Mundraubzug durch die Gegend um Agia: von Feigen, einem unbekannten Kloster und wilden Trauben.

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Agiocampos, 1. September 2015

Wir beginnen den diesjährigen Griechenland-Blog mittendrin, in Thessalien, am Ortsausgang der Kleinstadt Agia (Thessalien). Hierher führte der Weg – wie schon oft beschrieben – über die krisenbedingt leergefegte Autobahn nach Larissa, von dort über die Landstrasse nach Agia. Auch die wurde schon beschrieben, und so machen wir uns nun von hier auf, Richtung Agiocampos, einer kleinen Feriensiedlung am Meer, wo wir bereits gestern ankamen – gegen einen dichten Strom von Wochenendkurzurlaubern, die in einer langen Autokaravane von den Küstensiedlungen wieder zurück in die Großstadt Larissa strömten. Für die meisten Griechen sind die Ferien längst vorbei, doch wer es sich noch leisten konnte, hat das heiße Wochenende noch einmal für einen kurzen Strandurlaub genutzt. Für uns jedoch beginnt die Verlängerung des Sommers, und wir starten also hier, am Ortsrand oberhalb von Agia, dort wo eine schmale Landstraße in den mit Apfelplantagen bedeckten Fuß des Ossa-Gebirges aufsteigt. Hin und wieder ein Traktor mit Spritzgerät, sonst begegnet einem niemand hier. Es ist auch nicht der übliche Weg aus Agia hinaus an die Küste, die man von hier nach knapp 10 Minuten Autofahrt erreichen kann. Ein Umweg durch die Berge, das Ziel: Mundraub. Vor allem auf Feigen haben wir es abgesehen. Das  ist nichts Illegales, jedenfalls nichts richtig Schlimmes. Denn die Feigenbäume  werden hier am Wegesrand selten beerntet, der überwiegende Teil der buschig, seltener wirklich baumförmig wachsenden Exemplare ist hier nicht bewußt angebaut worden. Es sind Gewächse, die überwiegend aus Samen entstanden sind, was im professionellen Feigenanbau niemals passiert, denn es „mendeln“ sich dabei etliche Wildformen heraus, die mehr oder weniger der Urform zustreben.  Die Sortenfamilie, die sich hier herausgebildet hat, ist verhältnismäßig kleinfrüchtig, im reifen Zustand gelblichgrün, nach der Ernte nicht einmal einen halben Tag haltbar, und deshalb vollkommen unverkäuflich. Dafür aber wahnsinnig lecker, und jedes Exemplar schmeckt anders. Es sind eigentlich die besten Feigen der Welt. Das weiß ich, denn ich habe schon viele Feigen gegessen. Solche, die im heimischen Supermarkt sehr gelegentlich zu finden sind, und aus der Türkei, aus Argentinien oder sonstwo eingeflogen wurden. Da liegen sie dann in so albernen Konfektpapiertütchen einzeln verpackt herum, werden dann auch noch Stückweise zu horrenden Preise verkauft – und schmecken dann doch selten richtig gut. Zum Angeben eignen sie sich allenfalls..

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Ficus carica. Feige mit Fruchtansatz. Sorte: „Die süße Halbwilde von Agia“.

Deshalb finden sie auch nicht das Interesse der Erwerbsbauern in Thessalien. Rund um Aghia machen sich schon seit Jahrzehnten vor allem die Apfelplantagen breit. Gerade Agia lebt von seiner Apfelindustrie. Lebte, denn jetzt hat auch die Ukraine-Krise mit dem Rußlandembargo zugeschlagen. So gingen vor dem Embargo 80% der grünen Äpfel von Agia nach Rußland – ein herber Schlag für die Bauern, die nicht mir-nichts-dir- nichts auf andere Produkte umstellen können.

Der Feigenbaum ist in die Jahre gekommen. Sicher über 50 Jahre alt, reckt er seine letzte frucht stolz in das Panoraqma des Tals von Agia. Die blauen Berge gegenüber gehören zum Gebirgsmassiv von Mavrovouni.
Der Feigenbaum ist in die Jahre gekommen. Sicher über 50 Jahre alt, reckt er seine letzte Frucht stolz in das Panorama des Tals von Agia. Die blauen Berge gegenüber gehören zum Gebirgsmassiv von Mavrovouni.

Zurück zu den Feigen. Sie gehören zu den ältesten Kulturpflanzen Eurasiens, älter als die meisten Getreidesorten. Wann sie sich von ihrem wilden – heute nicht mehr fassbaren – Vorläufern durch menschliche Selektion getrennt hat, ist weitgehend unbekannt. Die ältesten archäologischen Relikte stammen aus dem Westjordanland, Jericho und sind über 11.400 Jahre alt. Man fand sie in einem jungsteinzeitlichen Haus in der Siedlung Gilgal I. Dass es sich um „Kulturfeigen“ handelte, erkannte man daran, dass sie schon „parthenocarp“ angelegt waren, d.h. sie in einer Art „Jungfernzeugung“ Früchte ohne Befruchtung entwickelten.  Dennoch hat die Feige ein komplexes Sexualleben.

Es gibt zwei Unterarten der Feige. Die Bocksfeige (Ficus carica var. caprificus) enthält männliche und weibliche Blüten, aus den weiblichen entstehen jedoch keine essbaren Früchte. Befruchtet werden sie von der Feigengallwespe. Sie lebt in den weiblichen Blütenständen der Bocksfeige, die schon wie kleine Feigen aussehen. Im Inneren dieser kurzstieligen, grünen „Feigen“ befinden sich am Grunde weibliche Blüten, am „Ausgang“ (da wo bei den Früchten das „Loch“ ist), sitzen die männlichen Blüten. Die Wespe nimmt beim Verlassen der Bocksfeige den Pollen auf, und schwärmt davon. Die ungenießbare Bocksfeige fällt nach der Samenreife vom Stamm, was schon im Frühsommer passiert. Nun sucht die Wespe einen neuen Ort der Eiablage – und findet dann den Blütenstand einer kultivierte Eßfeige (Ficus carica var. domestica). Sie schlüpft hinein, um ihre Eier abzulegen. Dabei werden die rein weiblichen Blüten der Eßfeige befruchtet, die Samen können sich entwickeln. Aus diesen kann sich entweder wieder eine Bocksfeige oder eine Eßfeige entwickeln. Die meisten Kulturfeigen, die wir heute kennen, benötigen diesen Mechanismus jedoch nicht, um reife „Früchte“ zu entwickeln. Sie entwickeln den blütenstand bis zur Vollreife ohne Befruchtung. Das, was wir als „Feigenfrucht“ essen, ist eigentlich der Blütenstand. Im Inneren befinden sich die Blüten, bzw – nach der Befruchtung – die Samen.

Das komplizierte Sexualleben war schon den Menschen der Antike in Grundzügen bekannt. Da man wusste, dass die Kulturfeige zwar auch unbefruchtete Früchte reifen lässt, die Befruchtung aber den ertrag steigert, hängte man Zweige der Bocksfeige in die Feigenplantagen. „Caprification“ nannte man das. Im gesamten mediterranen Raum war die Feige außerordentlich beliebt. Sie lieferte – ohne dass man sich groß um die Pflege kümmern musste – enorme Mengen an Kohlehydraten, durch Trocknen ließ sie sich bequem konservieren. Im Laufe der Zeit ist eine enorme Zahl von Varietäten entstanden, es gibt gelbe, grüne, braune, violette und fast schwarze Feigen. Solche, mit dünner Schale, mit dicker Schale, und sogar solche, die gemäßigte Wintertemperaturen in Deutschland aushalten.

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Reife Feigen auf Gimritz. Ein seltenes Erlebnis nach einem milden Winter.

Ernten kann man Kulturfeigen bis zu drei mal im Jahr. Ende Mai wird die erste Serie reif, dann folgen Mitte August die Sommerfeigen, und eine dritte Generation etwas kleinerer Feigen versüßt den Herbst. In Agia kümmert sich indes niemand mehr um das Sexualleben der halbwilden Feigenbäume. Wer einen Feigenbaum im Garten haben will, fragt Freunde oder Bekannte um einen Ableger seiner  Lieblingssorte. Der Zweig kommt in Wasser oder feuchte Erde, wo er Wurzeln schlägt, und der raschwüchsige Baum trägt bereits nach zwei Jahren Früchte. Wenn man ihn nicht verschneidet: denn die Früchte wachsen nur an dem Holz, das im vorigen Jahre nachgewachsen ist. Frieren dem Hobbygärtner in Deutschland die jungen Triebe ab, wird der Baum meistens zwar überleben, aber er trägt dann im Folgejahr nicht.

Die enorme Fruchtbarkeit der Feige und ihr verlockend süßer Geschmack haben die Früchtchen schon früh in die Nähe antiker Lustgötter gestellt. Im antiken Griechenland war sie dem Dionysos heilig, und  aus ihrem Holz schnitzte man kleine Skulpturen des Priapos.

Mit dem „Feigenblatt“ bedeckten Adam und Eva ihre Scham, und Christus erläutert den Menschen, wie man falsche von richtigen Feigenbäumen unterscheidet: „An ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen“.

Das Kloster Panteleimonas bei Agia

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Wuff! der Hund wacht nicht nur über das Kloster, das sich oberhalb von Agia befindet.

Den sündigen Bauch gefüllt mit süßen Feigen, wenden wir uns dem kleinen Hinweisschild nach dem Kloster Panteleimonas zu. Nach 500 Metern staubiger Schotterpiste erscheinen seine frisch restaurierten Kuppeln hinter einer Lichtung, von mächtigen Eichen umstanden, von wo sich ein Blick über das Tal von Agia und reichhaltige Apfelplantagen ergibt.

Das Kloster ist ziemlich unbekannt, und das verwundert etwas, da es erst vor wenigen Jahren aufwändig restauriert worden ist. Es ist ein bedeutendes byzantinisches Bauwerk. Das Katholikon, die Hauptkirche, ist eine Kreuzkuppelkirche vom so genannten Athos-Typ. Der Rohbau stammt aus dem Mitte des 13. Jahrhunderts. Die heute noch gut erhaltenen Fresken wurden um 1580 fertig gestellt. Die Nebengebäude stammen in Teilen aus dem 19, Jahrhundert, das meiste wurde jedoch erst vor wenigen Jahren in „traditionellem Stil“ neu errichtet.

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Agios Panteleimonas, Ansicht von Draußen.

Ohne die Kuppeln der Kirche würde man das Kloster eher für einen verwahrlosten Hof halten. Hinter dem offen stehenden Garagentor macht sich jemand an einem Schrottauto zu schaffen, durch vertrocknetes Gras und Sträucher stolperst du über unmotiviert abgelegte Autoreifen, Plastekanister und allerlei Unrat. Aus dem Dach des Wirtschaftsgebäudes ragen mehrere improvisierte Blechrohre empor, Schornsteine, die den Rauch des zu runden, gewaltigen Stapels Brennholz abführen sollen, wenn es mal im Winter bitter kalt in den Zellen wird. Panteleimonas liegt nicht sehr hoch, vielleicht 150 Meter über dem nahe liegenden Meer, aber im Winter schneit es manchmal gewaltig. Hinter der Apsis des Katholikon ist eine Ziege eingestallt, und mehrere Hühner gackern auf, wenn du ihren Zaun,  der vor der Außenmauer der Sakristei mit Plastikplanen außenrum eingerichtet ist, passierst. Die Aufregung ist verständlich, denn gestern wurde gerade eines von ihnen gerupft, wovon die Unmenge Federn im Gelände Zeugnis ablegen.

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Das Katholikon.
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Pfoten lecken, zur Ehre des Herrn !

Vor dem Eingang des Klosters informiert die EU über Geschichte und Bedeutung der Anlage und über Kosten und Zeitraum der Restaurierungsarbeiten. Rechts und links wehen – aller EU zum Trotz – stolz die Flagge Griechenlands und die gelbe Flagge des byzantinischen Reiches, schwarzer Doppeladler auf gelbem Grund. Entsprechend eingenordet betrittst du demütig den Innenhof, wo Du von jammernden, total süßen (!!!) Katzen begrüßt wirst, die zwischen Basilikumtöpfen hervorkriechen, wo sie ihre Jungen versorgen.

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Christos Pantokrator. Fresko des 18. Jahrhunderts in der Kuppel des Katholikon von St. Panteleimonas, Agia.

