Was „die da oben“ so machen: Dion, Olymp und ein Rezept für Götterspeise.

(04.09.2013)


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Hinter der Abzweigung nach Rapsani kann man auch weiter der Nationalstrasse Richtung Norden folgen. Dann schieben sich die Hänge des Olymp derart nahe an die Küste heran, dass nur eine schmale Passage zwischen Berg und Meer bleibt. Rechterhand sieht man eine gewaltige Festung von Platamonas stehen, sie stammt in ihren Ursprüngen schon aus früh/mittelbyzantinischer Zeit (6.-10. Jhdt n. Ch.). Während der 4. Kreuzzüge – Griechenland stand mal wieder unter westlicher Fremdherrschaft – hat das fränkische „Königreich Thessaloniki“ das „Kastro“ zu seinem heutigen monströsen Erscheinungsbild ausgebaut. Mit seinen vielen oktogonalen Türmen und Mauern, auf einer kleinen Anhöhe gelegen, erinnert es mehr an eine Stadtbefestigung denn an eine einfache Burg. Hier musste jeder vorbei, der sich von Nord nach Süd bewegte. Das weiß auch heute noch die Autobahngesellschaft, die auf dem immer noch nicht ausgebautem Teilstück der „Ethniki Odos“ innerhalb weniger Kilometer hier gleich zwei Mautstationen („Diodia“) eingerichet hat (ca. 15 Kiliometer = 4 €,- /PKW ). Ansonsten ist Platamonas wegen seiner langen Sandstrände am Thermaischen Golf bei einheimischen und ausländischen Touristen beliebt.

Ein Stück weit hinter Platamonas, noch bevor man die Stadt Katerini erreicht, kommt die Abfahrt Litochoro /Dion.  Litochoro – ein Dorf, das Olympwanderern gerne als Basisstation dient, fahren wir nicht an, sondern folgen den Hinweisschildern weiter nach Dion.

Reste des Zeustempels in Dion vor dem Olymp

Dion war in der Antike gewissermassen die ständige Vertretung der olympischen Götter im real existierenden Griechenland.  Die Lage war dafür wie geschaffen: Die Bäche aus dem Olymp versorgen den Ort ganzjährig mit reichhaltig Wasser, die Gegend ist fruchtbar, und der heilige Berg präsentiert sich von hier unten in vollendeter Pracht.

Hypokaustheizung einer römischen Bäderanlage in Dion.

Die Anfänge der Siedlung liegen im 7. Jahrhundert v. Ch, die Makedonier bauten den Ort als Heiligtum und Pilgerstätte aus. Hier fanden die ersten olympischen Spiele um 400 v. unter dem Makedonischen König Archelaos statt. Philipp II, Vater Alexander des Großen, baute die Stadt zu einer Festung aus.  Die Pilgerstädte im Vorgarten vor dem Haus der olympischen Götter florierte. Aus der Blütezeit des Ortes in hellenistischer und römischer Zeit sind neben einigen Zeus,- Demeter usw. Tempeln auch Kultstätten für die synkretistisch eingebürgerten Gottheiten fremder Religionen, wie etwa der Isis, vertreten. Der Olymp war vermutlich wegen seiner fortschrittlichen Einwanderungspolitik, die fremden Göttern, so sie die nötigen Qualifikationen mitbrachten, durchaus aufgeschlossen war, recht erfolgreich. Immerhin währte das Götterreich bis in die Spätantike im 3. und 4. Jahrhundert, danach wurde der Ort mehrfach von Hochwassern getroffen, aber auch noch in frühchristlicher Zeit bemächtigte man sich noch der Deutungsmacht des Ortes. Danach geriet der Ort in die Bedeutungslosigkeit, bis die Universität Thessaloniki in mehreren Etappen von 1928 bis in die 1970er Jahre hier Ausgrabungen durchführte.. In der Folge entstand ein –bis Anfang des 21. Jahrhunderts – verwahrloster, jetzt gut gepflegter archäologischer Park. Mit seiner üppigen Vegetation, den vielerorts hier rauschenden Bächen und Tümpeln, und den darin eingebundenen Resten von Tempelanlagen und der mittlerweile auch gut ergrabenen zivilen Stadt mit römischen Bäderanlagen ist so eine Art modernes Wörlitzer Gartenreich entstanden.  Im 300 Meter entfernten archäologischen Museum werden im – übrigens für griechische Verhältnisse didaktisch gut aufbereitetem – Museum die Funde der Grabungen ausgestellt. Neben dem üblichen hellenistischen Nippes darf das wohl bedeutendste Exponat nicht unerwähnt bleiben: die gut erhaltenen Reste einer hochentwickelten pneumatischen Orgel mit bronzenen Pfeifen. Sollte die Datierung in das 1. Jh v. Ch stimmen, wäre dies die weltweit älteste erhaltene Orgel überhaupt. Der heutige Ort Dion besteht vorrangig aus Andenkenläden und „Greek Taverns“ , in die sich regelmäßig der Inhalt von Reisebussen übergibt. „Original Greek Foos: Moussakas, Gyros, Schnitzel“ steht auf den Werbetafeln, die eindeutig zur Flucht mahnen.

Die vermutlich älteste erhaltene Orgel der Welt.,

Im Umland wird unter anderem Tabak angebaut, vorwiegend die Sorte „Basmas“, ein hochwertiger Orienttabak, dessen stark würzige kleine Blätter, auf Stangen aufgereiht, unter Zelten in der Sonne trocknen.

Orienttabak „Basmas“ hängt zum Trocknen im Zelt.

Und der Olymp selbst? Dank ausgebauter Klettersteige sind selbst seine Gipfel vor ambitionierten Freizeit-Bergsteigern nicht mehr sicher. Unkonditionierten Faulpelzen wie uns erschließt sich das Massiv immerhin bis in einer Höhe von 1100 Metern sogar mit dem Auto, wenn man nicht Schrammen und Beschädigungen des Unterbodenschutzes fürchtet.


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In Dion ist der Olymp schlichtweg als solcher ausgeschildert, nach einem Kilometer hört der Asphalt auf, die Schotterpiste verläuft entlang eines nahezu ausgetrockneten Bachtals zwischen Wacholderbüschen und Ziegenköddeln bis zu einem Rastplatz mit Kirche und Wasserfall, dann heißt es Anlauf nehmen, und im ersten Gang die steinige Piste hochfahren.

Platanen im Flußgeröll vor dem Olymp bei Dion.

Nach einigen Kilometern knacken die Ohren, es reicht nach qualmender Kupplung, während wir uns über Geröll und plötzlich auftauchende Kalkbrocken den Weg durch Buchen und Kiefern nach oben bahnen. Natürlich ist die Aussicht erwartungsgemäß phänomenal.

Hier hinauf verläuft der Wandersteig hoch zum Katafygion Koromilias

 

Hier werden Hochzeitsbilder inszeniert.

 

Das Katafygion Koromilias (Google-Suche: Καταφυγιο Κορομηλιας) ist vor wenigen Jahren erst entstanden, und befindet sich auf etwa knapp 1100 meter Höhe am Ende der Schotterpiste. Die Katafygia (Schutzhütten) sind Einrichtungen, die denen unserer Alpenvereinshütten ähneln. Betreiber von „Koromilia“ ist ein ziemlich junges Paar. Die beiden versuchen, die Hütte ganzjährig zu betreiben, was aber regelmäßig wegen starker Schneefälle misslingt. Vorletztes Jahr waren sie zweieinhalb Monate lang eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten. Dazu gehört schon etwas Mut. Ihre Zeit verbringen sie neben dem Herbergswesen mit dem Sammeln von Pilzen und Wildfrüchten, die – vielfach selbst den Einheimischen unbekannt – sie hier zu Likör, Geles etc. verarbeiten und verkaufen.

Die Hütte scheint übrigens ein Anziehungspunkt für die alternative Ökoszene Griechenlands zu sein. Regelmäßig werden hier Seminare für angehende Hobbyimker, Naturwanderungen usw. angeboten.

Wir unterhalten uns mit der Wirtin über die Beeren und Früchte. Sie hat gerade „Krana“ gesammelt. Davon hatte ich schon viel gehört – und sie – aufgrund vieler Falschübersetzungen in griechischen Kochbüchern- für „Cranberrys“ gehalten, jene fad schmeckenden preiselbeerartigen Dinger, die manchmal bei uns im Supermarkt angeboten werden. Ein Irrtum. Die Wirtin zeigt mir die hohen Sträucher, die in der Umgebung wild wachsen, und voll von saftigen, kirschroten, süßsauer schmeckenden Früchten hängen. Es sind Kornelkirschen (Cornus mas). Wieder was gelernt. Das Zeug also, das in städtischen Parkanlagen bei uns aus Verlegenheit als Zierstrauch gepflanzt wird.  Kalbfleisch mit „Krana“ und Quitten übrigens: ein Gedicht und einfach saulecker:

1 kg Kalbleisch, gestückelt wie Gulasch
1 kg Quitten (geschält, in Streifen geschnitten, ohne Kerngehäuse)
250 g Krana (Kornelkirschen)
2 Zwiebeln
2 Tomaten
200 ml Olivenöl <br>
Gewürze:
1 Tl Chili mittelscharf
1 EL Koriandersamen
5 Körner Piment
1 EL Thymian
1 Zimtstange
3 Knoblauchzehen
2 EL Zucker
Salz <br>
Kalbfleisch in Öl anbraten, mit dem Zucker bestreuen.. Zwiebeln, pürierte Tomaten und Gewürze zugeben. Krana mit etwas Wasser zusammen pürieren, von Kernen separieren und Wasser/Fruchfleischgemisch zusetzen. Gericht 1 ½ Stunden schmoren lassen, dabei umrühren und ggf. Wasser zusetzen, um Anbrennen zu vermeiden. Geschnittene Quittenstreifen gegen Ende zufügen und noch 15 min schmoren lassen. Mit Brot servieren.

