Premiere am 19. Juni im Volkspark – Live entstehendes Bühnenbild und feministische Perspektive auf einen Theaterklassiker
August Strindbergs naturalistisches Drama Fräulein Julie wird in Halle neu gedacht – und zwar buchstäblich „in Arbeit“. Das neue theater kooperiert mit der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle für eine außergewöhnliche Bühnenproduktion, die sowohl textlich als auch visuell mit Konventionen bricht. Premiere ist am 19. Juni 2025 um 20 Uhr im Volkspark Halle.
Unter der Regie von Mille Maria Dalsgaard, Künstlerische Leiterin des neuen theaters und des Thalia Theaters, und Babett Grube entsteht ein Stück, das patriarchale Erzählstrukturen dezentriert, fragmentiert und hinterfragt. Fräulein Julie in Arbeit ist keine bloße Neuinszenierung, sondern eine Dekonstruktion: Wer spricht auf der Bühne? Wer hört zu? Wer hat Deutungshoheit?
Eine zentrale Rolle spielt die enge Zusammenarbeit mit der Klasse für Malerei der Burg Giebichenstein unter der Leitung von Prof. Tilo Baumgärtel. Die Studierenden schaffen während jeder Vorstellung live das Bühnen- und Kostümbild. Mit Farbe, Papier und Leinwand reagieren sie spontan auf das Spiel, wodurch sich das visuelle Erscheinungsbild von Abend zu Abend verändert. Die Spielfläche wird zum offenen Atelier – Theater als Entstehungsprozess.
Auch musikalisch hebt sich die Produktion von klassischen Inszenierungen ab: Brian Larsens eigens komponierte Musik wurde gemeinsam mit der Staatskapelle Halle eingespielt und begleitet die Szenen mit einer klanglichen Ebene, die sich gleichsam der Prozesshaftigkeit verschreibt.
Die Handlung folgt Strindbergs Motiv der verhängnisvollen Mittsommernacht zwischen der adligen Julie und dem Diener Jean. Doch hier weitet sich der Blick: Die Figuren stehen zugleich als Frau und Mann, als Dienstperson und Herrschaft, als Schauspielende und Intendanz auf der Bühne. So entstehen Machtverhältnisse in doppelter Brechung – performativ und real. Das Bühnenbild von Antonia Krull verstärkt diese Instabilität: Mit drehbaren Leinwänden, Karussellpferden und transparenten Vorhängen wird die Bühne zur Projektionsfläche, auf der Skizzen und das Unfertige nicht bloß Mittel zum Zweck, sondern selbst Teil der Erzählung sind.
Fräulein Julie in Arbeit versteht sich als theatraler Denkraum – ein Ort, an dem sich Bedeutung und Macht fortwährend verschieben. Ein Versuch, das Theater zurückzuführen zu seinem Ursprung als lebendiges, wandelbares Spiel.
2 comments on “Strindberg aufgebrochen: Neues Theater Halle und Burg Giebichenstein entwickeln »Fräulein Julie in Arbeit«”
Sowas habe ich vor über 30 Jahren auf Kampnagel in Hamburg schon einmal gesehen und erlitten.
Für das Publikum bleibt nur die Überforderung mit dem Geschehen auf der Bühne, den Text, die Musik, die agierenden Schauspieler*innen, Sänger*innen das spontan gemalte wurde nach kurzer Zeit sehr eintönig und redundant. Ich ging sehr unzufrieden aus dem Theater – ich hatte weder die Muße der Musik zu lauschen noch die Inszenierung zu verstehen es war alles zu hektisch und zu aktionistisch. Das Stück wurde damals nach zwei Tagen abgesetzt.
OK, es ist ein Experiment, und wahrscheinlich sehr gut gemeoint. Dass die Staatskapelle mitmacht, klingt allerdings nach mehr Seriosität.