Vor dem Eingang des mit einem gewaltigen Stahlschloss versehenen Katholikon erwartet dich ein hochbeiniger, rot-weißer Kater. Er macht vor, was Ehrfurcht bedeutet: erst kratzen und putzen. Sonst kommst Du hier nicht rein. Lange kratzen und putzen muß man nicht bei dem Mönch, der in grauem Arbeitskittel „zufällig“ aus der Pforte des Wohntraktes in den Hof schleicht, um dich nach deinem Begehr zu fragen. Er hat längst gesehen, wie du um den Hof geschlichen bist, mit deiner „Fotokamera“ . Das Katholikon von Innen ansehn, das willst du halt.  Wenn er dann nach einiger Zeit, während dessen du den meckernden Kater streichelst, mit dem gewichtigen Schlüssel kommt, wird er dich nicht ansprechen. Die Tür wird geöffnet, bitteschön. Dann ist er erst einmal weg (zum Katzenstreicheln?).

Die zentrale Kuppel schmückt Christos Pantokrator, der Alleinherrscher, über der Eingangshalle (Narthex) die Kimisis, eine Darstellung der Entschlafung Mariens. Werke des 18, Jahrhunderts, aus einer Zeit, aus der uns moderne griechiche Heldenmythen berichten, wie sich unter der Türkenherrschaft, wo jegliche Ausübung christlicher Religionen strengst verfolgt wurden, geheim man sich in irgendwelchen Schuppen getroffen habe  usw. Dieses Baudenkmal erzählt Anderes, wie so viele, in unserer Region. Den Kittelschürzenmönch solltest Du fragen, ob man hier fotografieren darf., „Ja, geht.“. Wieviel Mönche leben hier? „drei“. Langsam taut er auf.

Woher kommen Sie? „Deutschland.“

„Du bist Deutscher? Deutschdeutsch?“

„Ja, ja…“

„Habe auch Verwandte in Deutschland“

„Wo?“

„Ich war da nie. Ich kann mir auch keine Namen merken“

„Was tut Ihr hier so? Betreibt Ihr Landwirtschaft?“

„Nein“

„Ihr habt Hühner?“

„Ja schon. Ein paar Hühner haben wir“.

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Von Kloster Panteleimonas nach Sotiritsa. Eine typische Weggekreuzung mit der zugehörigen Straßenmöblierung. Staatliche Schilder: verblaßt, Telefonleitungen oberirdisch, Werbung unterirdisch. Hauptsache: Ecclisaki (kleine Blechkirche, wo man ggf., wann es pressiert, Kerzen drin anmachen kann)

Sotiritsa – wieder ein Ort mit vielen Namen

Der Weg führt, unter Gewährung vieler Aussichtsfenster auf Mavrovouni und der Ägäisküste,  hinunter  nach Ano Sotiritsa. Den Namen trägt der Ort seit Anfang des 20. Jahrhunderts, der Name soll wohl irgendwie an eine griechisch-christliche Vergangenheit erinnern. Vorher hieß der Ort Kapitsa, über die Umbennenung der Ortschaften habe ich schon letztes Jahr berichtet. „Sotiras“ ist christlich, und wichtiger noch „griechisch“ :  „Der Erlöser“.

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Ano Sotiritsa. Hübsch hier.

Die griechische Wikipedia-Seite zu dem Ort, von der ich nicht recht weiß, was ich von ihr halten soll, schreibt, dass im letzten Jahrhundert ein griechischer Grundbesitzer Ort und Land von „irgendeinem Türken“ gekauft habe, der Großgrundbesitzer stamme aus Axexandria, und habe Tribute von den Bauern verlangt: Landbau, Jagd, alles war seins.

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Ano (oberes) Sotiritsa.

Im Winter haben sie oben („ano“) gearbeitet, als Hirten, im Sommer unten („kato“) am „Campos“, der Niederung am Meer. Das ist glaubhaft, weil es typisch ist, für Ortschaften an den thessalischen Berghängen, die sich zum ägäischen Meer her offen. Wer es geschafft hat, lebt heute vom Tourismus in Kato Sotiritsa. Während „Ano Sotiritsa“ lange Zeit verlassen war, ist es heute für manche Ureinwohner ein begehrter Rückzugsort. Mit Geld, das man unten oder auch in der Provinzhauptstadt Larissa verdient hat, vielleicht auch als Gastarbeiter in Deutschland oder Australien, werden heute die verfallenen alten Häuser saniert. Ein Dorfplatz ist entstanden, eine Quelle eingefasst, inmitten eines kleines, von Platanen beschatteten Parkes.

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Ano Sotirtsa. Wildwachsende Trauben (Vitis vinifera), wild, sauer, voller Kerne: interessant, dekorativ, weniger schmackhaft.
Unser kurzer Reiseweg. 34 Minuten, sagt5 Google. Erntet man zwischendurch Feigen, und besucht Mönche, dauert es länger.
Unser kurzer Reiseweg. 34 Minuten, sagt Google. Erntet man zwischendurch Feigen, und besucht Mönche, dauert es länger.
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Blick ins Tal von Agia, Auf dem Weg von Ano nach Kato Sotiritsa.

Kato Sotiritsa ist eine Ferienhölle, in der man viel Geld machen kann. Touristenbusse, vorwiegend aus den slavischen Nachbarländern, lassen viel Geld hier. Von hier aus sind es nur drei Kilometer entlang der Küstentlinie nach Agiocampos.

Belege:

Äpfel: http://www.larissanet.gr/2015/02/13/to-empargko-sti-rosia-skotonei-to-prasino-milo-tis-agias/
(Insbesondere Grüne Äpfel betroffen: 80% gingen nach Rußland).

Am Anfang war die Feige: http://www.wissenschaft.de/home/-/journal_content/56/12054/1025837/

Der feige Sexualleben: http://waynesword.palomar.edu/pljun99b.htm

Meteora: Schwebende Klöster und himmelschreiender Wahnsinn.

Die Meteora-Klöster dürften wohl neben der Akropolis zu den am besten besuchten und bekannten Sehenswürdigkeiten Griechenlands zählen.
Dies ist wohl weniger der eher durchschnittlichen kunsthistorischen Bedeutung oder der Frömmigkeit der Touristen zu verdanken, sondern deren aberwitzigen Lage hoch oben auf den bizarren Felsen aus Konglomeratgestein, die auch die umliegende Landschaft prägen.
Die Felsen sehen aus wie überdimensionierte Kleckerburgen. Es sind Reste verfestigter Geröllmassen eines Flußdeltas, die hier vor ca. 25 Millionen Jahren angeschwemmt wurden. Das, was sich durch Sackungsprozessen nicht verfestigte, wurde bei nachfolgenden Erosionsprozessen wieder freigespült, so entstanden die merkwürdigen Felsen, die aus der flachen Landschaft wie riesige Kleckerburgen heraus. Aus der Nähe betrachtet, sieht ihre Masse mit den darin eingebetteten Kieselsteinen aus, wie grober Beton. Das, was so unecht aussieht, ist jedoch noch das echteste an Meteora.

Blick über das Land der Kleckerburgen. Im Hintergrund die Kleinstadt Kalambaka.

Blick über das Land der Kleckerburgen. Im Hintergrund die Kleinstadt Kalambaka.

„Μετεωρος“ bedeutet „in der Höhe schwebend“ (Meteorologen beschäftigen sich auch mit all dem was da in der Höhe herumschwebt, von wo auch die und Meteoriten

Kloster Metamorphosi, das der heiligen Verwandlung.

Kloster Metamorphosi, das der heiligen Verwandlung.

kommen)

Daher der Name der Ansammlung von Klöstern, deren erste im 11. Jahrhundert n. Ch. auf den Spitzen der Felssäulen entstanden. Mit der Gründung des Hauptklosters Metamorphosis, auch heute noch der größten Anlage, entwickelten sich die auf vielen Einzelfelsen sitzenden Klöster zu einer Art Mönchsrepublik, nach dem Vorbild des Athos.
Der Grund für die merkwürdige Wahl der Bauplätze war weniger die gute Verteidigungsmöglichkeit der Felsen. Vielmehr entsprach die Lage dem Wunsch, die propagierte Askese und Einsamkeit auch nach Außen sichtbar darzustellen.
König Symeon, ein Sproß serbischer Könige und mütterlicherseits aus der byzantinischen Kaiserdynastie der Paläologen abstammend, im 14. Jahrhundert Herrscher über Thessalien und den Epiros, war den Meteoraklöstern als Sponsor besonders zugetan.
Namenspatron des Königs war der heilige Symeon Stylites, Er war der erster der hoch verehrten „Säulenheiligen“ der christlichen Kirche im 4. und 5. Jahrhundert. Säulenheilige waren Menschen, die als Zeichen besonderer Askese auf das Kapitell einer frei stehenden Säule kletterten, und versuchten, dort in aller Abgeschiedenheit zu leben. Deren Säulen wurden eigens für sie errichtet, und die Plattform war selbstverständlich aus Gründen der Arbeitssicherheit mit einer Rüstung umgeben, damit der Mönch nachts nicht versehentlich herunter fiel. Die Säulenheiligen hätten sich auch in eine Höhle verkriechen können, wie viele Eremiten es taten, um sich der Askese zu widmen. Aber da ist Einsamkeit für Außenstehende weniger sichtbar, eignet sich also kaum zu Propagandazwecken. Versorgt wurden die Säulenheiligen mit Almosen, die ihnen ihre Verehrer in die Körbchen füllten, die der Asket dann an Stricken auf seine Säulenplattform hochzog.

Auch am Hauptloster "Metamorphosi" (Die Verwandlung) wird gearbeitet. Die Baumaterieliebn (Beton vor allem) werden mit der Seilbahn emporgeschafft. In welche Richtung sich die Verwandlung des Klosters durch die Bastelarbeiten vollziehen wird, mag offen bleiben. Eine wundersame oder heilige Verwandlung wird es sicher nicht werden, sondern es dürfte eher ein neues Kassenhäußchen entstehen.

Auch am Hauptloster „Metamorphosi“ (Die Verwandlung) wird gearbeitet. Die Baumaterialien (Beton vor allem) werden mit der Seilbahn empor geschafft. In welche Richtung sich die Verwandlung des Klosters durch die Bastelarbeiten vollziehen wird, mag offen bleiben. Eine wundersame oder heilige Verwandlung wird es sicher nicht werden, sondern es dürfte eher ein neues Kassenhäußchen entstehen.

Die Meteora-Klöster sind im Prinzip nichts anderes als übergroße Ansiedlungen von Säulenheiligen. Es ist auch kein Zufall, dass Säulenheilge in den Fresken der erhaltenen Klosterkirchen des 14.-16. Jahrhunderts sehr häufig dargestellt werden.

Die Versorgung der Meteora-Klöster verlief im Prinzip auch ähnlich, wie die der Heiligen auf den Säulen. Zum Aufstieg benutzten die Mönche halsbrecherische Leiterkonstruktionen, ältere und Kranke kamen in den Genuss eines „Aufzuges“, einer Art Korb, der an einer riesigen Haspel hing, mittelalterlichen Hafenkränen nicht unähnlich. Auch Nahrung wurde Nahrung so nach noch oben geschafft. Die heute in den meisten Klöstern vorhandenen Treppenanlagen sind eine Errungenschaft des des touristisch geprägten 20. und 21. Jahrhunderts.

24 Klöster gab es einst, heute sind nur noch sechs von ihnen in Betrieb. Die übrigen existieren nur noch als schwer erreichbare Ruinen oder verschwanden vollständig.

Von Einsiedelei kann nun auch keine Rede mehr sein. Die Klöster leben vom Massentourismus.

Blick von Kloster Roussano auf die Kleckerburgen

Blick von Kloster Roussano auf die Kleckerburgen

Vor 15 Jahren war ich ein paar mal dort, besonders die in den Kirchen, etwa des Varlaam-Klosters erhaltenen Fresken faszinierten mich. Das ist vorbei.

Klosterkirche von Varlaam. Zwei kleine Kreuzkuppelräume hintereinander, der eine 14, der andere 15. Jahrhundert. Es gibt keine Fotos aus dem Innenraum, denn fotografieren ist sowohl verboten, als auch unmöglich, in dem Gedränge.

Klosterkirche von Varlaam. Zwei kleine Kreuzkuppelräume hintereinander, der eine 14, der andere 15. Jahrhundert. Es gibt keine Fotos aus dem Innenraum, denn fotografieren ist sowohl verboten, als auch unmöglich, in dem Gedränge.