 

Die Übernachtungspreise in der schlichten, aber gut gepflegten Berghütte sind übrigens konkurrenzlos: 12,- pro Nacht und Bett. Vielleicht einer der letzten Geheimtips in einer sonst stark touristisch erschlossenen Region.

Entlang der Küstenstraße Aghiokampos-Piniosdelta-Rapsani: Zum Wein an die Hänge des Olymp (1. 9. 2013)

Von Aghiokampos führt die Küstenstraße zunächst etwa 15 Kilometer an Strand- und Ferienorten entlang. Im Sommer sind die langen Kiesstrände gut besucht, Ferienhäuser , Bars und Nippesläden reihen sich locker aneinander, wo Kellner in der Hochsaison mit voll beladenen Tabletts in halsbrecherischen Aktionen die stark befahrene Straße kreuzen, um Badegäste am Strand mit Erfrischungen zu versorgen. Jetzt, in der Nachsaison, ist es ruhiger geworden, die herrenlosen Hunde haben wieder von Strasse und Strand Besitz genommen. Bei dem beschaulichen Ort Kokkino Nero biegt der Weg in die Berge ab, man folgt der Strasse nun durch dichte Wälder oberhalb der jetzt felsig gewordenen Küste, bis, kurz vor Stomio, sich ein überraschend neues Bild ergibt:

Blick auf das Pinios-Delta und das in der Ferne liegende Olymp-Massiv.

Tief unten breitet sich eine grün bestandene Ebene aus, in der Ferne dahinter tauchen Berge auf, deren Spitze von dichten Wolken eingehüllt sind: Das Massiv des Olymp, der mit seinen über 2900 Meter hohen Spitzen die höchste Erhebung Griechenlands ist. Doch der Götterberg ist so groß und gleichfalls noch so weit entfernt, dass er in seiner nebelhaften Erscheinung noch wie eine optische Täuschung wirkt. Die Ebene davor ist das Delta des Flusses Pinios. Zwischen Olymp und dem Berg Ossa, an dessen Fuß die Strasse nach Stomio hinabführt, hat der Pinios, von Larissa aus kommend, sich eine tiefe Schlucht, das Tempi-Tal, gegraben, bevor er seinen fruchtbaren Schlamm in seinem Schwemmfächer an der Meeresküste ablagerte. Hinter Stomio fahren wir durch eine rechterseits geradezu niederländisch flach anmutende Landschaft, linkerseits bauen sich bewaldete Berghänge auf.

Plantagen am Fuße des Ossagebirges bei Stomio.

Silberblau klettern hier die Olivenenhaine hinauf, bis sie in den nebelverhangenen Zonen des Ossagebirges verschwinden.

Unter Kiwilauben bei Stomio.

Kiwiplantagen, Wein, Eßkastanien und Gemüsegärten zeigen ein besonders günstiges Mikroklima an. Rechterhand weiden gelbbraune Kühe auf den flachen Wiesen mit Pappel- und Maulbeerbäumen, so, als hätten flämische Maler des 17. Jahrhunderts sie arrangiert.  An die fünf Kilometer fahren wir durch eine teils schilfige Wiesenlandschaft, dann geraten wir unversehens in einen Wald riesiger Platanen, zwischen deren dicken Stämmen das türkisgrüne Wasser des Pinios hindurchleuchtet. Die Ufer sind mit violett blühendem Blutweiderich bestanden.

Am Pinios-Delta

 

Blick in den Ausgang der Tempi-Schlucht mit dem Fluß Pinios.

Dies ist genau die Stelle, wo der Fluß die enge Tempi-Schlucht verlässt und die letzten paar Kilometer in seinem Delta noch ein paar langsame Ehrenrunden dreht, bevor er sich ganz unspektakulär am Strand ins Meer verdrückt. Leider ist der unter Naturschutz stehende Auenwald komplett vermüllt. Da die Autobahnbrücke Athen-Larissa-Thessaloniki hier über die Schlucht führt, nutzen viele Fahrer den beschaulichen Ort zum Picknick, nicht ohne ihre Hinterlassenschaften im Wald an Ort und Stelle liegen zu lassen.

Diese Flußlandschaft wurde Ihnen präsentiert von: Liedl.

Archäologen hätten an der Untersuchung des abgelagerten Zivilsationsmülls ihre helle Freude. Neben Plastiktüten der Billigkette „Lidl“, die auch in Griechenland einen wichtigen Part bei der Versorgung der Bevölkerung eingenommen hat, teilen Ölkanister, Wasserflaschen, albanische und bulgarische Zeitungen neben griechischen Supermarktfaltblättern, Pappbechern und Unmengen Klopapier das beschauliche Ambiente.

Vollkommenes Pan=Orama / oder wohlaufgezeichnete Umsicht / des Flusses Penios / nebst der Strassenbrücke nach Thessalonica und der angrenzenden Wälder/ so sich dem Reisenden bey dem Tempi-Thale zu Thessalien präsentiert.

Kurz nachdem man die Autobahnbrücke Richtung Thessaloniki überquert hat, findet man einen Wegweiser nach links, der in das Olympmassiv Richtung Rapsani weist. Rapsani liegt etwa 15 Kilometer entfernt in einer bergigen, mit Weinreben bestandenen Landschaft hoch oben am Hang.

Da, wo wir von der Nationalstrasse links nach Rapsani abbiegen, haben an der Hauptstrecke Athen-Larissa-Thessaloniki die führenden Modelleisenbahnhersteller Faller, Kibri und Fleischmann den passenden Bahnhof errichtet. Jedes Detail stimmt, sogar die heimelig anmutende Laterne.
Das Olymp-Massiv, das wir alsbald besuchen, läßt sich im Maßstab 1:2000 bequem aus Styroporabfällen errichten.

Der auf etwa 500 Höhenmetern gelegene Ort gilt als einer der besten Weinbaugegenden des Festlandes. Bevorzugt wird die spezifisch einheimische, sehr alte rote Rebsorte Xinomavros angebaut, die zusammen mit den nur in Rapsani vorkommenden Gewächsen Stavroto und Krassato in Mischkultur gezogen wird und zusammen gekeltert wird.

Die Xinomavros-Traube.

Die sehr kräftigen, gerb,- farbstoff- und säurehaltigen Weine werden international gehandelt, insbesondere die Kellerei Tsantali hat diese Weine auch in den mittelpreisigen Regale deutscher Supermärkte platziert. Neben Rotwein wird auch noch der Weißwein „Thessalikos“ und ein – zumindest meiner Erfahrung nach – eher wenig schmackhafter Rose produziert.

Auf der Platia von Rapsani.

Von der „Platia“, dem Dorfplatz von Rapsani, hat man einen schönen Ausblick auf den Gipfel des Ossa/Kissavos, das Meer und das Pinios-Delta. Mehrere Weinhandlungen sind in dem Ort verteilt.

Ausblick von Rapsani auf das Ossa-Gebirge und das Pinios-Delta.

In einem eher kleineren Lädchen, das vor allem dadurch besticht, dass der Ladeninhaber, ein älterer Opa, seine Geschäftsausstattung seit den späten 1960er Jahren nicht mehr verändert hat, wollen wir Wein einkaufen. Ob wir erst einmal probieren wollen, fragt der alte Herr uns. Er füllt uns aus seinen 5-Liter-Schläuchen (a 15 € !) Gläschen ab, das Ergebnis ist interessant bis geradezu niederschmetternd. Aus Höflichkeit erwerben wir dann doch lieber zwei Flaschen zu je 8 €, die er offensichtlich nicht selbst produziert hat, deren Verkostung zu Hause verläuft dafür dann nicht so enttäuschend. Vermutlich erzeugt die Lage in Rapsani auch Spitzenweine, aber das würde sicher professionellere Recherche erfordern. Schade, denn die Verkostung der am Wegesrand stibitzten, hocharomatischen Xinomavro-Trauben mit ihrem leichten Muskatellergeschmack hatte mehr versprochen.

 

Mehr aus Zagora: Knochenarbeit und rote Äpfel. (27-30. August 2013)

Jedes Jahr wieder wieder führen unsere Wege die steilen Serpentinen hinauf, über Chania nach Zagora, einer Kleinstadt auf der Halbinsel Pilion.

