Die historischen Psychiatrieakten umfassen den Zeitraum von 1888 bis 1989. Für die Forschung sind sie von großer Bedeutung, weil sie die Arbeit und den Alltag der Klinik in vier politischen Systemen widerspiegeln: vom deutschen Kaiserreich über die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus bis hin zur DDR.
„Psychiatriegeschichte ist immer auch Gesellschaftsgeschichte. Die Akten geben nicht nur einen Einblick in die Geschichte des Fachs. Sie zeigen auch, was die Menschen damals bewegt hat, welche Ängste und Sorgen sie hatten.“, sagt der Medizinhistoriker PD Dr. Florian Bruns vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der MLU. Insbesondere in der DDR kam der Klinik in Halle eine zentrale Rolle bei der Erprobung neuer Therapiekonzepte zu. Der Einfluss des SED-Regimes auf die in der Universitätsklinik ausgeübte psychiatrische Praxis ist trotzdem noch weitgehend unerforscht. Gleiches gilt für die Zeit des Nationalsozialismus.
Im Zentrum für Bucherhaltung Leipzig werden die Akten nun gereinigt, dekontaminiert, entsäuert, archivgerecht verpackt und so für die Forschung nutzbar gemacht. „Es ist für die Forschung von sehr großem Wert, schriftliches Kulturgut analog zu erhalten. Die Aufnahme in die BKM-Förderung zeigt die nationale Bedeutung des Vorhabens.“, erklärt Dr. Dirk Schaal, Leiter der Zentralen Kustodie und des Universitätsarchivs, in das die Akten nach ihrer Instandsetzung übernommen werden.
Initiiert wurde das Projekt von Dr. Bente Flier an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Universitätsklinikums Halle (Saale), dem Institut für Geschichte und Ethik der Medizin und dem Universitätsarchiv der MLU. Diese Partner sowie die Medizinische Fakultät und das Rektorat unterstützen das Projekt mit weiteren Mitteln. Zur Erforschung der einzigartigen Quellen sollen in den kommenden Jahren außerdem noch weitere Partner in der Universität einbezogen werden. So zum Beispiel die Rektoratskommission zur Aufarbeitung der Universitätsgeschichte in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts.
Die Forschungsergebnisse sollen durch projektbegleitende wissenschaftliche Fachveranstaltungen und Ausstellungen in der Zentralen Kustodie öffentlichkeitswirksam präsentiert werden.
One comment on “Psychatriegeschichte – Universität sichert historische Akten”
Es gibt wohl keinen postmortalen Datenschutz?