Selbst an einem Dienstag Ende September parken riesige Reisebusse, die unfassbare Massen an Pauschalreisenden, insbesondere aus den ehemaligen Ostblockländern ausschütten, in den Parkbuchten der bis in die Berge prächtig ausgebauten Strassen vor den Klöstern, In den Kirchen sich etwas anzusehen, ist nahezu unmöglich. Kaum einmal die Struktur der typischen Kreuzkuppelkirche läßt sich erfassen, wenn Gruppe für Gruppe durch die kleinen Kirchenräume geschoben wird. Die Wandmalereien leiden unter den sich an sie scheuernden Menschenmassen, es geht zu wie in einer Sardinenbüchse, nur lauter, denn die mehrsprachigen Reiseführer keifen sich gegenseitig an, schlichtweg, die Hölle auf Erden. Die Kloster wurden mittlerweile ausgebaut, um die Massen an „Pilgern“ zu fassen., Auch darunter leidet die Denkmalsubstanz. Wand an Wand zu den wenigen erhaltenen originalen Denkmalen hat man Besucherräume in verkitschtem neobyzantinschen Stil geklatscht, und täglich wird weitergebaut. Die Kloster sind zu überdimensionierten Kassenhäußchen verkommen

Selbstdarstellung auf dem Felsen. Wir können in zwei Tagen in Kiew sein, aber mit dem Reisebus noch schneller auf den Meteora.

Selbstdarstellung auf dem Felsen. Wir können in zwei Tagen in Kiew sein, aber mit dem Reisebus noch schneller auf den Meteora.

. Eine Kerze aus dünnem Wachs kostet zwei Euro, kaum hat der Besucher sie angezündet und sich umgedreht, wird sie wieder vom Klosterschergen mitsamt hundert anderer aus dem Sandbett des Ständers herausgefegt und in die Kiste zum Einschmelzen geworfen. Die Halbwertszeit einer Kerze beträgt hier weniger als dreißig Sekunden. Man möchte eigentlich eine Reisewarnung aussprechen: bitte Meteora weiträumig umfahren. Vielleicht lohnt sich ein Besuch im Februar, möglichst am 30. oder 31en. Wer weiß. Auf den umliegenden Felsen turnen in halsbrecherischer Weise halbwüchsige Jungrussen und machen „Selfies“ vor dem Abgrund. Es geht zu, wie auf dem Rummelplatz.

Bei all dem selbst verursachten Remmidemmi bestehen natürlich die Klöster auf die Einhaltung ihrer Traditionen, die vorwiegend in sexuell motivierten Kleidervorschriften bestehen. Frauen dürfen die Klosteranlagen nicht mit kurzen Ärmeln oder gar mit Hosen!! betreten. Sie müssen sich dann Flattertücher aus einer Kiste greifen, die sie sich um die Beine wickeln sollen. Demut und Unterwerfung müssen halt öffentlich zur Schau getragen werden. Manche Besucherinnen nehmen das dann derart ernst, dass sie damit auch noch ihren Kopf verschleiern, weil sie ein orthodoxes Kloster nicht von einer Moschee zu unterscheiden wissen. Derart alberne Figuren drängeln dann lärmend durch das zum Erlebnis- und Verkaufszentrum transmutierte Kloster.

Man erreicht Meteora bequem von Larissa aus kommend über die Schnellstrasse in das ca. 50 km westlich entfernte Trikala. Vor Trikala schwenkt man rechts ab, nach Kalambaka, das bereits unter einem der großen Betongfelsen liegt. Von dort begibt man sich etwa 3 Kilometer weiter nach Kastraki,,wo man es genügend Hinweisschilder zu dem einzelnen Klöstern findet. In den Öffnungszeiten wechseln sich die Klöster ab,.Jeden Tag hat ein anders Kloster Feiertag, so ist der Rundumbetrieb gesichert.

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Thessalische Pilze

Am noch sonnenbeschienenen Strand in Agiokampos werden die Liegestühle abgebaut. Das Wetter ist unruhig geworden. Nachts zucken Blitze über dem Meer, auch regnet es mal.
Es ist eigentlich noch Badewetter, doch jetzt lockt es in die Berge, wo ein ein seltsames Schauspiel stattfindet. Wie dunkle Baumpilze heften sich hier die Wolken an die Hänge, hüllen die Gipfel ein, schwer, manchmal fast schwarz hängen sie dort. Aufziehenden Nebel saugen sie auf.

Gewitter? NEIN! Pilze !

Gewitter? NEIN!
Pilze !

Wir, die mit unserem klapprigen Auto, von Agia aus über Megalovriso und Anatoli kommend, weiter hinauf in die über tausend Meter hohen Berge hineinfahren, mitten hinein in die Wolken, bald darinnen, bald darüber, werden plötzlich von Regengüssen überschüttet. Es ist ein Wechselspiel wie in der Waschstraße, nach dem Regen kommt wieder der Föhn, plötzlich freie Sicht, und dann kommen die Bürsten: Äste, die das Auto schrubben, und weshalb man besser das Fenster geschlossen hält. Tiefe Erosionsrinnen und Schlammlöcher erfordern Mut, und etwas Waghalsigkeit. Denn hier mit einem Schaden liegen zu bleiben, ist eine Vorstellung, die man besser ausblendet. Nebel, Regen, finsterer Wald, dann wieder Sonnenschein und Blick aufs Meer. Und jede Menge Pilze.

Schon Anfang September hatten wir die ersten Pilze auf einer Wiese auf einer Waldlichtung bei Polydendri gefunden. Sie sahen aus der Ferne aus wie Parasolpilze (Macrolepiota procera), so hochbeinig und groß, wie sie da standen. Es sind aber keine. Aus der Nähe betrachtet, fallen dann die stachligen Schuppen auf, auch die wulstige Stilbasis als auch das fest am Stiel anhaftende Velum wirkte merkwürdig und führt eher in die Gattung der Amanita – Wulstlinge, wozu die giftigsten und schmackhaftesten Arten gehören. Es waren Sammler vor uns da, haben sorgfältig, wie es umweltbewusste Pilzsammler tun – die Stile mit dem Messerchen abgeschnitten, und nicht etwa einfach rausgedreht oder abgebrochen.
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Nach längerer Recherche in Pilzforen und intensivem Mailaustausch mit Pilzfreunden wurde mir erst klar, um was für einen Pilz es sich handelt.
„Amanita solitaria oder syn. Amanita echinocephalea“, igelstacheliger Wulstling heißt der Kandidat. Er gilt als ausgesprochen selten, und in Pilzbüchern wird er als „nur einzeln auftretend“ beschrieben (Deshalb auch das Artepitheton: solitaria“). Hier auf der Bergwiese ist er ein Massenpilz.
Bislang galt er als wenig schmackhaft, neuerdings wird er unter die Giftpilze eingereiht, da er schwerste Nierenschäden verursachen kann.
Man sollte sich als Pilzsammler im mediterranen Raum eben nicht auf deutsche Pilzbücher verlasen. Fehlbestimmungen sind hier schon deshalb gefährlich, weil es hier Arten und subspecies gibt, die in den gemäßigt mitteleuropäischem Klimaten nicht vorkommen.
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Amanita caesarea

Amanita caesarea

Der größte Glücksfall und Traum jedes Pilzsammleres ist natürlich der „Kaiserling“, als „Amanita caesarea“ auch der großen Gattung der Amanita (Wulstlinge) angehörig. In der Antike galt dieser Pilz als der wertvollste und schmackhafteste überhaupt, und da immer die Gefahr bestand, den Pilz mit giftigen Wulstlingen (etwa Knollenblätterpilzen) zu verwechseln, behielten sich römische Kaiser vor, diesen „Boletus“ (Ein Name, der wissenschaftlich später irrtümlich auf steinpilzartige Röhrenpilze überging), lieber selber zu sortieren und zuzubereiten. In Deutschland besteht indes kaum Gefahr, den Pilz zu verwechseln, obwohl er mit seinem leuchtend orangeroten Hut dem sehr ähnlichen Fliegenpilz ähnelt, besonders dann, wenn letzterem die weißen Pünktchen im Regen abhanden gekommen sind. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal sind die gelben Lamellen, die nur der Kaiserling hat. In Deutschland gilt der Pilz als nahezu ausgestorben, er steht auf der roten Liste. Ihn zu sammeln, ist streng verboten. Es wäre eine der Straftaten, gegen die es in Deutschland ein Gesetz, aber keine Begehungsmöglichkeit gibt. Der Pilz soll einst auf den Routen der alten Römerstraßen eingewandert sein, möglicherweise gibt es ihn aber auch schon dort gar nicht mehr.
Wir fanden ihn zufällig unter Esskastanienbäumen auf dem Weg zwischen Nivoliani und Selitsani. Es sah aus, als hätte jemand übergroße Spiegeleier auf die Erde gelegt. Hier, in Thessalien, ist Amanita Caesarea zwar auch selten, aber nicht geschützt, und trotz unseres beherzten Zugriffs nicht vom Aussterben bedroht.
In der Pfanne färbt er die Butter orangegelb, der Geschmack ist fein, leicht muskat- bis anisartig, im Biß ist er dennoch fest. Ist schon recht, dieses Ding Kaiserling zu nennen.

Wer Massenpilze finden will, muß uns dann aber noch weiterhinaus in die Berge folgen. Oberhalb von dann Selitsani gibt es ein Wegeschild, das zum Gipfel des Kissavos weist. Wenn man dann in die dunklen Wolken eintaucht, gerät man erst auf nahezu baumlose Ziegenwiesen, wo man Champignons aller Arten findet. Dann wird der Weg fast unpassierbar, und man findet sich in dichten Buchen- und Eichenwäldern wieder.

Bevor man Pilze überfährt, nimmt man sie doch mit, oder ?

Bevor man Pilze überfährt, nimmt man sie doch mit, oder ?

Gelegentliche Schlamm- und Wasserlöcher geben den Weg erst frei, wenn man sie abgräbt, und ihre Fluten zu Tale rauschen läßt. Der Wald ist tropfnass, und überall finden wir Pilze. Vor allem das, was wir heute wissenschaftlich Boletus ssp kenne, also keine Kaiserlinge, sondern vor allem Steinpilze, gelegentlich Maronen, die hier oft in Tschernobyl-Größe heranwachsen. Man muß nicht einmal aussteigen. Sie stehen am Wegesrand, und ein hübsches Exemplar von Steinpilz hätten wir beinahe überfahren. Er stand mitten auf der Schlammstraße. Echte Riesenschirmlinge gibt es bis zum Abwinken, auch gelegentlich Edelreizker. Einige Kilo nehmen wir mit, die nächsten Tage essen wir Pilze, bis zum Abwinken, aber die große Masse bleibt im Wald stehen, das Bücken lohnt nicht.

Zurück führt die Strasse über Agios Elias (liegen lassen) bis zum Abzweig „Anatoli-Karitsa“ auf den Weg zwischen Megalovriso- Anatoli.

Die Pilze lassen sich auch in umgekehrte Richtung erreichen. Also Nivoliani – Richtung Selitsani fahren, auf halbem Wege dem Schild rechts nach Karitza folgen, dann den Abzweig zum Bergpropheten links liegen lassen, weiter gerade aus. Wenn dann die Straße von Schotter und Eichenwald in Schlamm und Buche übergeht, dann gibt’s Pilze. Zu ungenau? Genau. Wahre Pilzfreunde verraten ihre Stellen halt nicht.

Glücklicherweise haben Pilze in Griechenland bei den meisten Einheimischen nicht den Stellenwert wie Meeresfisch. Nur so erklärt sich, dass die Wälder voll davon sind, während das Mittelmeer leergefischt ist. Aber es ist nicht so, dass sie sich nicht auskennen würden. Davon zeugen eben doch die Schnittspuren, die eindeutig von mit kundiger Hand geführtem Messerchen her rühren.

Die Reisen des Hei-Wu im Lande der Griechen. Mavrovouni 2014

Reisebericht

Die Reisen des Hei-Wu im Lande der Griechen.
Thessalien, 2014.
Agiocampos, Mavrovouni. Erste Septemberhälfte 2014.

Es stehen dieses Jahr keine weiten Rundreisen durch Griechenland an. Eigentlich ist meine Motivation darüber, Berichte über Griechenland zu schreiben, auch merklich gesunken, seit jeder in Deutschland angeblich weiß, wie es um Griechenland bestellt ist.
Dennoch mache ich einen Versuch. Griechenlandreisende kennen das Festland Griechenlands oft nur von der Durchfahrt: kahle Hügel, garniert mit öden Werbetafeln, säumen den Weg, hässliche Ortsdurchfahrten signalisieren nur ein: weg hier! Irgendwie erreichen selbst Individualtouristen den Ort ihrer Träume: eine Insel, deren Inneres genau so aussieht, wie gerade beschrieben, dafür aber wenigstens von einem blauen Postkartenmeer umspült. Am Hafen umgeht der Pauschaltourist den „Yes-Please“- Werbern gekonnt, doch selbst im individuellsten Geheimtiptdörfchen sind die Häuser „ganz traditionell“ alle weiß gestrichen, es gibt blaue Fensterläden, die Ureinwohner tanzen Sirtaki und irgendwann geht über irgendeiner Klippe auch noch die Sonne unter.