Darüber habe ich die letzen Jahre schon geschrieben, doch ist dieser in aller Hinsicht bemerkenswerte Flecken Griechenlands kaum mit einem einzelnen Beitrag abzuhandeln:.

http://hallespektrum.de/heiwu/2012/08/18/20-08-2012-bilder-aus-zagora-einem-dorf-auf-dem-pilion/

http://hallespektrum.de/heiwu/2012/08/15/15-08-2012-zagora-und-chorevto-das-fest-der-maria/

Auch jetzt, Ende August 2013, ist das Wetter wieder schwülheiß, die blauen Kisten, mit denen die Äpfel der Marke „Zagorin“ in die Genossenschaft transportiert werden sollen, stehen wieder in den Plantagen bereit.

Die großen, glockenformigen roten Äpfel, die an den Hängen in großer Zahl schwer in den Bäumen hängen, sind keine traditionelle Sorte. „Firikia“, die ursprünglichen kleinen, aromatischen, aber kaum mehr zu vermarktenden Äpfel werden nur noch von Liebhabern angebaut. Die Hänge des Pilion, vor allem des Apfelzentrums Zagora, dominiert die Sorte  „Red Delicious“, in der Varietät „starking delicious“, die weltweit einen der größten Marktanteile unter den Äpfeln behauptet. Marktstudien haben gezeigt, dass der Verbraucher immer wieder im Sortiment zu den rotesten Äpfeln überhaupt greift. So hat diese Züchtung auch an den steilen Hängen des Pilion alle einheimischen Sorten weitgehend verdrängt.

Der Geschmack der wunderschönen Früchte ist durchschnittlich, die harte, aber glänzend rote Schale sollte man vor dem Verzehr entfernen – nicht nur wegen der ausreichend angewandten Spritzmittel, sondern auch, weil die feste Schale unangenehmen zwischen den Zähnen hängen bleibt.

„Zum reinbeißen, diese herrlich knackigen Äpfel…. doch solche Ernten reifen nicht von allein…. Chemie. Auf Ihrer Seite.“ So (ähnlich warb einst die Chemieindustrie (West) in den 80er Jahren für Verständnis ihrer Produkte. Wie wahr !) . Äpfel in einer Plantage am Strassenrand bei Zagora.

Die Landwirtschaftskooperative „Zagorin“. Hier landen die gefüllten Apfelkisten, von wo sie europaweit in den Handel gebracht werden.

Der Markt will es nicht anders. Wer schöne rote Äpfel will, muß leiden. Die Anwendung deutlich sichtbarer Spritzmittel (die weißen Flecken sind wohl Kupferkalkbrühe) dient wohl nicht nur dazu, Pilzerkrankungen zu verhindern, sondern wirkt effektiv gegen die Dezimierung durch zweibeinige Schädlinge. Der reichhaltige Obstanbau auf dem Pilion liegt in den besonderen  klimatischen Verhältnissen begründet. Steil ragen die Hänge der gebirgigen Halbinsel an der Küste der Ägäis auf. Hier stauen sich zunächst alle vom Meer andriftenden Wolken – während Mittelgriechenland ansonsten trocken bleibt, gehen hier – im Spätsommer oft täglich- Gewittergüsse nieder.

Das macht den Pilion zu einer der grünsten Landschaften des Landes überhaupt. In Meereshöhe gedeihen Oliven, danach wechseln sich Apfel-und Kiwiplantagen ab. Oberhalb von 700 Metern gedeihen noch Kastanien, weiter oberhalb schließen sich dichte Eichen- und Buchenwälder an. Die letzten 200 Meter bis zur Spitze bei über 1600 m über NN ist von Nadelbäumen dominiert.

Industrie gibt es auf der gesamten Halbinsel in der verkehrstechnisch kaum erschlossenen Gegend nicht. Dominierender Wirtschaftszweig ist der Obstbau – gefolgt vom Bauwesen, was zunächst erstaunen mag. Während internationaler Tourismus trotz der einzigartigen Landschaft, die von Bergwandern bis zu Strandurlaub alle Möglichkeiten bietet, kaum eine Rolle spielt, ist der Pilion seit Jahrzehnten schon beliebtes Ferienziel wohlhabender Griechen, die hierher selbst aus dem 300 km entfernten Athen anreisen. Der Ausbau der einstigen Steinbauten der Ortschaften zu Ferienhäusern hat vielen Bauarbeitern – vor allem Einwanderern aus Albanien – gute Arbeitsmöglichkeiten geschaffen. Diesem Umstand ist zu verdanken, dass wenigstens einige Orte noch ihren ursprünglichen Charakter behalten haben, wenngleich auch hier die üblichen Bausünden – insbesondere durch Verkitschung und Übertraditionalisierung – zu verzeichnen sind. Dennoch reihen sich auch in dem attraktiven Ort Zagora gut sanierte Bruchsteinhäuser  aneinander. Durch die Wirtschaftskrise sind viele Bauarbeiten in den denkmalwerten Ortschaften zum Erliegen gekommen, viele der Häuser stehen zum Verkauf.

Behutsam sanierte Wohnhäuser vom Ende des 19. Jahrhunderts….

.. und romantischer Verfall wecheln in Zagora einander ab.

In der Nachbarschaft arbeitet eine Gruppe albanischer Brüder an der Instandsetzung eines Gebäudes. Die Fundamente des einst als Lagerraum genutzten Steinhauses müssen gegen die vom Hang eindringende Feuchtigkeit isoliert werden. Die Grundmauern werden mit Spitzhacke in einer Tiefe von zwei Metern freigelegt. Handarbeit. Minibagger schaffen den Weg hier hoch nicht.

Mittagspause: Albanische Maurer in Zagora.

Dränagerohre werden gelegt, Horizontalsperren angelegt, der Graben mit Dicken Steinbrocken, die man aus dem Tal herangeschafft hat, aufgefüllt. Bruchsteinmauern werden errichtet, Wände angeputzt. Neben einer Betonmischmaschine hat man noch eine Schubkarre, mit der das Geröll den Hang hinaufgeschafft wird. Das Ganze bei Gluthitze. Fast überall, wo in Griechenland mit Bruchstein gearbeitet wird, sind Albaner am Werk.

Stein auf Stein….

Man sagt, sie beherrschten das traditionelle Handwerk noch aus ihrer Heimat, während diese Kunst in Westeuropa längst verloren gegangen sei. Schon im 19. Jahrhundert war der Ruf albanischer Maurer bis hin nach Amerika bekannt. Doch es sind nicht nur die gefragten Handwerkskünste, die diese Menschen nach Griechenland drängen lassen, sondern das buchstäbliche Elend und Perspektivlosigkeit, die sie aus ihrem Heimatland vertreiben. Griechisch sprechen sie leidlich gut, einer der Handwerker, die wir kennen gelernt haben, fiel durch seine Deutschkenntnisse auf. Er hat sie in Thüringen erworben, im Aufnahmelager Mühlhausen, dann im Asylbewerberheim Gera. Dort verbrachte er sechs Jahre seines Lebens – vergeblich. Keine Arbeit, und dann „habe er Scheiße gebaut“. Nun schleppen er und seine Brüder Steine, erledigen die Arbeiten, die sich in den Nischen trotz der hohen Arbeitslosigkeit in Griechenland finden lassen – bei natürlich geringer Bezahlung. Überraschend schnell wachsen unter der Hand der vierköpfigen Gruppe perfekte Bruchsteinwände, in einer Geschwindigkeit, in der andernortes nicht einmal die Verschalung einer Betonwand entstehen würde.

Wem nicht gerade Baustellentourismus am Herzen liegt, dem sei eine Reise in den Pilion trotzdem wärmstens empfohlen. Anreisepunkt ist die Großstadt Volos am Fuße des Pilion, von dort leiht man sich entweder ein Auto oder nimmt einen der wenigen Busse. Die Fahrt über die langen Serpentinen bis Zagora verläuft über den Pass am Skigebiet bei Chania in 1200 metern Höhe, für die 62 Kilometer lange Strecke muß man mit eineinhalb bis zwei Stunden rechnen.

Touristinfo auf deutsch: http://www.pilion.de/

Bei „Petros“ in Chorevto am Strand.

27.August 2013. Wieder daheim in Thessalien. Fahren auf Sicht.. Athen-Larissa-Platycampos-Aghiocampos.

Sonntagabend. Unten liegen die Lichter von Piräus, die sich bald hoch oben im Fenster sehen lassen, wandern, nach unten schieben, wie ein Bildschirmschoner. Dazwischen als feste Größe das beleuchtete Triebwerk der Maschine aus München. Das Flugzeug legt sich mächtig in die Kurven beim Sinkflug, dann sind bereits die Berge von Athen in Augenhöhe, der hell erleuchtete Likabetos-Hügel.

Innerhalb der Großzone von Athen verlangen die Taxifahrer einen Festpreis von 35,- € vom Flughafen. Das ist angemessen, denn der Weg nach Kifisia ist weit, und erspart den sorgenvollen Blick auf Taxameter und Reiseroute.

