internet für den Fachmarkt einspringen müssen.

Update 21.03.: Der Anstieg der Corona-Fälle geht zurück, die Maßnahmen scheinen zu wirken. Eine Verdoppelung der Corona-Fälle benötigt derzeit etwa 4 Tage.

(KDS)

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