Wir bleiben statt dessen mal nur in Thessalien, insbesondere in der Gegend um Mavrovouni, einem bewaldeten Bergmassiv, das sich zwischen dem Pilion und dem Berg Ossa (Kissavos) erstreckt. Etappe der Anreise ist zunächst die Großstadt Larissa, dann wird der Ferienort Agiokampos an der Ägäisküste angesteuert, der auch dieses Jahr wieder unsere Heimat sein wird.

„Mavrovouni“ bedeutet: schwarzer, dunkler Berg. Dunkel ist diese Berglandschaft, die an der Küste der Ägäis sich zwischen dem Bergmassiv und der Halbinsel Pilion südlich, und dem Ossa und Olympmassiv nördlich erstreckt, durch seine dichten Wälder. Es ist mein ganz spezielles Griechenland. Hier gibt es keinen Sirtaki und keine blauen Fensterläden. Aber auch keine Jack-Wolfskin-Mumien, wie sie nach einigen Jahren ihres Verschwindens in den Schluchten des Olymps gelegentlich wiedergefunden werden.

Um Mavrovouni zu erreichen, fliegen wir erst – von Halle/Leipzig aus – mit dem leider immer unumgänglichen Zwischenstopp Frankfurt, Athen an. Leichter erreichbar wäre Larissa natürlich über den Flughafen Thessaloniki, die Station Athen fliegen wir jedoch aus verwandschafts- und verkehrstaktischen Gründen an. Dort steht nämlich, in einem verwilderten Vorgarten versteckt, unser Auto, ein mittlerweile 25 jähriger alter Citroen, der uns schon seit -zig Jahren wie ein geduldiges Maultier durch Griechenland begleitet. Der Lack ist mittlerweile in der griechischen Sonne blind geworden, die Türschlösser funktionieren nur bei gutem Zureden, aber technisch ist der Wagen an sonst nahezu in Ordnung, sogar neuen „TÜV“ haben wir.

Über die ziemlich leere Autobahn rasen wir am nächsten Tag in das ca. 350 km entfernte Larissa. Dass die Autobahnen so leer sind, hat Gründe, und die sind der Krise geschuldet.

Eine Raubritterburg aus lauter Kassenhäuschen. Eine Mautstation auf der Autobahn Athen - Thessaloniki.

Eine Raubritterburg aus lauter Kassenhäuschen. Eine Mautstation auf der Autobahn Athen – Thessaloniki.


Alle Nase lang versperren Mautstationen den Weg, einige sind neu entstanden, alle haben abermals massiv die Preise erhöht. Für die Strecke nach Larissa zahlt man knapp 50 Euro, das ist fast mehr, als das Benzin, das mit knapp 1,80 € auch nicht gerade billig ist. Kaum ein Durchschnittsverdiener kann sich solche Fahrten hierzulande noch leisten. Fernbusse sind da eine Alternative, günstiger, aber entsprechend unbequem. Die Bahn ist schneller, aber auch teurer.

Von Larissa aus erreichen wir, mit einem Zwischenstopp bei Freunden, den Vorort Platykampos, innerhalb etwas einer dreiviertel Stunde die Kleinstadt Agia, die auch so etwas ist wieder Marktort der kleinen Dörfer im Mavrovouni. In Agia endet die thessalische Ebene, hier wird die Landschaft wild und interessant, wenn man die 12 Kilometer Serpentinenstraßen an den Badeort Agiokampos an die Ägäisküste fährt. Agiokampos ist im Sommer die absolute Ferienhölle. Wer Ruhe oder gar Erholung sucht, sollte diesen Ort bis Anfang September meiden.
Doch danach, mit Beginn der Schulferien, kehrt schlagartig Ruhe ein. Die unzähligen Strandbars motten ihre Schirme und Liegestühle ein, das Wetter wird wechselhaft, nun kehren auch die herrenlosen Hunde wieder zurück an den Strand, während die ebenso herrenlosen Katzen sich um die wenigen Gäste der wenigen, noch geöffneten Restaurants balgen, in der Erwartung, noch den ein oder anderen Fischkopf ergattern zu können. Noch mehr als die Katzen lieben auch wir diesen Fisch, der hier serviert wird. Seezungen, Barben, Lithrinia, Synangrida ( die letzten kenne ich nicht auf deutsch), und eine besondere Delikatesse – ein „Meeresskorpion“, ein merkwürdiger roter, stachliger großer Fisch, der schon mal mit seinem Gift Menschen ernsthaft attackieren kann. Wenn er lebt, und nicht bei uns auf dem Teller liegt. Gefangen werden die Fische auf dem Meer vor Agiocampus, abends sieht man die beiden größeren Schiffe, die tagsüber im Hafen liegen, vor der Küste hell beleuchtet umherziehen, mit einigen kleineren,, ebenso beleuchteten Booten im Gefolge. „Kaiikia“ nenne sich diese kleinen Bootsprozessionen, die mit ihren Scheinwerfern die Fische ins Netz locken.

Agiokampos war noch vor wenigen Jahrzehnten ein unbedeutender Flecken mit wenigen Fischerhütten, bis es für die im nahe liegenden wohnenden Bürger Larissa schick wurde, Ferien am Meer zu verbringen, und hier Wohnungen zu bauen.

Im wilden Mavrovouni

Das Gebirgsmassiv "Mavrovouni" vom nördlich gelegenen Kissavos-Gebrige aus gesehen. Dazwischen gelegen der Kleine Hügel "Aetolofos" (Adlerberg) in der Ebene liegt (hier nicht im Bild) die Kleinstadt Agia.

Das Gebirgsmassiv „Mavrovouni“ vom nördlich gelegenen Kissavos-Gebrige aus gesehen. Dazwischen gelegen der Kleine Hügel „Aetolofos“ (Adlerberg) in der Ebene liegt (hier nicht im Bild) die Kleinstadt Agia.


Antrittsbesuch bei P. in Agiocampos. Seine einst gut gehende Taverne wollte er schon längst aufgeben. Aber die Langeweile hält den über 80jährigen davon ab, den Laden weiterzugeben oder zu schließen. Wir gehen vorbei, Smalltalk. Etwas unverfängliches, Politik zum Beispiel. „Wen habt Ihr jetzt als Bürgermeister?
Er zieht ein verächtliches Gesicht. „Einen aus Athanati“. „Sein Vater hat sechs Jahre gesessen“

Einem Fremden erschließt sich diese Aussage nur mühsam. „Athanati“ könnte „die Unsterblichen“ bedeuten. Ist der neue Bürgermeister ein Untoter? Wohl kaum. Und einen Ort Namens „Athanati“ sucht man auf der Landkarte der Umgebung vergeblich.
1923 wurde der Ort umbenannt. Heute heißt er Melivia, liegt ziemlich weit oben, von der Küste entfernt, in den Bergen, nicht im Mavrovouni-Massi, sondern im danebenliegendem Ossagebirge (Kissavos). Melivia ist heute Hauptort der Verbandsgemeinde Melivia, zu der auch viele Dörfer Mavrovounis gehören.

(Über Melivia und den damaligen kommunalpolitischen Streit 2010 hatte ich geschrieben, das war aber in „Halleforum“ – ggf. stelle ich das alles mal neu hier ein – wie gesagt: gegebenenfalls)

Die anderen Orte in der Nachbarschaft, die auf alten Karten verzeichnet sind, etwa „Selitsani“, „Nivoliani“ oder „Voulgarini“, gibt es heute auch noch. Größtenteils 1923, aber auch noch später, teils erst nach dem Bürgerkrieg und in der Zeit der griechischen Militärchunta, wurden sie per Dekret umbenannt.

Die Umbenennung der Ortsnamen Thessaliens ist jener Teil der „Kleinasiatischen Katastrophe“, der aus dem Blickfeld der Geschichte gerückt ist. Im Vertrag von Lausanne einigten sich Griechen und Türken auf einen Bevölkerungsaustausch, was zunächst harmlos klingt, aber in Wahrheit menschliche und kulturelle Tragödien bedeutete. Griechen, die die Massaker 1922 und -23 in Kleinasien überlebten, wurden abgeschoben, und im Gegenzug hatten alle „Türken“, die in Makedonien und Thessalien lebten, das Land zu verlassen. Als Türke zählte, wer nicht Grieche sein wollte, auf seinem muslimischen Glauben bestand, oder statt Griechisch weiterhin darauf bestand, Türkisch oder aber auch eine slavische Sprache als Muttersprache angab. Dies waren in Makedonien und Thessalien vorwiegend Mitglieder der slavisch sprechenden Bevölkerung, die in den Bergdörfern zuweilen sogar die Mehrheit stellte.
Dabei scheint die Aufteilung der Bevölkerung unklar gewesen zu sein. Orte, die „Voulgarini“ heißen, mögen etwa als Besonderheit so bezeichnet worden zu sein – so wie „Teutschtental“ im Saalkreis. In der Ebene trugen die Orte vorwiegend – aber nicht alle, vorwiegend die großen, antiken – nicht, wie etwa Larissa, – türkische Namen. Es muß einst ein irgendwie ein funktionierender Mischmasch aller möglicher Sprachen gewesesen sein, der hier bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts in Thessalien herrschte. Heute sprechen sie alle Neugriechisch. Neugriechisch ist nun fas überall lingua franca in Griechenlann. Doch manchmal hört man immer noch das Fluchen : „Ai siktir“ (Zum Teufel), oder „aide!, „Los!“ was, im ganzen Balkan so heißt, und slavischen Ursprungs ist. Die griechischen „Melinzanes“ (Auberginen) heißen hier auch schon mal „Patlitsanes“, und der „Buru“, eine aus Zinkblech gedengelter Grillkamin, hat seinen Namen vom türkischen Kamin. Das ist noch heute Dorfsprech.

Wer sich dann 1923 weigerte, „Grieche zu sein“, „Griechisch zu sprechen“, wurde ausgewiesen, verlor Hab und Gut. Entschädigungsansprüche ehemals makedonischer Familien werden bis heute per Gesetz ausgeschlossen.
Insbesondere Linke und Kommunisten erinnern sich an dieses Kapitel der Geschichte. Das resultiert aus der Zeit, als sich in den 1920er Jahren die Hoffnung der Kommunisten auf dem Balkan auf einen „panslavischen“, kommunistischen Staat gründete, der auch weite Teile Nordgriechenlands einschließen sollte. Ob die Umbenennung der Ortsnamen ein erfolgreicher Schlag gegen die Gefahr des vorrückenden Kommunismus war, mag dahin gestellt sein.

Umbenennung der Ortschaften in der Provinz Agia, Gesetzblatt von 1923.  "Agyia" wird zu "Agia", "Desiani" zu "Aetolofos" usw...

Umbenennung der Ortschaften in der Provinz Agia, Gesetzblatt von 1923. „Agyia“ wird zu „Agia“, „Desiani“ zu „Aetolofos“ usw…


Denn weder die slawische noch türkische Geschichte läßt sich aus Nordgriechenland zu eliminieren, ebensowenig wie die griechische Geschichte aus Kleinasien, der Krim oder dem Nordbalkan. Die alten Ortnamen, wie man sie in historischen Karten oder Reiseberichten lesen kann, reden noch. Vorwiegend in der Ebene herrschten türkische Ortsnamen vor: Topouslar (heute Platykampos), oder Kililer – das einzige Dorf, dem man seinen alten türkischen Ortsnamen nach einem Umbenennungsversuch zurück gab, denn in Kililer fand ein griechischer Aufstand gegen türkische Grundbesitzer 1910 statt. (Bei „Aufstand“ und „Kililer“ bitte nicht dem Google-Vorschlag „Killer“ folgen.
Besser hiervon ausgehen, und dann „andere Sprache“ anklicken: http://el.wikipedia.org/wiki/%CE%9C%CE%AC%CF%87%CE%B7_%CF%84%CE%BF%CF%85_%CE%9A%CE%B9%CE%BB%CE%B5%CE%BB%CE%AD%CF%81 )

Bei der Umbennenung verloren Orte wie „Voulgarini“ (Das „Bulgarische“) ihre Namen, und wurden nach „Elafos“, frei übersetzt mit „Rehhausen“) umetikettiert.
Selitsani heißt heute offiziell „Anatoli“ („Osthausen“), Nivoliani muss sich heute „Megalovriso“ (große Quelle) nennen.