Im Vorgarten freuen sich die Hunde auf uns, das Haus ist menschenleer und heiß. Am nächsten morgen empfängt uns aber die brüllende Hitze erst recht. Im immer noch für griechische Verhältnisse exklusiven Kifisia die üblichen Rituale: Internetrubbelkarten besorgen. Einen Frappe und überteuerten Käseschinkentoast zum Frühstück. Das immerhin schon knappe 25 Jahre alte Auto, mit dem wir seit Jahrzehnten in Griechenland unterwegs sind, von Staub befreien. Immerhin geht noch ein Türschloß, TÜV, ASU usw. bzw. dessen Entsprechungen sind auch da.

Bis zum Autobahnanschluß bei Aghios Stefanos quält man sich durch endlos lange Vorortstrassen. Dann Autobahn, Richtung Larissa.

Ethniki Odos – Die Autobahn zwischen Athen und Larissa, hier bei den Thermopylen.

Gute 380 Kilometer lang ist die Strecke, einst bislang habe ich sie nicht gemocht. Weil verstopft mit rabiat fahrenden LKW, und einer Unmenge teils schicker, allradgetriebener Geländewagenhybriden und Kampflimousinen, mit den sich Fahrer aller Klassen wilde Wettrennen veranstalten, da wurde gedrängelt und gerast, was das Zeug hielt. Dieses mal ist alles anders, obwohl eigentlich Montags eigentlich alle Welt auf den Beinen sein müsste.

Doch die Strasse ist mittlerweile schon kurz hinter Athen ruhig. Angenehm. Die wenigen PKW fahren an die 120; die LKW, die einst Produkte der vielen Kleinindustrien aus dem Umfeld Athens in die eine Richtung, und importierte Konsumgüter in die andere Richtung transportierten, sind wie von Geisterhand – nun ja, nicht verschwunden, aber eben doch selten geworden.

Nachdem wir bereits auf halber Strecke über 10 Euro an die Mautstationen abgedrückt haben- am Ende der Fahrt waren es knapp 20, letztes Jahr für die selbe Strecke ca. 7 €), und nach dem ersten Tanken (1,70 pro Liter normal) stieg Gewissheit auf: die so angenehm leere Strasse ist das gespenstische Anzeichen eines Desasters, das die griechische Wirtschaft zum Erliegen gebracht  und in die Depression hat verfallen lassen.

Wer überhaupt noch Arbeit hat in Griechenland, musste erhebliche Lohneinbußen hinnehmen bei teils horrende gestiegenen Preisen für allgemeine Lebenshaltungskosten. Für viele Pendler lohnt sich nicht einmal mehr der Weg zu Arbeit. Es gibt kaum noch Industriegüter, die zu transportieren sind. Sicher gut für die Umwelt, für die Menschen schlichtweg eine Katastrophe. Als wir abends bei Freunden in Platykampus im Garten sitzen, und die Neuigkeiten des letzten Jahres austauschen, kam schon einiges zur Sprache. Neben der mittlerweile ohnehin ins Elend gestoßenen Unterschicht trifft es nun die Mittelschicht. Besteuert wird alles, was von Wert, nützlich ist und keine Beine hat: Nicht Kapital, sondern beispielsweise Kleinimmobilien. Eigentumswohnungen, mangels gesetzlicher Sozial- und Altersvorsorge die einzige sinnvolle Absicherung, fallen dem Fiskus zum Opfer. Wer die Steuern nicht zahlen kann, dem wird der Strom abgestellt. Nicht jeder Grieche konnte und kann sein Vermögen ins Ausland transferieren oder anderweitig verschleiern. Wer es konnte, hat es längst getan. Steckt ein geheimer, großer Plan dahinter, oder ist es konzeptionsloses „Fahren auf Sicht“, wie Schäuble den Kurs der Griechenlandpolitik beschreibt? Welches Ungeheuer lauert hinter der nächsten Kurve?

Melonen im Garten der Freunde

Bei Melonen aus dem eigenen Garten und allerlei selbst zu bereiteter Mesedes gehen die Gespräche nicht anders zu, als überall auf der Welt: es werden Ratschläge zur Kunst des Gartenwesens ausgetauscht, heiße Tips zu allerlei Pflanzenkrankheiten und den besten aktuellen Mittelchen ausgetauscht,

Aliette von Bayer hilft systemisch gegen Pilze. Weltweit.

„Bayer“ hat noch immer einen guten Ruf, Monsanto weniger, obwohl das Unkrautvernichtungsmittel „Roundup“ für viele ein unverzichtbares Werkzeug ist – was man angesichts der Trockenheit im Hochsommer kaum glauben mag. Von Roundup kommen wir auf die verbrecherische Politik der Weltkonzerne, Gentechnik – das übliche Allerlei, wenn sich Kleingärtner unterhalten.

Mesedes, bzw. was davon noch übrig ist…

Wir werden verabschiedet mit den Worten: „Seid bitte vorsichtig, auf der Strasse nach Aghiocampos“, wohin wir die letzten Kilometer in der Dunkelheit aufbrechen. Die Warnung nicht unberechtigt: In den sonst nur von Sommerfrischlern befahrenen, engen Serpentinen durch die Berge von Mavrovouni kommen uns in der Dunkelheit gewaltige Lastzüge entgegen, wir können den weit auf die Gegenfahrbahn ausschwenkenden Monstern gerade noch durch Flucht in den Seitenstreifen ausweichen. Überwiegend bulgarische und türkische Lastwagen schleichen wie auf Ho-Chi-Minh-Pfaden durch das Land. Sie ersparen sich so die Mautgebühren. Die längeren Fahrzeiten schlagen angesichts des Lohndumpings nicht wesentlich zu Buche; den billigeren Diesel haben sie im Heimatland eingekauft und davon ausreichend an Bord. Dies mag Herrn Seehofer zur Mahnung gereichen. Der sonst laute Ferienort Aghiocampos ist ruhig – die Taverne Lideris hat guten Fisch, kaum besucht – was wohl weniger der Krise geschuldet ist, sondern dem allgemeinen Ende der Ferienzeit in Griechenland.  Für uns beginnt sie erst – ganze vier Wochen lang.

Wir haben dieses Mal keinen Plan. Wir fahren „auf Sicht“.

Jetzt erstmal wieder: auf den Pilion.

Auf Kapernfahrt durch die thessalische Kornkammer und eine Abhandlung über ein Unkraut, das nach Ansicht der Griechen den Redefluß fördert.

31.08.2012 Platykampos.

Capparis Spinosa ist nicht der Abenteuerroman eines portugiesischen Seeräubers, sondern botanischer Name eines stacheligen Strauches mit wunderschönen Blüten, der im mediterranen Raum an frostgeschützten Felshängen wie auch auf „Ruderalflächen“, also Schuttplätzen, aber nur an warmen Orten, die gelegentlich mit Wasser versorgt werden, wächst. Die Blütenknospen des sich flach ausbreitenden Kriechgewächses kann man in Essig und Salz einlegen, und sind dann das unentbehrliche Essential von Königsberger Klopsen und Hühnerfrikassee: Kapern.

Kapernstrauch in Blüte. Die gesamte Pflanze enthält Senfölglykoside, die dei Schärfe und das Aroma der Kapern ausmachen. Die in Essig und Salz eingelegten Knospen sind das, was wir als „Kapern“ kennen.

Bis auf Stängel und die unangenehm spitzen Stacheln kann man von diesem Strauch alles in der Küche verwenden: Die Früchte („Kapernäpfel“), Knospen, und Blätter.

Im Ort Platikampos, in Mitten der Landwirtschaftlich intensi genutzten Kornkammer Thessaliens, haben sich Kapernsträucher eher zufällig angesiedelt. Sie finden sich am Straßenrand, auf Brachflächen und merkwürdigerweise sogar auf relativ frisch umgepflügten Weizenfeldern. Warum die in Essig- und Salzlake eingelegten Knospen und Früchte relativ teuer sind, erfährt man schnell: mit seinen spitzen Dornen wehrt sich der Strauch gegen den Raub seiner jungen Knospen und Früchte.  Des öfters hielt ein Treckerfahrer an, um zu erfahren, was ich denn da suche.“Aha, das sind also Kapern, wusste ich nicht! “

Kapern werden in der griechischen Küche eher selten verwendet, sind aber nicht ein so exotisches Gewürz wie beispielsweise Basilikum, das hier überall als Duftpflanze in Töpfen gehalten wird, aber nur äußerst selten den Weg in die Küche findet.

Glystrida, Andrakla, Trevla: Viele Namen für ein verhasstes, aber schmackhaftes Unkraut.

Portulaca oleracea ist der botanische Name einer Pflanze, die laut Wikipedia zu den achthäufigsten Pflanzen überhaupt und zu den „schädlichsten“ Unkräutern zählt. Den Wikipediaeintrag muß ein griechischer Landwirt oder Ziergartenbesitzer geschrieben haben.

Poruklaca oleracea, Glystrida, Trevla, Andrakla: Viele Namen für ein schmackhaftes Unkraut.

Tatsächlich kämpft einer unserer griechischen Gartenfreunde gegen das dickfleichige Gewächs so verzweifelt und erfolglos, wie deutsche Kleingärtner gegen Giersch und Vogelmiere. Als ich ihm berichtete, dass ich Samen davon nach Deutschland mitnehmen wollte, sah er mich entgeistert an, als hätte ich die Absicht geäußert, Pestbazillen oder Milzbranderreger freisetzen zu wollen.

