Corona-App: Was lange währt ….

19. Juni 2020 | Bildung und Wissenschaft | 2 Kommentare

Diese Woche ist nun endlich die Corona-Warn-App gekommen. Klar ist, Infektionsketten werden unterbrochen, wenn Kontaktpersonen von an Covid-19 Erkrankten sich testen lassen können oder in Quarantäne gehen. Daher werden Infektionsketten durch das Gesundheitsamt verfolgt, und vorsorglich gibt es im Restaurant oder beim Friseur die Adressenlisten für den Fall der Fälle.

Ganz am Anfang der Pandemie wurde Das Handytracking per GPS schon mal erfolglos von unserem Gesundheitsminister vorgeschlagen, was ist diesmal anders ?

Der damalige Vorschlag sah vor, dass Standortdaten der Handys zentral gespeichert werden, um dann bei einer Erkrankung quasi “rückwärts” alle potentiellen Kontakte zu ermitteln. In der Tat ist das der Alptraum aller Datenschützer, von der Untauglichkeit der GPS Standortinformationen innerhalb von Gebäuden ganz abgesehen.

Anstatt zentralem Tracking wurde nun das Problem auf die Kernfrage reduziert: Hatte ich in den vergangenen Tagen Kontakt mit einer infizierten Person ? Es ist also egal wer das war und es ist egal wo das war. Außerdem sollte gefälligst niemand ein Bewegungsprofil von mir erstellen, und es soll auch keine zentrale wer-trifft-wen Datensammlung erstellt werden. Daher gibt es auch keine Anmeldung oder ein Passwort, wenn man die App benutzt.

Jedes Smartphone mit der App sendet per Bluetooth eine Kennung an die Umgebung. Diese Kennung ist zufällig gewürfelt und weder mit der Telefonnummer noch einer eMail verknüpft, das ist weder nötig noch erwünscht. Falls ein weiteres Telefon mit der App im Raum ist, speichert das alle empfangenen Kennungen, denn das könnten in Zukunft ja potentielle Infektionsketten sein.

Tatsächlich würfeln alle Telefone Ihre Kennung sogar alle zehn Minuten neu, damit nicht etwa ein Supermarkt mit einem Bluetooth Empfänger alle Kennungen im Laden speichert und Bewegungsprofile der Kunden anlegt.

Wenn nun jemand im Krankenhaus oder beim Gesundheitsamt positiv getestet wird, können mit der App alle eigenen Kennungen der letzten Tagen zu einem zentralen Server hochgeladen werden. Eine Pflicht dazu besteht nicht, und es werden lediglich die eigenen (wie gesagt anonymen und zufällig gewürfelten) Kennungen hochgeladen.

Weil weder in der App noch auf den Servern eine Telefonnummer oder eMail hinterlegt ist, kann der Server die potentiell betroffenen Personen nicht aktiv kontaktieren. Stattdessen lädt sich jedes Telefon jeden Tag die Kennungen herunter, die von positiven Personen hochgeladen wurden und gleicht sie mit den auf dem eigenen Smartphone per Bluetooth empfangenen Kennungen ab. Weil diese Prüfung der Kontakte nicht auf dem Server, sondern in jedem Telefon passiert, spricht man hier von der dezentralen Lösung. Klingt nach einer Unmenge von Daten, ist aber nicht mehr als bei einem niedlichen Katzenbild. Zudem haben die führenden Mobilfunkbetreiber in Deutschland angekündigt, diesen Datenverkehr nicht zu berechnen. (Stichwort “Zero Rating”).

Bekomme ich vom eigenen Telefon die Meldung, dass einer meiner Kontakte Covid-19 positiv getestet wurde liegt die Entscheidung übrigens ganz bei mir, was ich mit dieser Information anfange. Sich selber testen zu lassen wäre nahe liegend. Nicht nur, wenn man demnächst die Eltern oder Grosseltern im Altersheim besuchen will. Technisch ist es aber nicht überprüfbar, wofür man sich entschieden hat, denn die Server haben absichtlich keine Kenntnis, ob der Abgleich mit den vom Server heruntergeladenen Kennungen einen Treffer geliefert hat oder nicht.

Unabhängig von der App fängt bei einem positiven Test natürlich die klassische Nachverfolgung durch das Gesundheitsamt an. Dabei werden alle Kontakte erfasst, angerufen und informiert, wie es bei meldepflichtigen Infektionskrankheiten wie z.B. Ebola oder Hepatitis B auch vorgeschrieben ist, aber das ist eine andere Geschichte.

Tatsächlich gibt es sogar noch ein paar weitere Schritte, die dem noch besseren Schutz der Privatsphäre dienen. Im Klartext: einer der Gründe, warum die Entwicklung so lange gedauert hat ist, dass man genügend Experten beteiligt hat, so dass es weder bei der Wirksamkeit noch beim Datenschutz Kompromisse gibt. Selbst den notorischen Datenkraken Apple und Google wurde die Datensparsamkeit (z.B. anonyme Zufallszahlen statt eMail Adresse) Ihrer Schnittstellen von Datenschutzexperten bestätigt. Und als wäre das nicht genug, wird die ganze App und sogar die Serverprogramme als Open Source veröffentlicht. Daher kann jede und jeder mit etwas Programmierkenntnissen (also leider nicht Oma Erna) das Verfahren und die App auf eventuelle Hintertüren untersuchen.

Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass die infizierte Person, die mir irgendwann irgendwo begegnet, die App installiert hat. Jede Person, die die App installiert hilft uns, das “neue Normal” stabil zu halten. Die zufällig entdeckten Infektionen und Ausbrüche der letzten Tage zeigen, dass wir mit Corona noch eine ganze Weile aufpassen müssen.

(SN)²

Quellen:

https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/corona-warn-app-belastet-das-datenvolumen-nicht-a-2f136e9d-b251-4ef7-a1af-d380d98e5ed6

https://netzpolitik.org/2020/diese-handy-technologie-soll-covid-19-ausbremsen/

https://www.deutschlandfunk.de/smartphone-tracking-apps-im-kampf-gegen-covid-19-und-ihre.684.de.html?dram:article_id=474053

https://www.pepp-pt.org/

https://github.com/pepp-pt

https://www.deutschlandfunk.de/erforscht-entdeckt-entwickelt-das-info-update.684.de.html?dram:article_id=475900

https://github.com/corona-warn-app

https://ukw.fm/ukw027-corona-weekly-superrot-und-supergruen/

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