Eine Übersicht über die Umbenennungen mit einer großen Konkordanz – für Heimat- und Regionalforscher unerlässlich – gibt es hier:
http://www.lithoksou.net/p/metonomasies-ton-oikismon-tis-thessalias

Während dieses Kapitel der Geschichte weder in griechischen Geschichtsbüchern noch heutigen Reiseführern gebührend erwähnt wird, konnten dennoch die alten Ortsnamen, die von einem interessanten multikulturellen Leben der Dörfer im osmanischen Reich künden, auch nach einem knappen Jahrhundert nicht ausgelöscht werden. Die neuen griechischen Namen stehen auf der Karte und in Google-Map, doch die alten Namen existieren im Sprachgebrauch bis heute. Und sie werden weitergegeben.

„Se-li-tz-ni“ trommelte mein angeheirateter „Vetter“ und Freund vor bald zwanzig Jahren aufs Amaturenbrett, damit ich mir die alten Namen merke. „Ni-vol-ja-ni !“. Er hatte mich zu einer ersten Fahrt durch das Mavrovouni- und das Kissavosgebirge mitgenommen, seine alte Heimat, die nun auch meine Zweite ist. Die Namen habe ich mir gemerkt, mehr noch erinnere ich mich schon an die „Herrengedecke“, die wir in jedem Dorf orderten, und die man unaufgefordert bis heute in jeder thessalischen Taverne erhält, wenn man einen „Tsipouro“ bestellt. Zum jeweiligen Tsipouro ( ein Tresterschnaps) gibt es immer reichlich Mesedes ( Vorspeisen, Herkunft des Wortes bitte googeln). Das ist bis heute so in Thessalien geblieben, und keineswegs nur in den Dörfern.

Zurück zu unserem Wirt P, in Aghiokampos. Er benutzt die alte Ortsbezeichnug „Athanati“. Er benutzt, wie viele andere, diese alten Ortsnamen aus Gewohnheit, aus Tradition und Heimatverbundenheit. Gerade er ist des Kommunismus eher unverdächtig. Warum aber die Verachtung im Gesicht, wenn er von den „Athanati“ spricht?
Sicher auch deshalb, dass Melivia der alten Gemeinde Aghia nach der kommunalen Neuordnung den Rang als Provinzhauptstadt abgelaufen hat. „Er hat sechs Jahre gefressen“ bedeutet: im Gefängnis zugebracht. Athanati-Melivia hat in den Erzählungen der Mavrovounites einen schlechten Ruf. Der Ort habe immer von Kriminalität gelebt, sagt man. Heute heißt es, ein Großteil der Bevölkerung lebe vom Drogenhandel, insbesondere vom Anbau von Marihuana. Dazu muss man noch wissen, dass der Umgang mit Cannabisprodukten in Griechenland etwa den Stellenwert besitzt wie Kinderpornographie in Westeuropa. In Griechenland „in anständiger Gesellschaft“ eine Diskussion über die Legalisierung von Cannabis zu beginnen, sollte man besser unterlassen. Auch diese Abneigung hat historische Wurzeln, aber lassen wir das Thema. Nur soviel: Jeder anständige Mensch hier unten in der Ebene weiß ganz genau, wie die „Athanati“ da oben den Stoff anbauen. „Die hängen Blumentöpfe hoch oben in die Olivenbäume, das siehst Du dann weder von unten noch von oben mit dem Hubschrauber“. An der Theorie könnte etwas dran sein. Denn trotz meiner vielen Streifzüge durch die Wildnis in den Bergen von Mavrovouni oder des Kisavos habe ich dergleichen nie gesehen.

Statt baden: sich in den Wälder verlieren…

Begeben wir uns also in die Wälder ringsum der Dörfern im Mavrovouni.
Dazu empfiehlt es sich, einfach von kleinen Ortschaften in der Ebenen – sei es nun der Touristenort Agiokampos oder der Kleinstadt Agia – unseren kleinen alten Peugeot zu besteigen (oder einen Geländewagen, tut das gleiche, aber ist halt schade um den Lack) und einfach die als harmlose Feldwege beginnenden, dann in den Bergen zu schlichten, von Erosionsrinnen ausgewaschenen „Chomatodromi“ (Erdwege, Feldwege) zu befahren.

Durch das Wilde Mavrovouni. Und plötzlich bist du im Wald.

Durch das Wilde Mavrovouni. Und plötzlich bist du im Wald.

Fahrt einfach, so weit Ihr Euch traut. Bald wird sich der Wald verdichten, bald dunkel, denn die Buchen und Eichen, die sich in höheren Lagen über die Forstwege verneigen, lassen kaum Licht hindurch. Gelegentlich führt der Feldweg durch einen Bach. Da muss man schauen, ob man sich traut. ADAC rufen, is nich. Man wird bald verstehen, dass der Besitz eines Handys mit GPS sinnlos ist, denn irgendwann gibt es keine Kontrolldaten aus dem Internet, die Dir auf dem Satellitenbild anzeigen, wo Du bist. Und wenn, dann weißt Du auch nur eins: Du bist im Wald. Ganz selten gibt eine Lichtung den Blick frei: „ah, da unten ist das Meer, und wir sind im Wald“. Aber es gibt Bodenpersonal, und das besteht jetzt, im Frühherbst, aus helllila blühende Cyclamen. Arrangiert in Teppichen.. Tausende.
Keine japanische Wellnes-Oase, sondern ein Bachtümpel im Wald von Mavrovouni.

Keine japanische Wellnes-Oase, sondern ein Bachtümpel im Wald von Mavrovouni.

Niucht die Nebelwälder des Himalaya: Mavrovouni im Herbst.

Niucht die Nebelwälder des Himalaya: Mavrovouni im Herbst.

Ob wir wüssten, wo wir seien, fragten uns auch die beiden Förster, denen wir nach Stunden Safari als erste Menschen begegneten, und die uns mit unserem Pickup den Weg versperrten. „Na eben, im Wald“. Blöde Antwort auf so eine Frage, gewiss. Man habe „Anzeige erhalten“, und da sei man halt man Kontrollieren gegangen, hieß es. Da wir aber nun mal kein totes Reh im Auto hatten, ließen sie uns gewähren.

Eigentlich war unter anderem die Suche nach Pilzen unser Sinn. Doch davon später. Ein eigenes Kapitel, wie sonst auch die Frage nach dem Essen, der Kultur im Allgemeinen und den Auswirkungen der „Krise“ insbesondere hier in Thessalien und eben auch in Mavrovouni

Es fehlen Bilder? Es gibt derer zu viele. Ich werde sie einfügen, nach und nach.

Schon wieder ein Jahr Halle vorüber. Bald wieder zuhause in Griechenland.

Der kleine Winzling von Kater, den wir letztes Wochenende in Aghiocampos eingesammelt haben, und dessenthalben ich den letzten Reisebericht so aprupt abbrechen mußte, lebt nun schon ein Jahr auf Gimritz. Ein Prachtexemplar. Die Tierärztin in Larissa hatte ihm einen „καλλο χαρακτηρας“, also einen sehr guten Charakter, bescheinigt (sie ist selber Katzenliebhaberin, und kennt sich da aus), also bekam das Würmchen einen Chip (armes Tier, so eine riesen blutende Wunde), dann einen EU-Pass (Nein, keine ErwerbsUnfähigkeitsbescheinigng, Tiberius ist nun vollwertiges Mitglied der Europäischen Union), was ihm auch die bequeme Einreise in die VR Gimritz ermöglichte (Es gibt ein Tierfernaustauschabkommen der VR Gimritz mit der Europäischen Union).
Tiberius wurde bereits im Februar diesen Jahres der internationalen Völkergemeinschaft als „Cat of The Day“ vorgestellt: http://catoftheday.com/archive/2014/February/10.html
Und letzte Woche hatte er seinen letzten Initiationsritus erfolgreich bestanden, indem ihm die Tierärtztin das Gemächte und damit den genetischen Code für diesen besonderen Katercharakter wegschnitt und in die Amputattonne warf. Oh, welche wertvolle Zuchtmaterial ist der europäischen Katzengesellschaft verloren gegangen!

Tiberius untersucht einen Gimritzer Saale-Hecht. Es ist für ihn nicht nicht immer ganz einfach gewesen, sich von dem mediterranen Futterangebot auf das Gimritzer Beutespektrum umzugewöhnen. Doch wir helfen ihm dabei, und nun isst er auch Hecht aus der Saale mit größtem Vergnügen. Wir sind ja so stolz auf ihn !

Tiberius untersucht einen Gimritzer Saale-Hecht. Es ist für ihn nicht nicht immer ganz einfach gewesen, sich von dem mediterranen Futterangebot auf das Gimritzer Beutespektrum umzugewöhnen. Doch wir helfen ihm dabei, und nun isst er auch Hecht aus der Saale mit größtem Vergnügen. Wir sind ja so stolz auf ihn !

Tiberius ist nun ein vollwertiges Mitglied der Gimritzer Gemeinschaft, ein Kulturbereicherer, doch er muss nun genau so wie seine Mitkätzin Agrippina zu Hause bleiben, auf Gimritz, derweil wir morgen wieder in unsere Heimat abreisen, nach Griechenland, genauer gesagt, Thessalien. Ubi Patria, ibi bene. Für unsere Katzen ist das Gimritz, unser Revier ist größer.
Darüber werde ich dann wieder schreiben, sowie Weh-Lan, Zeit und sonstige Widrigkeiten es zulassen. Die Delegation der VR Gimritz ist übrigens verstärkt worden. Eine gute Freundin, Nachbarin und Mitglied des regierenden Zentralrats der Gimritzer kommt mit. Sie wird selber berichten.

Tiberius von Aghiokampos.

Tiberius von Aghiokampos. Das war 2013, als wir ihn mitnahmen.

Genug Cat-Content. Die Nachbarn werden auf Haus, Garten und Vieh aufpassen. Es ist halt immer jemand da, was auch beruhigt, nicht nur die Tiere.
Draußen tobt das Laternenfest, und ich packe den Koffer. Also: meinen Handgepäck-Koffer. Ladegeräte, Kameras, Handys, Plastebeutel zum Pflanzensammeln, all den ganzen Quatsch. Versuche mich auch noch gerade zu sortieren: wie war das das letze Mal, Internet-Zugang in GR außer Haus, Internet-WLan-Karten von Cosmote. Wie ging das noch?

Ach so: wo wir ankommen: in Athen. Was wir danach machen: Darüber denken wir nach, wenn wir da sind. Es gibt kein Programm. Außer: unsere Freunde und Verwandten sehen. Rumfahren, Blödsinn machen. Der Rest kommt von alleine.

Aber Ihr, liebe HalleSpektrum-Leser, könnt uns verfolgen. Hier, auf diesem Kanal. Es wird mehr geben, als Cat-Content. Bleibt dran. Drei Wochen lang.

Ausklang mit Katze

15.09 2013

Auffahrt auf ins Ossa – Gebirge und Besuch im Koster

Eine der Nonnen, die wir auf der Samenbörse in Dimitra kennen lernten, hat uns

zum Besuch des Nonnenklosters St.Johannes des Täufers (Ajos Joannis Prodromos) eingeladen. Also fahren wir den steilen Weg von Dimitra hinauf nach Argostoli. Die Straße, die veilfältige Ausblickmöglichkeiten bietet, ist besonders im Herbst auch für andere Verkehrsteilnehmer gefährlich: Landschildkröten. Dieses Jahr begegneten wir keiner, doch vor einigen Jahren noch war die Strasse voll von Ihnen – teils heftig im Paarungsakt vertieft.