Das Art-Epitheton „oleracea“ im botanischen Namen, den auch viele uns bekannte Gemüsepflanzen tragen (Kohl, Spinat pp.) weist jedoch schon darauf hin, dass das „Unkraut“ auch gegessen und in dieser Beziehung auf eine lange kulinarische Tradition verweisen kann.

 

Man isst dieses Unkraut in Griechenland seit alters her. Im Ipiros bestellten wir „Chorta“, was allgemein blanchiertes und in Essig oder Zitrone mit reichlich Olivbenöl zubereitete krautige Gewächse meint; heute sind das meistens „Vlita“, von denen schon die Rede war. Der Kellner der Taverne in Anthoussa bei Parga entschuldigte sich ausgiebig dafür, dass es keine Vlita gäbe, dafür aber nur „Andrakla“. Falls die uns nicht gefallen würden, sollten wir einfach nicht dafür bezahlen. Sie gefielen uns aber, und gerne hätte ich sogar den doppelten Preis dafür bezahlt. Die Andrakla waren nichts anders als das eben erwähnte „Unkraut“: die saftigen Stängel ergeben einen schmackigen Biß, die Pflanze schmeckt etwas nussig, die Samenkörnchen knacken zwischen den Zähnen. Im thessalischen Dorf Potamia, wo meine angeheirateten Verwandten her stammen, nennt man das Unkrautgemüse „Trevla“, aber sprichwörtlich noch bekannter ist das Gewächs in Griechenland unter der Bezeichnung „Glystrida“.

Andrakla – fertig zubereitet.

Hast Du Glystrida gefressen? („γλυστρίδα έφαγες;“) fragt man Menschen, deren lauter, schneller und unaufhörlicher Redefluß nicht enden will. Woher die Redensart stammt, und ob in dem wilden Portulak irgendwelche kommunikationserweiternde Substanzen enthalten sind, weiß ich nicht. Ich habe gerade eben die am Straßenrand gesammelte Glystrida, blanchiert, mit etwas Knoblauch, Öl und Zitrone, gegessen, und deshalb mach ich hier lieber mal einen Punkt. Denn die ernsten Themen, die Griechenland und unsere hier lebenden Freunde betreffen, vertragen kein Geschwätz.

 

 

Parga-Metsovo-Kalambaka-Larissa. Der geo-biographische Höhepunkt der Reise.

Larissa, den 27-August 2012.

Am späten Vormittag brechen wir von Parga auf, um die Heimreise Richtung Larissa anzutreten, wo wir abends zu einer kleinen Feier verabredet sind. Der Weg führt uns an Joannina vorbei zunächst hinauf nach Metsovo. Die Stadt liegt mitten im Pindos-Gebirge auf knapp 1200 Höhenmetern.

Parga. Oben, vom Kastell aus, wirkt die von Touristen überquellende Kleinstadt durchaus ansehnlich. Wir verlassen sie jetzt – durch das Gebirge in Richtung Larisssa.

 


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Blick von Dorfplatz Metsovo in die alpine Landschaft. Es ist in Griechenland selten möglich, solche Bilder ohne Telegrafen- und Stromkabel zu fotografieren. Sie gehören einfach ins Landschaftsbild. Kann man natürlich alles mit „Fotoshop“ rausmachen, aber dann haben viele Leute in Metsovo keinen Strom mehr, auch nicht die Kunstgalerie, die das Gebäude auf der linken Seite beherbergt.

Die Stadt, die bis heute überwiegend von der arumänisch („vlachisch“) sprechenden Bevölkerung Griechenlands besiedelt ist, liegt an einem ehemals strategisch bedeutenden Katara-Pass. Bedeutung hat die Stadt heute zum einen wegen der berühmten Käsesorten. Die Stadt ist Sitz mehrerer Molkereien, die ihren Rohstoff vor allem von den Kuhherden beziehen, die in großer Zahl in den umgebenden Wäldern und auf den Hochgebirgswiesen weiden.

Alpenkühe vor Stadtlandschaft: Metsovo.

 

 

Das alpine Landschaftsbild der Umgebung von Metsovo mit dem Kuhglocklengeklimper erinnert eher an die Tiroler Alpen, so dass man sich kaum vorstellen mag, dass in diesem Ort, der im Winter regelmäßig durch gewaltige Schneemassen von der Außenwelt abgeschnitten ist, einen hervorragenden Wein produziert. Evangelos Averoff, einer der Mitglieder einer alten Familiendynastie des Ortes, brachte den Qualitätswein „Katogi Averoff“ hervor, der zu den berühmtesten Weinkellereien Griechenlands gezählt wird. Es ist ein Verschnitt aus dem lokal angebauten Cabernet Sauvignon und der griechischen Rebsorte „Aghioritikos“.

Doch der Weinbau war nur eines seiner vielen Hobbys:  Averoff publizierte wissenschaftliche Arbeiten über die Wirtschaftsgeschichte des Balkans, und engagierte sich zu einer Zeit, da dies ausgesprochen unpopulär war, für das Anligen der vlachisch sprechenden Minderheiten in Griechenland, deren Angehöriger er selber war.  Averoff verfasste Dramen und literarische Prosa. 1974, nach Ende der Diktatur in Griechenland, trat Averoff der konservativen Partei Nea Dimokratoa bei. Er legte eine steile  Karriere hin, war 1974 bis 1981 Verteidigungsminister Griechenlands. 1981 wurde er Vorsitzender seiner Partei, das Amt gab er 1984, mittlerweile 75jährig, aus Altersgründen ab.

Die wohlhabende metsovitische Familie Averoff hat noch andere bekannte Persönlichkeiten hervorgebracht, einer ihrer ersten bekannten Vertreter war der  erfolgreiche Geschäftsmann Georgios Averoff (geb. 1818),  der mit seinem vorwoiegend in Kairo verdientem Reichtum in Athen als Kulturmäzen auftrat und als erste Sponor der Olympischen Spiele der Neuzeit in die Geschichte einging: Die olympischen Spiele Athen 1896 hätten beinahe nicht stattfinden können, weil dem griechischen Staat das Geld für die Fertigstellung des Stadions fehlte. Averoff sprang persönlich mit privatem Geld in die Bresche.

Dass Metsovo heute überwiegend ND wählt, liegt auch daran, dass die Averoffs den Aufstieg des Ortes sowohl politisch als auch finaziell massiv beförderten. Es gibt mehrere Averoff- Museen, Strassen und Plätze. Durchaus sehenswert ist die Averoff- Pinakothek, die eine einzigartige, qualitätvolle Gemäldesammlung des 19. und 20. Jahrhunderts zu ihrem Kernstück hat.  Während viele sowohl staatliche als auch private Kunstmuseen in Griechenland leider selten mehr sind als zweifelhafte Ansammlungen drittklassiger Malerei mit einem unübersehbaren Hang zum Kitsch, bietet die beschauliche Averoff-Sammlung einen durchaus repräsentativen Querschnitt europäischer Kunstgeschichte im Spiegel griechischer Kunstschaffender.

Der sterbende Atheist: Nikolaos Alektoras malte dieses schwülstige Bild im letzten Drittel des 19.Jahrhunderts. Was mich als gerade mal 50-Jährigen daran so berührt, wissen die Götter.

Leider bedient der aufwändig gepflegte Ort Mezovo sonst wenig Sehenswürdigkeiten. Es gibt kaum ein Bauwerk, das älter ist als vielleicht 20 Jahre, auch wenn man sich bemüht, diese mit viel Blendfassaden aus Bruchstein irgendwie „traditionell“ erscheinen zu lassen.  Die Läden quellen über von mundgebissenem Edelnippes, und die Unarten der „Yes-please“-Gastronomie haben sich auch hier erfolgreich etabliert.

Oberhalb von Metsovo. Im Winter ist hier Ski und Rodeln gut.

Bei der Weiterfahrt über den Pass zeugen Skihütten und hohe Markierungsstangen entlang der Strasse davon, wie hoch hier, mitten in Griechenland, im Winter der Schnee liegen kann. Wie schnell führt die Strasse des 27. August nun wieder talwärts:  Nach den verkrüppelten Fichten und Tannen säumen erst Kiefern, dann Buchen und Eichen den Weg. Die ersten Maronenbäume und Platanen tauchen auf, dann die ersten Feigen. Unten, kurz vor Kalambaka, am Rande der drückend heißen thessalischen Ebene, zeugen Olivenbäume davon, dass die mediterrane Welt wieder in Ordnung ist. Die Spuren des Waldbrandes, wegen dessen wir auf dem Hinweg die große Umleitung fahren mussten, wirken glücklicherweise wenig dramatisch. Es ist verhältnismäßig wenig Fläche zerstört worden. Einige der größeren Bäume haben das Feuer, das vorwiegend im Unterholz wütete, möglicherweise überlebt, andere, deren Rinde zu tief verkohlt wurde, wohl nicht. Sie werden vielleicht eine Wiederauferstehung durch Stockausschläge erfahren.

Wenige Tage nach dem Brand: die Auferstehung der Natur ist dennoch gewiß.

 

Eine Handelsniederlassung vor den Bergen von Kalambaka.

Nach einer weiteren Stunde Fahrt sind wir in Larissa, es weht ein merkwürdiger, heißer Wind, der Himmel ist gelb vor Staub, doch das erlösenden Gewitter kommt nicht. Dafür ist die Feier im Kreise der Freunde von ausgesuchter Heiterkeit, die Krise in kaum einem Wort erwähnt, obwohl jeder sein Kreuz daran zu tragen hat. Hier endet der chronologische Reisebericht – es folgen aber später noch einige Randbemerkungen allgemeiner Art.

 

Mit GPS zu den Rötelbergen von Kokkinopilos. Altsteinzeitliche Flinthaufen in roter Erde. Römische Aquädukte. Erfolgreich geschlossen: das archäologische Museum von Preveza und das antike Nikopolis.

24.08.2012, Preveza.


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Über die Rötelhaufen von Kokkinopilos gibt es wenige im Netz veröffentlichte Literatur, sie verweist darauf, dass dies einer der wenigen Plätze Griechenlands ist, an denen altsteinzeitliche Steinartefakte in Situ gefunden wurden.

„Kokkinospilos“ bedeutet „rote Erde“. In Griechenland existieren mehrere Orte, die diesen Namen tragen. Europaweit noch viel mehr, und als ich als Kind immer wieder einmal mit meinem Vater in die Eifel fuhr, beeindruckte mich jedesmal der Bahnhof „Aachen-Rote Erde“.  Da erzählte er mir der Vater, dass die römischen Damen sich einst mit „Terra rossa“ aufhübschten, um den Männern zu gefallen. Was ich damals nicht verstand.

Kokkinopilos in der griechischen Präfektur Preveza hat keinen Bahnhof. Es gibt dort nicht einmal ein Dorf, das so heißt. Ob der in Kokkinopilos  anstehende Rötel, der schon in der Altsteinzeit ein begehrtes Farbmaterial war, oder die dort anstehenden Flintvorkommen Anziehungspunkt altsteinzeitlicher Menschen gewesen ist, ist auf die Schnelle nicht heraus zu bekommen. Aber vorstellbar. Das wird alles in Halle nachrecherchiert. Ausschlaggebend für die Suche nach den Rötelvorkommen ist mein geradezu neurotisches Interesse an Farben, speziell auch jenem eisenoxidhaltigen Rohstoff, der eine zentrale Rolle in einem in Halle anstehenden Kongress zum Thema „Rot“ spielen soll. (http://www.lda-lsa.de/tagungen/mitteldeutscher_archaeologentag/)

Als Grund für eine Fahrt in die ipirotische Pampa reicht das schon vollkommen aus. Das wird keine wissenschaftlich vorbereitete Expedition, es ist Urlaub. Und vom Paläolithikum habe ich soviel Ahnung wie die Kuh vom Fliegen. Die Bilder von den Rötelhügeln, die mir Minas zeigte, sind einfach genug Grund für die Fahrt ins „Rote“.

Die Suche nach dem Rötelplatz führt zunächst von Parga aus in südliche Richtung, ein ganzes Stück vor Preveza biegen wir ab, die Route geht über Archangelos nach Louros.

„Rot“ ist ein Urmotiv, das in jeder Hinsicht positiv stimulierend auf Säugetiere wirkt und Urkräfte auszulösen vermag. .
(Pferd, Tomaten verzehrend, aufgenommen irgendwo auf dem Weg zwischen Archangelos und Louros )

Nach Fillipiada kommt der Ort Aghios Georghios, der laut Satellitenkarte ziemlich dicht an den gesuchten Rötelhaufen liegt.

Von dort könnte man einen steilen Hang hinaufsteigen, sich durchs Dickicht schlagen, was aber bei der Hitze ziemlich verwegen erscheint. Bei Aghios Georghios stoßen wir aber auf einen römischen Aquädukt, Teil der insgesamt über 70 Kilometer langen römischen Wasserleitung. Die Anlage wurde um 31. v. Ch. auf Anordnung Oktavians, des späteren Kaiser Augustus, errichtet, und diente der Wasserversorgung der über 300.000 Einwohner zählenden Stadt Nikopolis, dem Vorläufer des heutigen Preveza.

Aquaedukt bei Aghios Georghios.

Nochmal der selbe Aquädukt. Eigentlich sind des zwei, die sich hier im Tal versammeln.

Der See von Sirou – den Rötelbergen sind wir schon nahe, auch wenn das blaue Wasser nicht darauf hinweist.

Der  nächste Versuch, die Rötelberge zu erreichen, führt zurück Richtung Fillipiada, bis zu einer Abzweigung, die zu dem See von Siros (Limni Sirou) führt. Von dort tasten wir uns über Feldwege um den See herum in nördliche Richtung hoch. Wie eine Fata Morgana tauchen plötzlich die Rötelhänge auf, doch die vermeintlichen Feldwege, die zum Ziele führen könnten, versickern entweder im Nichts oder enden jäh vor einem Viehgitter.

Ein Treckerfahrer, der einzige in der Einöde sichtbare Mensch, beschreibt uns ungefähr den weiteren Weg über die Schotterpiste, an einem Bachlauf schlagen wir uns durchs Gebüsch, verfolgt von kläffenden Hütehunden, und sind am Ziel. Mittlerweile haben die Temperaturen 36 Grad im Schatten erreicht, aber Schatten gibt es auf den rot glühenden Hügeln kaum.

 

Die Rötelerde ist feinkrümelig, läßt sich bequem mit den Fingern verreiben, das Wühlen in dem gewaltigen Farbtopf macht Spaß, und entsprechend sieht man nach kurzer Zeit aus. (Die Hotelwirtin beklagte sich am anderen Morgen über rote Spuren im Zimmer und auf der Bettdecke – das Zeug färbt einfach hartnäckig, und ist kaum von der Haut abzubekommen).

Die Rötelhaufen sind ein interessantes Produkt der Verwitterung von hämatit- und kalkhaltigem Ausgangsgestein. Es sind „Paläoböden“, gewissermaßen eine Art fossilierter Boden, der allerdings jetzt seiner konservierenden Deckschichten verlustig wurde undf kräftig wegerodiert. Gelegentlich findet man auch noch gut erhaltene, dunkelschwarze Hämatit- und Limonitknollen (Bohnerze) herumliegen. Im Laufe der Zeit ist der Kalk aus dem Oberboden gelöst worden, der fein verteilte rote Hämatit sowie Tonminerale haben sich dabei an der Oberfläche aufkonzentriert. Wohl während der Genese der Böden , die vor ca. 100000 Jahren stattfand, gelangten altsteinzeitlicher Flintartefakte wie etwa Faustkeile,. in den Boden, und treten nun, in Folge einer mittlerweile sehr starken Erosion,  immer wieder zutage.

Kokkinopilos: wo Bäume auf Stelzen wachsen.

Von der gewaltigen Erosionsgeschwindigkeit zeugen einige verkrüppelte Bäumchen, deren Wurzeln im Laufe der Erosion immer mehr freigelegt wurden, und die zum Teil mit ihren Wurzeln wie auf Stelzen über dem Boden zu schweben scheinen. Schätzt man das Alter der Bäume auf maximal 30-50 Jahre, so kann man sich vorstellen, dass alle hundert Jahre die Hügel um ein bis zwei Meter niedriger werden. Bei diesen Erosionsgeschwindigkeiten mag man sich kaum vorstellen, hier altsteinzeitliche Feuersteingeräte anzutreffen, da sie,Hügel, setzt man mal eine nur 5-7000 Jahre andaurnde Erosionszeit voraus, die Hügel um 100 bis -200 Meter niedriger geworden, bzw. eigentlich verschwunden sein müßten.  Doch geologische Prozesse sind halt kompliziert. Feuersteinartefakte sind hier tatsächlich sowohl ergraben, als auch in großer Zahl freigeschwemmt worden. Das wird in Halle zu recherchieren sein.

Ein Roboter der Internationalen Gimritzer Griechenlandmission hat diesen Stein bewegt. Im Kontrollzentrum des Hallespektrums brach daraufhin Jubel ob der gelungenen Operation aus.

Sieht man von den spärlichen Bäumchen ab, sieht es hier oben aus, wie auf den ersten Bildern, die der Marsroboter Curiosity gefunkt hat. Davon, dass es auf diesem lebensfeindlichen Fleck einmal Wasser gegeben haben muss, zeugen nur die tiefen Erosionsrinnen, in denen lauter weißliche Flintsteinchen liegen.

Die kleinen Bäumchen sind übrigens Kermeseichen. Sie sind im mediterranen Raum weit verbreitet. Auch sie haben mit der Farbe „rot“ zu tun. Auf ihnen lebt eine mittlerweile selten gewordene Schildlausart, die Kermeslaus. Aus den Weibchen dieser Art gewann man in der Antike bis ins Mittelalter hinein einen wertvollen Farbstoff, „Kermes“ oder „Karmin“ genannt, mit dem man Wolle und Seide besonders intensiv rot färben konnte. Der Farbstoff war derart teuer, dass er nur hohen kirchlichen Würdenträgern und dem Kaiserhause vorbehalten war. Die kleine Laus steckt noch heute in dem neugriechischen Wort „kokkinos“, was schlichtweg „rot“ bedeutet, und sich von „Kokkos“, Korn, ableitet. So nannte man in der Antike die kleinen warzenartigen Läuse, die an den Blättern hafteten.