Oberhalb von Anatoli – (dem Ort, wo es die besten Pommes  gibt – ich berichtete schon einmal ) weist ein Wegweiser zum Kloster hinauf. Man öffnet man uns nach zaghaftem Läuten an der Glocke, wir werden zunächst aufgefordert, in der Klosterkirche ein Gebet zu verrichten. Dann wird „unsere“ Schwester gerufen. Sie stammt aus Deutschland, hatte sich zunächst, – dies hier auszuführen, würde zu weit führen – dem überkonfessionellen Teze-Bewegung verschrieben, bis sie in Kontakt mit orthodoxen Nonnen kam, ihre Arbeit in Deutschland kündigte und fortan in Griechenland im Kloster lebt. Das Kloster selbst ist neu. Zwar befand sich an dieser Stelle schon im 16. Jahrhundert ein Kloster, dessen Kirche mittlerweile nur noch eine bedauerliche Ruine ist. Mönche vom Athos starteten in den 1980er Jahren einen ersten Anlauf, hier ein neues Kloster zu errichten, der Bau kam aber zum Erliegen, und verfiel als Bauruine in der Folgezeit dahin..Die 16 Nonnen der international zusammengesetzten Klostergemeinschaft setzten Anfang der 2000er Jahre schrittweise – hauptsächlich aus eigener Hände Kraft – die angefangene Ruine in Stand, Zelle für Zelle.  So ganz fertig sei man immer noch nicht, erfahren wir von unserer Schwester. Doch das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die geschmackvoll eingerichteten Besucher- und Versammlungsräume öffnen sich in die weite grüne Landschaft, weit unten ist schemenhaft die Stadt Larissa zu sehen. Man könne von Larissa aus auch das Kloster sehen, erzählt die Nonne. Es sei das einzige Licht hier oben am Berg Kisssavos. Neben dem Kloster hier oben in Anatoli gibt es mittlerweile noch eine weitere Baustelle: ein Kloster in Estland, auf dem gerade 4 Nonnen werkeln. Die Gemeinschaft tauscht sich hin und wieder aus – es gibt keine feste Besetzung zwischen dem Stammkoster Laurion bei Athen, hier oben bei Anatoli und in Estland. Wie in einem Pfalzverbund wirken die Nonnen da, wo gerade der größte Bedarf ist. Nächstes Jahr soll es auch Whisky geben – eine der Schwestern hat die Schnapsbrennerei zu ihrem „Hobby“ ausgebaut und will sich nun an komplizierteren Bränden als nur Tsipouro versuchen.

Wenn wir schon einmal so weit oben auf dem Berge Ossa (=Kissavos) sind, wollen wir die Gelegenheit noch wahrnehmen, auch noch dem Wegweiser zum Berggipfel zu folgen. Die Straße besteht aus trockenem Lehm und teils großen Gesteinsbrocken, aber mit etwas Mühen und Mut gelangen wir doch zum vermeintlichen Gipfel, hinter dem allerdings, kurz bevor man oben ist, noch ein höherer in der Ferne erhebt. Die Straße führt auch bis dort hinauf, weil sich oben eine Funkstation befindet -. Wir lassen das lieber, denn die Vorstellung, ohne Benzin und funktionierendem Handy hier oben hängen zu bleiben, ist nicht angenehm. Auf dem Gipfel Nr. 2 läßt es sich auch aushalten, Fernsicht fast rundrum, von Ägäis bis über Larissa zum Pindos hinweg liegt alles da. Hier oben wachsen Wachholderbeeren, die wir noch als Reisemitbringsel ernten.

An dieser Stelle mache ich einen jähen Punkt. Gestern, einen Tag vor der Abreise, ist uns ein kleiner verhungerter Kater zugelaufen. Nachdem wir ihn mit reichlich Fisch aufgepäppelt haben, hat er uns klargemacht, dass er mit nach Halle möchte. Die Tierärztin in Larissa wird sich des Falles annehmen, impfen, Dokumente ausstellen, chippen. Bei der Lufthansa ist er schon als Passagier registriert.

Tiberius von Aghiokampos.

Das ist auch der Grund, warum die letzten beiden Artikel (noch) keine Bilder haben. Er hat es geschafft, mit irgendeiner Vierpfotenkombination das W-LAN des Rechners auszuschalten.  

Rund um Kephalonia

12-14-09.2013

Der botanische Garten von Argostoli enthält in seinem großzügigem Areal mindest 30 verschiedene Pflanzenarten, die – bis auf wenige Ausnahmen –durchaus korrekt beschriftet sind. Durch den Garten rauscht ein kleiner Bach, es gibt einen Teich, und mit dem an sich spärlichen Pflanzensortiment werden verschiedene „Pflanzengesellschaften“ und Themenräume angelegt.Der Spaziergang durch den Garten lohnt sich, wenn auch nicht unbedingt durch den erwarteten Erkenntnisgewinn. Leider ist der Garten kaum ausgeschildert, am besten fragt man nach der örtlichen Polizeistation, der Garten liegt gegenüber.

 

Will man der Hitze von Argostoli entfliehen, so empfehlen sich Ausflüge zu dem in der Nähe liegenden Stränden. Empfehlenswert: „Trapezaki“, liegt am Ende eines Baumbewachsenen Tales, sauberer Sandstrand, sehr gepflegt.

 

Wer es dagegen richtig erfrischend kühl haben möchte, sollte einmal die Insel von Argostoli aus Richtung Sami durchqueren. In der nähe von Sami liegt sice Höhle von Melissani, die in gewisser Weise ein Naturwunder darstellt. Die Höhle ist Teil eines langen Karsthöhlensystems, das bei Argostoli im Meer beginnt und die ganze Insel bis nach Sami durchzieht. An der Eintrittsstelle des Meerwasssers bei Argostoli gab es einst Mühlen, deren Räder von dem einströmenden Wasser angetrieben wurden. Bei Melissani tritt dieses Wasser wieder aus dem Berg aus – wo es wiederum kleine Mühlen antrieb. Was das Wasser veranlasst, quer durch die Insel zu fließen, ist offenbar bis heute unbekannt nicht geklärt. Die Tatsache, dass das Wasser diesen 16 km langen Weg durch das Gebirge nimmt, kennt man seit den 1960er Jahren durch Färbeversuche.

Vor ca 5000 Jahren stürzte eine Kaverne des Karstsystems ein, worauf sich ein baumbestandenes Loch mit einer angrenzenden Tropfsteinkammer ergab. Das Loch ist von Bäumen umstanden, das Wasser türkisfarben und Sommers wie Winters kontinuierlich 15 Grad kalt. Durch einen künstlich angelegten Gang gelangt man hinein, worauf man dann von einem Fremdenführer im Boot einmal umhergerudert wird.

 

Etwas beeindruckender, allerdings ohne Wasser, ist die in der Nähe liegende Drogarati-Höhle. Hier unten ist es richtig kühl, die Tropfsteine ansehnlich, wenn auch – wohl schon in früheren Zeiten – zur Souveniergewinnung ihrer Spitzen beraubt.

 

Etwa auf halbem Wege zwischen Sami und Argostoli führt ein Seitenstraße in Richtung Kloster „Ajois Gerasimos“. Das (neue) Kloster lohnt sich nicht, dagegen sollte man unbedingt die in der Nähe liegende Winzergenossenschaft besichtigen, die hier die nur auf Kephalonia wachsende Weißweintraube „Robola“ zu einem einzigartigen trockenen Wein verarbeitet. Robola gehört mit Abstand zu den besten Weißweinen Griechenlands überhaupt. Die Genossenschaft exportiert auch nach Deutschland – jedoch nur in so geringen Mengen, dass der Wein dort kaum aufzutreiben ist (www.robola.gr).

Die Robola-Rebe ist wohl auf Kephalonia entstanden, ihre genaue Entstehung liegt im dunkeln. Die kleinfrüchtigen Beeren sind nicht sehr ertragreich, ergeben jedoch schöne, trockene Weine mit einem vollfruchtigem Aroma.

Die modernen Kelteranlagen lassen sich besichtigen, die Weine auch probieren und käuflicbh erwerben. Leider muß man hierzu die seltenen Zeitpunkte abpassen, wo nicht gerade wieder eine Busladung Russen die Aufmerksamkeit des Personals bindet.

 

Lixouris selbst war lange Zeit – bevor es die Rolle an Argostoli abtrat – Hauptstadt von Kephalonia. Der Weg nach Lixouris ist landschaftlich interessant, die Stadt bietet rein gar nichts an Se-henswürdigkeiten. Nur der mächtige Gummibaum auf dem Marktplatz überlebte die Zerstörung der Stadt durch das Kephalonia-Beben von 1953.

 

Auch wer nicht Baden möchte, sollte unbedingt den Strand von Xi besuchen. Xi liegt nicht weit entfernt, südlich von Lixouri. Die Küste besteht aus an die 20-30 meter hohen „Felsen“ aus weißem Ton, die durch Erosionsprozesse bizarre Formationen ergeben, die stark an die Kreidefelsen von Rügen erinnern. Vom Sandstrand aus kann man einige 5o Meter durch das flache, badewannenwarme Wasser ins Meer hinauslaufen, ohne Schwimmen zu können. Für Familien mit Kindern ideal.

 

Leider ist es kaum möglich, durch Griechenland zu reisen, ohne irgendwo an die Verbrechen der Deutschen Wehrmacht und der SS erinnert zu werden. Auf Kephalonia trifft man oberhalb von Argostoli, nicht weit vom Leuchtturm entfernt, auf das „monumento ai caduti “.  Das schlichte Monument gedenkt der über 9000 italienischen Soldaten, die nicht nur Opfer von Kampfhandlungen wurden, sondern Großteils Opfer eines grausamen Rachezuges der Wehrmacht wurden. Allein über 5200 gehörten der italienischen Division „acqui“ an, die von ihnen wurden in einem Massaker von der Wehrmacht hingerichtet.

http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_auf_Kefalonia

 

Da Italien, das zunächst bis 1941 an der Seite Hitlerdeutschlands Griechenland besetzte, sich September 1943 den Allierten ergeben hatte, wurden auf Kephalonia festsitzende italienische Seiten nun als Feinde und Verräter aufgefasst. Es erging der Befehl vom Oberkommando der Wehrmacht, dass „wegen des gemeinen und verräterischen Verhaltens auf Kephalonia keine italienischen Gefangenen zu machen“ seien. Am 21. September 1943 wurde die gesamte Divison von Acqui, die sich komplett den Deutschen ergeben hatten, hingerichtet. Weitere Italiener starben bei Evakuierungsversuchen, indem ihre Schiffe versenkt wurden oder bei direkten Kampfhandlungen.

 

Die Kriegsverbrechen der Wehrmacht hatten nach 1945 kaum ein ernsthaftes juristisches Nachspiel. Erst auf Anfrage Simon Wiesenthals nahm man 1962 Ermittlungen auf, die 1967 unter fadenscheinigen Begründungen eingestellt wurden. Auch weitere Versuche einer juristischen Aufarbeitung des Kriegsverbrechens verliefen immer wieder im Sande, zuletzt im Jahre 2006.

 

 

 

Inselhüpfen: über Levkada auf Kephalonia. Ankunft in Argostoli

11.09.2013

Levkada nimmt unter den Ionischen Inseln eine gewisse Ausnahmestellung ein. Sie liegt derart nahe am Festland, dass man sie heute über einen wenige Kilometer langen Damm, der die lagunenartig flache Meerenge führt, erreichen kann. Nur eine kleine Schiffbrücke trennt die Insel alle paar Stunden vom Festland ab, um kleinere und größere Boote hindurch zu lassen.

Die enge Lage am Festland führte auch dazu, dass Levkada wie das übrige griechische Festland lange Zeit unter osmanischer Besetzung stand, allerdings mit kurzen Unterbrechungen. Alle übrigen ionischen Inseln standen dagegen seit dem 13.Jahrhundert – mit kurzen Ausnahmen im 19.Jhdt – bis 1864 unter venezianischer, dann italienischer Herrschaft.

An der venezianischen Festung „Santa Maura“ steht die Ampel auf rot. Das Brückenschiff fährt die Klappen hoch, wendet. Segeljachten durchfahren den freigegebenen Kanal, nach einer viertel Stunde dreht sich die Schiffbrücke wieder zurück, und gibt den Weg für die lange aufgestaute Autoschlange Richtung Hauptstadt der Insel frei. Sie trägt – wie viele griechische Inselhauptstädte –  keinen eigenen Namen, sondern den der Insel. Der Ort Levkas gilt als von seiner Architektur als „eher osmanisch“ geprägt, was man jedoch nur mit Einschränkung so sagen kann. Die noch erhaltenen alten Wohnhäuser stammen vorwiegend dem 19.Jahrhundert, es waren einst „nach osmanischer Art“ mit Holz verkleidete Fachwerkbauten.

Wellblechromantik in Levkada

Heute ist das Holz fast ausnahmslos durch farbig lackiertes Wellblech ersetzt- diese praktische, industrielle  Errungenschaft der Mitte des 20. Jahrhunderts es bestimmt heute die Straßenzüge von Levkada. Dekorative Elemente in neoklassizistischem Stil wurden bei der Wellblechaktion, die wohl im Zuge des Wiederaufbaus der Stadt nach dem verheerenden Erdbeben 1953 stattfand, glücklicherweise häufig belassen, so dass sich das Material aus einer gewissen Entfernung „wegguckt“.