Kurz vor Preveza erreicht man die Ruinen des antiken Nikopolis. Die Reste der antiken Großstadt liegen an der langsam verlandenden Bucht von Amvraka, einem riesigen Flußdelta, das als einzigartiges Feuchtbiotop gilt und weitgehend unter Naturschutz steht.

Die Stadtmauer von Nikopolis

Nikopolis, „Siegesstadt“ wurde von Oktavian nach seinem Sieg in der legendären Seeschlacht bei Actium, bei der Oktavian sich endgültig seine Vormachtstellung im Römischen reich sicherte. (Actium liegt gegenüber von Preveza, bekannt heute durch einen stolzen Untermeerestunnel, bis auf einen hässlichen Militärflughafen gibt es dort nichts zu sehen.)

Erhalten ist neben umfangreichen römischen Resten wie Thermenanlagen vor allem eine gewaltige Stadtmauer, die jedoch aus späterer, byzantinischer Zeit stammt. Hinein können wir nicht – „ekteloundai erga“ , es finden „Bauarbeiten“ statt, steht auf dem Schild am Eingang des archäologischen Parks. In der Tat sind Bauarbeiter und Steinmetze beschäftigt, eines der byzantinischen Stadttore zu restaurieren. Leider ist auch das archäologische Museum geschlossen. Die Öffnungszeiten entsprechen den Bürozeiten im öffentlichen Dienst:

Montags-Freitags 9.00 – 17.00 h, Samstags, Sonntags, Feiertags: Geschlossen.

Erhaben weht die griechische Fahne über dem geschlossenen archäologischen Museum.

Um 1032 zerstörten die Bulgaren Nikopolis, und in unmittelbarer Nähe entstand Preveza als neue Stadt. Weder Größe und Bedeutung von Nikopolis wurden je wieder erreicht, Preveza hat heute ungefähr 16.000 Einwohner.

Großartige Sehenswürdigkeiten hat Preveza nicht, aber die hat die Touristenhochburg Parga erst recht nicht. Es gibt eine Strandpromenade mit auf  Neoklassizismus hochgetrimmten Neubauten der 1990er Jahre, einen venezianischen Glockenturm, ein paar originale Bauten des 19. Jahrhunderts. Alles wirkt etwas verschlafen, aber durchaus freundlich.

Reste einer der frühchristlichen Kirchen von Nikopolis.

 

Einmal Charon spielen: Paddeln auf dem Acheron, zwischen Feigen, Sumpfschildkröten und Nachtigallennestern.

24.08.2012, Ammoudia.

Minas Paschos hat Sportwissenschaft studiert.  Nach einer Zeit schlecht bezahlter Anstellung als Aushilfslehrer an einer Schule wurde er nicht in das Beamtenverhältnis übernommen. Schlecht bezahlt zu werden für eine nicht selbstbestimmte Tätigkeit – das war nicht sein Ding. Er kündigte und machte sich selbstständig. Im Winter betreibt er eine Skischule, und den ganzen Sommer sitzt er am Ufer des Acheron, vier Kilometer oberhalb der Flussmündung des Acheron bei Amoudia. Handgemalte Holztafeln mit „AcheronKayak“ hat er dezent in der Umgebung aufgehängt. Unter Bäumen am Ufer sitzt er, zusammen mit Thansassis, einem 16 Jahre altem Schüler aus Amoudia, und wartet auf Kunden. Es sind in erster Linie Individualreisende, vor allem solche aus Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien, die sich auf sein Angebot einlassen. Minas hat sein Radio auf einen Kultursender eingestellt, und während er einer Theaterkritik lauscht, angelt Thanasssis in in türkisblauen Fluß. 15,- Euro pro Person soll die Kanufahrt kosten, inklusive Einweisung. Es gibt verschiedene Angebote, wir entscheiden uns zunächst dafür, eine ungeführte Fahrt zu unternehmen, also ohne Begleitung.

Da wir die Fahrt zweimal gemacht haben, mischen sich jetzt die Erzählungen zweier Touren.

Größere Kartenansicht. Den Fluß Acheron kann man gut erkennen, der Startpunkt der Tour ist etwas unterhalb des Ortes Mesopotamos.

Die erste Variante besteht darin, den etwa vier Kilometer langen Fluß hinunter zu paddeln, dann nimmt Minas seine Kunden unten am Strand von Amoudia wieder auf, und fährt sie zurück. Eine weitere Variante besteht darin, dass man – in Begleitung von Minas oder Thanassis, der dann im eigenen Boot vorausfährt, über die Mündung des Acheron sich noch hinaus aufs offene Meer begibt – hin zu gewaltigen Felshöhlen am Ende der Bucht von Amoudia.

Minas wäre nicht Sportlehrer, würde er nicht jedem seiner Kunden vor der Fahrt eingehende Trockenübungen angedeihen lassen. Wir setzen uns dazu in eines der offenen Kunststoffkayaks, und müssen die Paddel in den Sand stechen – Wende rechts, links, vorwärts, Rückwärts. Wie genau das Paddel zu halten ist: Die Armbeuge hat einen  rechten Winkel zu beschreiben, wie einzutauchen ist usw. Es erfolgt noch eine Beschreibung, welche besonderen Sehenswürdigkeiten auf dem Wasser und Ufer zu beachten sind: Lagerplätze von Sumpfschildkröten, Nachtigallennester in den Bäumen, Libellen, Kröten und vieles mehr.

Die Fahrt selbst ist mit Worten nicht einfach zu beschreiben. Daher die folgenden Bilder.

Der Startpunkt der Tour und „Firmensitz“ von „AcheronKajak“:Infos und Kontakt:http://www.acheronkayak.gr/
(Die Seite ist zur Zeit leider nur auf Griechisch, vieles erschließt sich aber auch ohne Sprachkenntnisse. )
Mobilnummer: 0030-6977 700 122
Preise (Pro Person): Kinder unter 7 Jahren: Kostenlos
Kinder 7-12 Jahre: 7 Euro
Erwachsene: 15 Euro.
Enthalten im Preis:
Unterricht in Grundlagen des Kayakfahrens (Trockenübungen)
Begleitung (auf Wunsch)
Versicherung
Rücktransport zum  Startpunkt
Abfahrtzeiten: 10-12-14-16-18.00h 

 

 

Sogar Bambus hat sich an die Ufer des Acheron verirrt.

Türkisfarbenes Wasser, überhängende Bäume. Das ist nicht der Amazonas, sondern der Unterweltfluß Acheron.

Das ist kein Fotoshop-Trick. Der Regen stammt aus einer Bewässerungskanone von einem Maisfeld am Ufer. Und wenn dann die Sonne günstig steht….

Ein Flußfischer auf dem Weg zur Kontrolle seiner Netze.

Des Charon Lieblingsspeise: Feigen

Die Angler am Ufer verwickeln uns in ein Gespräch. Der eine bat darum, dieses Bild nicht in die deutsche Öffentlichkeit zu bringen, sonst würde der Eindruck enstehen, den Griechen ginge es noch zu gut, und würden den ganzen Tag faulenzen. „Nein“, wandte sein Kollege ein, „die Deutschen sollen wissen, dass wir nichts zu essen haben, und nun Fische fangen müssen, um nicht zu verhungern“.

In der Nähe von Amoudia liegen bereits größere Fischerboote am Ufer des Acheron.

Am Ufer des Acheron bei Amoudia

Aufs offene Meer hinaus…

Thanassis wird uns noch voraus fahren, um uns die Höhlen in den Klippen zu zeigen. Der Seegang ist dort aber zu stark, die Kamera bleibt deshalb aus. Im Hintergrund der Strand vom Amoudia.

Nach unserer Ankunft an der Acheron-Mündung in Amoudia warten  Minas und Thanassis schon auf uns. Sie überreden uns noch zu einer Anschlußtour, über das offene Meer, wo es gilt, eine andere Fahrtechnik zu entwickeln als auf dem träge dahin fließendem, glatten Fluß. Die Kamera habe ich gegen das die Gischt in einem Seesack verstaut, deswegen gibt es leider von diesem Fahrtabschnitt keine Bilder. Mit gezielten Stößen paddeln wir den Kunststoffkayak gegen die Wellen, sehr hoch sind sie nicht, aber es fühlt sich an, wie auf einer Achterbahn. Die Höhlen liegen im goldenen Licht der sich senkenden Sonne, hineinfahren tun wir allerdings nicht, die Brandung ist zu stark. In den Höhlen leben Fledermäuse und Tauben: Felsentauben, die Urform unser Stadt- und Haustauben.