Eisernes Campanile; errichtet nach dem beben von 1953

Sowohl Levkada als auch Kephalonia verloren bei dem Erdbeben 1953 fast alle Steinbauten, und damit einen Großteil der Kulturgüter. Die Wunden, die diese Naturkatastrophe riß, konnten nie geschlossen werden. Bei näherem Hinsehen sind sie allgegenwärtig. Kirchenfassaden, manchmal auch freistehende Campaniles in einer Art „italienischem Barock“ verleihen der Stadt – wie auch den Ortschaften der Insel Levkada (und auch Kephalonia) ein italienisches Flair. Bei näherem Hinsehen sind es Fassaden aus Gußbeton, die nur entfernt etwas mit den untergegangenen Originalen zu tun haben.

Im Ort Levkada selbst haben nach dem Beben nicht nur Wellblechvertreter gewirkt, sondern auch Eisenschmiede. Viele Kirchtürme Levkadas wurden – zunächst offenbar provisorisch – durch teils kunstvoll gefertigte Eisengerüste ersetzt. Einige von ihnen haben mittlerweile selber Denkmalwert.

 

Der Hafen von Levkada wird hauptsächlich von Freizeitskippern belegt.

Levkada selbst ist heute ein lebendiges Städtchen, das neben romantischen Gäßschen auch über eine belebte Fußgängerzone, einen ziemlich großen Freizeithafen für Segler und eine ausgedehnte Uferpromenade verfügt. Sehenswert ist das archäologische Museum, das im städtischen Kulturzentrumskomplex am Ende der Promenade untergebracht ist.

Auf vier Räumen wird thematisch – anhand von Originalen und sehr gelungenen Rekonstruktionen  die prähistorische Archäologie bis hin zur klassischen Antike erläutert. Das Museum beherbergt unter anderem Teile der Sammlung des berühmten deutschen Archäologen Willhelm Dörpfeld, nach dem auch eine der großen Strassen im Zentrum Levkadas benannt ist („Derpfeld Gulielmo“). Dörpfeld, langjähriger Direktor des Athener Deutschen Archäologischen Institutes,  lebte hier lange Zeit bis zu seinem Tode 1940 hier in Levkada. Ein Leben lang verfolgte ihn eine fixe Idee: hier das Ithaka der homerischen Odyssee zu finden. Vergeblich.

Vom Hauptort im Norden der Insel braucht man eine knappe Stunde bis zu dem „auch ganz netten“ Ort Wassiliki, der ein beliebter Anlaufort für mehr oder weniger zu Wohlstand gelangte Touristen aus dem Balkan, aber auch äußerst betuchten Yachtbesitzern geworden ist. Die Anlegestelle für die Autofähre nach Kephalonia findet man erst nach einigem Suchen, etwas entlegen an der langen Strand- und Uferpromenade.

Wassiliki

Zwei verwaiste Bürocontainer nennen die Abfahrtzeiten, gegen 17.00 h soll die Fähre abfahren – doch niemand ist da, der Fahrscheine verkaufen könnte. An der Scheibe kleben ein paar Telefonnummern, die Anrufe dorthin laufen ins Leere. Erst nach mehrfachen Nachfragen bei Ortskundigen werden wir an ein Reisebüro verwiesen, dort erhalten wir Fahrscheine und bekommen versichert, dass die Fähre tatsächlich komme. Dem ist auch so. Das für den kleinen Ort recht mächtige Fährschiff „Käpten Aristidis“ legt denn auch an, und nimmt uns mit.

Kephalonia ist schon kurz nach der Abfahrt von Wassiliki deutlich auszumachen, links daneben türmen sich die Berge von Ithaka auf. Nach einer Stunde Fahrzeit landen wir an der Nordspitze von Kephalonia, im Hafenort Fiskardo. Der allerdings sehr kleine Ort soll einer der Wenigen sein, die vom Erdbeben halbwegs verschont wurde – wir lassen ihn liegen, denn unser Ziel ist die größte Stadt der Insel, Argostoli.

Auf dem Weg von Fiskardo nach Argostoli durchfährt man einige Postkartenbilder.

 

Irgendwo zwischen Fiskardo und Argostoli.

Der Weg dorthin dauert wieder eine Stunde, immer wieder taucht tief unterhalb der Steilküste, an der entlang die schmale Strasse führt, das Meer auf.  In der Tat erscheint die Insel „italienisch“ geprägt, wenn man das klassische Italienklischee mit Zypressenbewachsenen Hängen, offener Landschaft und hellockerfarbenen Steinhäusern bedient  (derer im Norden der Insel tatsächlich noch wenige erhalten sind. Über den Ortschaften herrschen „italienisch-barocke“ Kirchen, mit Campanile und Zwiebelturm, selbstverständlich aus Stahlbeton.

Argostoli liegt an einer einer länglichen Bucht auf einer Halbinsel. Bei annähernd 9000 Einwohnern ist man von dem geradezu großstädtischem Flair des Ortes überrascht.

Ankunft in der Abenddämmerung in Argostoli.

Die Innenstadt hat eine weitläufige „Platia“, einem zentralen Platz, der von öffentlichen Verwaltungsgebäuden und repräsentativen Hotels gesäumt wird. Neben der Fußgängerzone, die von der Platia abgeht, findet das Leben auch unten, an der Uferpromenade statt. Hier gibt es Markthallen, in denen Obst, Fisch und andere Lebensmittel feilgeboten werden, Werkstätten und Läden aller Art, gute Restaurants, Hotels und vieles mehr. Am Kai verhandeln Fischer mit Hausfrauen über den Preis ihrer Fische, die sie direkt vom Boot aus verkaufen. An keinem Ort in Kephalonia kann man gehobene, ionisch-griechische Küche besser genießen als in Argostoli. Zu empfehlen: Restaurant Ampelaki (www.ampelaki.gr), das mit hervorragenden Gerichten weit jenseits des an allen Orten mehrsprachig angepriesenem „greek food“ aufwartet. Die Ionische Küche unterscheidet sich von der Festlandsküche durch eine tatsächlich italienisch anmutende Art der Zubereitung, Pastagerichte, um die man sonst in Griechenland besser einen weiten Bogen macht, sind hier sehr zu empfehlen. Aber auch hervorragende Schmorfleischgerichte – die hier – ganz anders als auf dem Festland  mit mild gewürzten Soßen serviert werden, bei denen häufig Wein Träger des Geschmacks ist.

Da wird es dann auch schon einmal raffiniert, etwa, wenn Weinblätter mit Schafskäse und Eiern und Minze gefüllt werden, und die dann wiederum in eine Lammkeule gesteckt, mehrere Stunden im Ofen mit Wein und Zwiebel geschmort werden.

Wem nach Fischgerichten ist, dem sei die – nicht einfach zu findende – Taverne „Vinaries“ am nördlichen Ortsausgang zu empfehlen. Sie findet sich in Verlängerung der Küstenpromenade, fast schon an der Nordspitze der Halbinsel Argostoli, in einem kleinen Kiefernwäldchen am Wasser. Die etwas schlicht gehaltene Taverne besticht neben ihren stilvollen Mesedes, Tsipouro und lokalem Wein mit bestem, fangfrischem Fisch (Λάσση, Αργοστόλι, Κεφαλονιά 28100).

–         wird fortgesetzt –


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Quer durch Griechenland: von der Ostküste an die Westküste.

Mittelgriechenland ist eigentlich recht schmal. Von der Ostküste bei Larissa/Aghiocampos bis an die Westküste, zum Ionischen Meer, sind es Luftlinie vieleicht 250 Kilometer. Doch zwischen diese direkte Verbindung schiebt sich das gewaltige Pindus-Gebirge im südlichen Ipiros. Es ist nicht das erste Mal, dass wir den Weg durch das Gebirge suchen, um an die Westküste zu gelangen.


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Das Ziel der Fahrt gilt den Ionischen Inseln Levkas und Kephalonia. Es gibt verschiedene Alternativen, die Westküste zu erreichen. Die meisten Navis und auch alle Einheimischen schlagen einen längeren, bequemen Umweg vor, der über die teils autobahnähnlich ausgebaute Via Egnatia über Ioannina und Igoumenitza führt.

Die Strecke ist tatsächlich bequem – aber längst nicht so spannend. Zudem fallen hier erhebliche Mautgebühren an. Also nehmen wir lieber doch den fast direkten Weg durch das Gebirge.

In älteren Reiseberichten habe ich über diese Strecken schon berichtet [hei-wu 2011,2012] – wir sparen uns das an dieser Stelle. Kurz hinter der „Einfahrt“ ins Pindos – Gebirge bei Pyli nehmen wir noch einmal Benzin an einer Tankstelle auf. Während wir und betanken lassen, sehen wir einer betagten alten Frau zu, die die reifen Körner von Maiskolben in einen großen Kübel puhlt.

Sie erklärt uns, dass Daraus Maismehl gemahlen wird. Das sei gut, um „Plasto“ (Πλαστό) daus zu machen. Wir sehen sie etwas verständnislos an, denn von dem Gericht haben wir nie gehört. Sie wiederum sieht uns so an,  wie eine mitteldeutsche Oma dreinschauen würde, wenn ihr jemand begegnet, der keine Kartoffeln kennt. Der Beschreibung nach ist dieses im Pindos und Thessalien traditionelle Gericht ein Zwischending irgendwo zwischen Gemüsepizza und überbackener Polenta, Rezepte lassen sich auch durchaus im Netz finden, jetzt, wo wir wissen, wonach man suchen soll: http://www.sintagoulis.gr/tag/%CF%80%CE%BB%CE%B1%CF%83%CF%84%CF%8C%CF%82

Lecker sehen die kleinen Häppchen auf den Abbildungen jedenfalls aus.

Die Deichbauverhinderer von Sykia.

Von der Weiterfahrt durch den Pindos werden wir – aus aktuellem Anlaß – nur noch das Wiedersehen mit einem alten Bekannten erwähnen:  Dem Damm von Sykia. Seit unserer Vorbeifahrt im Sommer 2011 hat sich an dem fast fertig gestelltgen Dammbau nichts mehr bewegt. Ein paar mehr gesprühte Parolen sind noch hinzugekommen. An sonsten steht der über 170 Meter hohe Damm verlassen da – es gibt nichts zu stauen, keine Baumaschine ist mehr zu sehen. Seit 2000 beschäftigen sich die Gerichte mit dem wohl umstrittensten Großprojekt Griechenlands, und seit 2005  herrscht Baustopp.

Der Widerstand von Umweltschützern und Bewohnern mehrerer Ortschaften, die von dem aufgestauten Fluß Acheloos überflutet werden sollten, hat wirkung gezeigt.. Das Projekt hat allerdings auch einen gewaltigen anachronistischen Charakter. Der Fluß Acheloos entwässert das Pindos-Gebirge Richtung Westen – zum  Neidwesen der Bauern in der thessalischen Tiefebene, die das Wasser gerne Richtung Osten fließen sehen möchten, um ihre durstigen Baumwollfelder zu bewässern. Die Idee, einfach den ganzen Fluß umzuleiten, stammt bereits aus den 1930er Jahren, 1988 begann man ernsthafte Planungen. Vom Stausee aus sollte das gesamte Wasser des Flusses durch eine 11 Meter dicke Betonröhre von West noch Ost umgeleitet werden. Man muß etwas weiter ausholen, um den ganzen Wahnsinn des Projektes zu verstehen. Die thessalische Ebene  um Larissa ist seit der Antike die Kornkammer Griechenlands schlechthin. Doch – auch dank großzügiger Förderung der EU – ist der Anbau der im Vergleich zu Getreide weitaus durstigeren Baumwolle lukrativer. Wo einst Getreide angebaut wurde, dehen sich heute Baumwollfelder aus. Reichlich besprengt mit Wasser, das man teils aus dem Fluß Pinios, vor allem aber aus den grundwasserführenden Geröllschichten pumpt. Pestizide und Düngemittel werden über das Grundwasser immer wieder im Kreis gepumpt – mit mittlerweile erschreckenden Folgen für die Qualität des immer mehr versalzenden Wassers. Neben diesen Giften reichern sich zudem Schwermetalle, insbesondere das in den umliegenden Bergen natürlich vorkommende Arsen, auf den Feldern an. Da kam die Idee natürlich recht, das vergiftete Wasser mit Frischwasser aus den Bergen zu verdünnen.  Da sich mittlerweile auch in Griechenland das ökologische Bewusstsein gewandelt hat, und das Misstrauen gegen staatliche Großprojekte ohnehin auf einer gewissen Tradition aufbaut, wird man wohl noch in einigen hundert Jahren die Ruine des Sykia-Staudamms als das bewundern dürfen, was er ist: ein betongewordenes Dokument des Irrsinns. „Der Acheloos wird sich wehren“  steht denn auch auf den Betonmauern am Damm, und „Nieder mit dem Deich, weg mit den Dämmen“.

http://www.water-technology.net/projects/acheloos/

Gegen Abend haben wir die Küste des Ambrakischen Golfes erreicht, in Vonitzsa suchen wir eine Unterkunft, von wo wir am nächsten Tag zum Sprung auf die Inseln Levkas und Kephalonia ansetzen wollen. Die letzten Kilometer sind eine Tortour, auf der die viel zu engen Straße liefert sich internationaler Lastwagenverkehr eine Rennmeisterschaft, die meisten Laster sind offenbar in südlicher Richtung unterwegs, Richtung Rio/Antirio, von wo sie wohl Kurs auf die Hafenstadt Patras nehmen wollen.

Auf dem Weg hinunter Richtung Arta zeigt sich das Pindos-Gebirge nochmal in seiner ganzen Pracht

Vonitza ist ein „nettes Örtchen“, es hat eine kleine Flaniermeile, eine „Yes-please-Taverne“ reiht sich an die andere, und das Hotel „Marina“  ist siffig, dreckig und die Enscheidung, hier ein Zimmer mit Meerblick zu nehmen,  rächte sich bis tief in die Nacht mit „Ums-Ums-Rhythmen“ der Bars an der Promenade.

 

 

 

 

Anmerkungen:

Hei-Wu 2011, 25.08.2011, Halleforum  (z.Zt. offline)

Hei-Wu 2012, Hallespektrum, 27.08.2012 (http://hallespektrum.de/heiwu/2012/08/31/parga-metsovo-kalambaka-larissa-der-geo-biographische-hoehepunkt-der-reise/)

 

 

Samentausch zwischen Nonnen, Kleinbauern und Bürgerbewegten. Die 4. thessalische Saatgut-Tauschbörse in Dimitra.

(7. September 2013)

Das kleine Dörfchen Dimitra liegt links, nicht weitab von der Strasse zwischen Larissa und Aghia, etwa auf halbem Wege. Der rasterförmige Grundriß erinnert, von den Hängen des Ossa-Gebirges aus gesehen, an das Modell einer antiken römischen Kleinstadt. Aber nur von dort. Es liegt zwischen Baumwollfeldern und hat mit seinen langweiligen flachen Häusern aus den 1950 und 60er Jahren, umherknatternden alten Treckern und abgestellten Baumwolllastern rein gar nichts zu bieten. Hier möchte man nicht einmal tot über dem Zaun hängen.

Der Ort Dimitra in der Thessalischen Ebene, vom Hang des Ossa-Gebirges aus gesehen.

Dennoch pulsiert heute, am 7. September, auf der Plateia von Dimitra das Leben. Zum 4. Mal haben mehrere Organisatoren zum Thessalischen Samentauschtreffen eingeladen. Dahinter stecken Organisationen, wie sie eigentlich verschiedenartiger nicht sein können: Die Initiative «Engagierte Bürger Larissas“ (ενεργοι πολιτες λαρισας), das Nonnenkloster St. Johannes der Täufer mit Sitz bei dem weiter oberhalb gelegenen Ort Anatoli (Ιερα Μονη Τιμιου Προδρομου), die Gemeinde Aghia, die alternative Ökobewegung PELETI (Εναλλακτικι Κοινοτιτα ΠΕΛΙΤΙ) und viele weitere kleine Gruppen und Verbände. Mit der Tauschbörse bezweckt man nicht nur, untereinander selbst geerntetes Saatgut zu verteilen. Vielmehr ist dies Teil einer – auch sonst in Europa – zunehmenden, starken Bewegung, die der Politik internationaler Saatgutkonzerne ebenso entgegentreten will, wie dem Europäischen Gesetzgeber, der in den letzten Jahren mehrfach versucht hat, das Saatgutgesetz zu Gunsten großer Saatgutkonzerne zu ändern. Über die gesamteuropäische Bewegung, die insbesondere auch in Deutschland so stark geworden ist, kann man sich im Netz gut informieren. So läuft zur Zeit eine europaweite Unterschriftenaktion gegen die geplante neue Saatgutverordnung der EU: https://www.openpetition.de/petition/online/saatgutvielfalt-in-gefahr-gegen-eine-eu-saatgutverordnung-zum-nutzen-der-saatgut-industrie

Die Befürchtung der Bewegung besteht darin, dass mit dem Verbot – auch privat – nicht zertifiziertes und zugelassenes Saatgut zu vertreiben, die reichhaltige Vielfalt europäischer Kulturpflanzen, insbesondere historischer und alter Landsorten, sterben könnte. Bauern und Kleingärtner würden so von den Interessen der Saatgutkonzerne abhängig gemacht, weil sie nicht mehr lizenzfreies „open Source“- Saatgut ausbringen könnten.Während solche guerillahaften Samentauschaktionen in Deutschland vorwiegend  – und auch sehr erfolgreich – über das Internet abgewickelt werden,  trifft man sich hier, in Dimitra, vor Ort.

Die 4. Thessalische Samentauschbörse in Dimitra

Das subversive Treiben ist gut organisiert, und mutet von außen zunächst wie ein kleines Volksfest an. Um die eigentliche, streng nichtkommerzielle  Tauschbörse herum haben Verkäufer alternativer Produkte versammelt, die Nonnen des Johannesklosters verkaufen selbst hergestellten Käse, Honig, Liköre und Tsipouro, andere Biobauern sind mit Hülsenfrüchten, Kartoffeln, mehreren Soten Trachanas (einer Art fermentierter und getrockneter Grütze, aus Weizen und Milch bereitet, etwas weit verwand mit Couscous), Nudeln und Marmeladen vertreten.

Der Verkaufsstand der Nonnen vom Johanneskloster.

 

 

 

Auch die „Gyfti“ (eine Sinti-Roma-Gruppe), die bei keiner Menschenansammlung fehlen dürfen, sind mit einem klapprigen Pickup angereist und verkaufen bunt schillernde Luftballons. Die eigentliche „Tauschbörse“ besteht aus einer Reihe von etwa 15 Tapeziertischen, hinter denen die einzelnen Veranstalter Mühe haben, die Unmengen in liebevoller Kleinarbeit abgefüllter und beschrifteter Samentüten gegen allzu gieriges Publikum zu verteilen.

Diese Samenbank ist schon bald bankrott 🙂

Die Schlangen entlang der Tische sind enorm, das Angebot selbstgeernteten Saatgutes auch. Verschiedenste alte Tomatensorten, Auberginen, Mangold, Kürbissamen, Kräuter, Gurken, Melonen und Sonnenblumen sind der Renner. An semiprofessionelle Biobauern wird aber auch Getreide verteilt – so etwa Hart- und Weichweizen verschiedener Provenienz. Natürlich darf auch Stevia, das modische Süßkraut, im Sortiment nicht fehlen. Stevia rebaudiana ist mittlerweile Symbolpflanze im Kampf gegen die Großkonzerne geworden – weil die EU – angeblich wegen Kumpelei mit der Süßstoff und Zuckerindustrie – dem harmlosen Pflänzchen über lange Zeit die Zulassung als Nahrungszutat nach der „Novel-Food-Verordnung“ verweigert hat.

Eine Tauschbörse im engeren Sinne findet hier in Dimitra eigentlich nicht statt – denn das Saatgut wird an das sich um die Tische drängende Publikum kostenlos in kleinen Portionen verteilt. Der Tauschcharakter besteht denn auch mehr in der Erwartung, dass die Samenempfänger ihr geerntetes Saatgut beim Treffen im nächsten Jahr wieder der Börse zur Verfügung zu stellen.

Wo etwas kostenlos ist, da schart sich das Volk, doch einzelne besonders gierige „Absahner“ werden dann auch schon einmal höflich hinwegkomplimentiert. „Sie haben nun wirklich genug von uns bekommen, gehen Sie doch mal bitte an einen anderen Tisch“, ist dann auch schon mal von den frommen Schwestern an Tisch eins zu hören. Nach etwa zwei Stunden sind die Samentütchen dann auch schon weitgehend an die etwa 300 Leute, die zu dem Basar gekommen sind, verteilt. Jetzt erschallt vom Gemeindezentrum neben der Plateia das Megafon, um das Ende der Tauscherei zu verkünden, und die Leute nur zur Versammlung im Gemeindesaal einzuladen. Keine Veranstaltung kommt in Griechenland ohne Versammlung und Omilies“, Reden, aus. Eine kleinere gruppe der Teilnehmer bewegt sich nun auch dort hin, der Rest stärkt sich lieber mit Tsipuro und Mesedes in der Mittagshitze unter den Platanen.

Hart- und Weichweizen

Im Gemeindezentrum von Dimitra stellen die Initiativen sich und ihre Projekte vor.

Im stilvoll eingerichtetem Raum des Gemeindezentrums sieht es ein bisschen aus wie bei einer evangelischen Erntedankfeier, der Rednertisch ist dürftig mit ein paar Kürbissen und Tomaten dekoriert. Hauptredner gibt es in der basisdemokratisch angelegten Veranstaltung nicht, und so wird jeder Initiative eine kurze Vorstellung ihrer Arbeit und ihrer Motivation zur Teilnahme an der Tauschbörse eingeräumt. Das Nonnenkloster stellt sich vor – es scheint eine recht fortschrittliche Truppe innerhalb der ziemlich strengen, reaktionären orthodoxen Kirche zu sein. Die Schwesterngemeinschaft ist international zusammen gesetzt. Eine Nonne, die aus Deutschland stammt, haben wir später noch näher kennen gelernt, wir werden sie übernächste Wiche im Kloster besuchen. Die Nonnen, die aus allen Herren Ländern dieser Welt stammen, haben sich neben ihrem Dienst an Jesus Christus der traditionellen und ökologischen Landwirtschaft verschrieben. Anders, als es in vielen orthodoxen Klöstern Griechenlands üblich ist, erledigen sie die anstehenden Arbeiten selbst. Sie verfügen über Kuh- und Schafställe, eine Käserei und betreiben auf ihren Feldern den arbeitsintensiven Anbau von Biogemüsen per Hand.

Die engagierten Bürger von Larissa

 

Zum ersten Mal beteiligt sich die „Initiative der engagierten Bürger von Larissa“.  Dieser lockere Zusammenschluß von Bürgern aus Larissa und Umgebung sieht seine Kernaufgabe darin, die durch die Wirtschaftskrise entstandene soziale Not zu lindern. So hat man eine Art „Tafel“ organisiert, man verteilt Lebensmittel, die von landwirtschaftlichen Betrieben hergestellt werden, oder aber von Restaurants geliefert werden. Motto: „Es darf nichts übrigbleiben, nichts wird weggeworfen“. Die Initiative ist halt sehr basisdemokratisch, es gibt weder einen Vorstand, noch eine Kasse. Es werden nur Sachspenden angenommen. Geldverkehr hat man untersagt.

Gegen Abend treffen wir uns noch mit Freunden, die auch als aktive Mitglieder der Initiative an der Aktion beteiligt waren. Unter der Hand erfahren wir denn auch, dass es durchaus zu Reibungsverlusten kommt, in der mittlerweile auch über 200 Aktive mitwirken (bei einer noch größeren Zahl inaktiver Mitglieder). Auch bei der Vorbereitung der Saatgutaktion gab es schon mal Schwierigkeiten. So hätten einige der Mitglieder – allesamt nicht gerade erfahrene Saatgutzüchter, teils nicht einmal Gartenbesitzer  – auch schon einmal unreifes und taubes  Material in Tüten verpackt.

Und ob das wohl wirklich alles freie, ungeschützte Landsorten sind, nur weil sie bei Oma schon seit zwei Jahren im Garten wachsen? Letztlich ist es auch egal. Es geht, neben allem Spaß und praktischem Nutzen, um ein politisches Signal.

Einige Redner im Gemeindesaal betonten auch den pädagogischen Anspruch der Saatgutaktion: dass die Menschen sich endlich einmal mit der Herkunft ihrer Nahrung und deren politischen Funktion beschäftigen sollen.
Und ein lustiges Fest ist es allemal. Der örtliche Rundfunk berichtet darüber, schließlich mag das einen ähnlich ernst zu nehmenden Effekt erreichen wie einige tausend Online-Unterschriften.

Die Larissäer Gruppe hat derweil auch andere Probleme. Denn, wie auch bei richtig hierarchischen Organisationen, gibt es schon mal Unstimmigkeiten hinsichtlich der ideologischen Ausrichtung. Gerade hatte eine heftige Diskussion stattgefunden, ob man als überparteiliche Initiative auch Mitglieder politischer Parteien aufnehmen könne.  Irgendwoher kennen wir das alle.