Nach dem Aufladen der Bote am Strand unterhalten wir uns lange mit Minas. Minas beklagt, dass die meisten Touristen, die hier in der Gegend eintreffen, dem strengen Programm der Reiseveranstalter unterliegen. So würden viele Reiseveranstalter nicht einmal die Informationen über alternative Angebote, wie die von Minas, an ihre Kunden weitergeben. Aus Sicht der Reiseveranstalter sicher verständlich: denn wenn die Urlauber den ganzen Tag auf dem Wasser im Kayak verbringen, generieren sie keinen Umsatz.

Minas empfiehlt uns noch Reiseziele in der Umgebung, ist sichtlich bewandert in Vorgeschichte, Kultur, Geologie, Ökologie. Eine seiner Empfehlungen elektrisieren mich: Kokkinopilos, was soviel bedeutet wie „Roter Ocker“. Hier soll es eine interessante geologische Formation geben, wo Rötel in Form gewaltiger, spärlich bewachsener  Hügel an die Oberfläche tritt. Die eindrucksvollen tiefroten Erdhügel sehen wir uns per Google-Earth auf dem Handy an – deutlich erscheinen sie auf den Satellitenbildern als rote Flecken in der sonst graugrünen, vollkommen einsamen Gegend. Über die Koordinaten und dem GPS müssten diese Erdhaufen in der einsamen Gegend eigentlich zu finden sein, dachten wir. Minas warnte uns allerdings schon, dass dort nichts ausgeschildert ist, und selbst Einheimische diesen Platz kaum kennen.

 

 

 

Das Nekromandion – das Orakel am Fluß der Toten. Zyklopenmauerwerk und unterirdischer Budenzauber.

Amoudia, 24.08.2012

Von Parga ist es nicht weit bis nach Amoudia, einem verhältnismäßig kleinen Badeort im Mündungsdelta des Acheron. Das Dörfchen selbst, mit seinen verstreuten, allesamt neuen Häusern ist nicht der Rede wert, wohl aber seine Lage. Der Acheron, ein kleiner Gebirgsfluß, dessen überwiegende Wassermasse nur wenige Kilometer oberhalb im Gebirge aus Karstquellen entspringt, hat hier an seiner Mündung ein gewaltiges, sumpfiges Flußdelta geschaffen. Die Bewohner von Amoudia wollten vor wenigen Jahrzehnten auch etwas vom Tourismus profitieren, und versuchten, den wild in seinem Delta umhermäandrierenden Fluß zu kanalisieren, auch legte man eine Strandpromenade an. Der Acheron hat sich an dieser Zwangsmaßnahme gerächt, und überschwemmte den Ort kräftig, als er mal wieder, von starken Regenfällen in seinem Quellgebiet bekräftigt, über die Ufer trat.

Das Sumpfgebiet von Amoudia, dem Flußdelta des Acheron. Auch die Kirche im Hintgergrund mußte erneuert werden, als der Fluß versuchte, sich sein Delta zurück zu erobern.

 

Nur wenige Kilometer oberhalb von Amoudia befand sich in der Antike noch ein flacher, sumpfiger See, der im 19.Jahrhundert teils verlandete, teils aktiv trockengelegt wurde. Am Ufer des Acheroussa-Sees lag in der Antike das „Nekromanteion“, das Totenorakel, in Nähe der antiken Stadt Ephyra.  Die Stadt mykenischer Gründung gibt es nicht mehr, doch 1958 wurden unterhalb der aus dem 18. Jahrhundert stammenden Kirche Johannes des Täufers sehr imposante Mauerreste aus hellenistischer Zeit gefunden, die der Ausgräber als das „Nekromanteion von Ephyra“ zu identifizieren glaubte. Als solches ist das archäologische Denkmal auch mit braunen Schildern von weithin ausgezeichnet.

Für den kleinen Ort Mesopotamos, in dessen Nähe es sonst keine besonderen Attraktionen gibt, ist so eine antike Orakelstätte, leidlich gepflegt und mit Kassenhäuschen versehen, ein Glücksfall. Auch Archäologen neigen gelegentlich zu orakeln, und so neigt die Fachwelt dazu, die Anlage mit ihrem Zyklopenmauerwerk und dem mit runden Gurtbögen überwölbten Kellerraum zwar in das 3-4 Jahrhundert vor Christus zu datieren, aber doch eher als profane Reste eines adligen Landgutes anzusehen. Ob nun in dem beeindruckenden unterirdischen Raum Priester zahlungswilligen Besuchern die Stimmen der Toten vorgeorakelt haben, oder ein antiker Gutsbesitzer seinen „Chateau de Ephyra “ in Amphoren gelagert hat, sei dahingestellt.

Hellenistischer Weinkeller oder Totenorakel?

Beeindruckend ist die Anlage auf der kleinen Anhöhe auf jeden Fall. Schon das sehr sorgfältig ausgeführte „Zyklopenmauerwerk“ müsste eigentlich jeden faszinieren, der einmal versucht hat, aus groben Bruchsteinen eine Mauer zu errichten. Frontal sind die Steine glatt behauen, die scheinbar regellosen Kanten fügen sich exakt zu einem polygonalen Netzwerk aneinander. Im rückwärtigen Teil sind die Steine aber so roh belassen, wie sie aus dem Bruch stammen. Die Mauern sind zweischalig, das heißt, zwischen die beiden Schauseiten wurde der Zwischenraum mit lockeren Steine, teils mit Mörtel vermischt, geschichtet.

Über dem Zyklopenmauerwerk des 3.-4. Jhdt v. Ch. erhebt sich die Johannes-Täufer-Kirche des 18.Jhdt.

Wie haben die Steinmetze das hinbekommen, die Kanten der Steine so zuzurichten, dass nur eine ganz schmale Fugenritze entstand? Können heutige Steinmetze das noch? Ich habe einmal in Halle gesehen, wie eine aus verhältnismäßig kleine Steinen bestehende Stützmauer am „Volkspark“, ausgeführt in „Zyklopenverband“, abgetragen wurde, um sie anschließend neu zu errichten. Da hat man dann jeden einzelnen Stein lieber nummeriert, um das Mauerwerk wieder so hin zu bekommen. Warum machen sich Menschen so eine Mühe, statt die Steine einfach rechtwinklig zu sägen, und wie normale Quadersteine zu versetzen? Einen Stabilitätsvorteil bringt das „Zyklopenmauerwerk“ übrigens nicht. Aber es schindet mächtig Eindruck.

Auch wenn unser archäologischen Denkaml nicht das gesuchte Totenorakel ist, so ist ein solches bei Ephyra bezeugt. Den Fluß Acheron hielt man in der Antike für einen der Flüsse, die den Hades, die Unterwelt, durchzogen. Die plötzlich aus dem Karstgestein entspringenden Quellen mögen den Gedanken nahegelegt haben, dass dieser Fluß bereits eine längere Reise durch die Unterwelt gemacht haben muß. Als „Quellen“ des Archeron wird heute ein Tal bei der Ortschaft Pigi bezeichnet, es sind nicht seine wirklichen Quellen, aber hier wächst der Fluß mitten im Wald in seinem Schotterbett plötzlich mächtig an. Taverne reiht sich an Taverne, Angebote wie „Riverrafting“ und Ponyreiten durch den Fluß gibt es, für griechische Familien wird Natur auf diese Weise damit durchaus akzeptabel und attraktiv.

In den „Quellen“ des Acheron…

 

Wer in der antiken Vorstellungswelt eines Tages die unvermeidliche Reise in den Tod antreten musste, gelangte dann an die Ufer des Unterweltflusses, und musste nun auch noch an Charon, den Fährmann, für die wahrscheinlich unfreiwillige Reise auch noch Geld abdrücken, den sprichwörtlichen „Obolus“. In der antiken Mythologie sind leider kaum Einzelheiten über die Beförderungsbedingungen und das Tarifsystem überliefert, auch nicht, wie mit Schwarzfahrern umgegangen wurde, und ob die Mitnahme von Fahrrädern im Preis inbegriffen war.

Unseren Charon treffen wir am Ufer des Acheros, er heißt Minas und bietet Kayakfahrten auf dem Acheron an. In Reiseführern ist davon selten die Rede, deshalb werden wir die Fahrt auf dem Unterweltfluß im folgenden Beitrag ausführlich zur Nachahmung empfehlen…

 

Von Larissa nach Parga durch die Berge an die Westküste.

23.08.2012, Anthoussa bei Parga.

Die Fahrt von Larissa durch die thessalische Tiefebene in westlicher Richtiung hatte ich letztes Jahr beschrieben, deshalb erfolgen dazu bis Trikala keine Bemerkungen, bis auf die Tatsache, dass sich kleine, auffällige, aber möglicherweise zukunftsweisende Änderungen im Landschaftsbild bis Trikala ergeben haben. Es entstehen Fotovoltaikanlagen.

Fotovoltaikanlagen unweit von Trikala. Hydraulikarme bringen die Module exakt in die ideale Position zur Sonne.

Sie sind nicht groß, und aufgrund ihrer Bauart nicht in der Lage, so aufzufallen, wie die ersten Windkraftanlagen in Mitteldeutschland, an deren Anblick wir uns beim ersten Auftreten erregt, und heute doch so gewöhnt haben.  Letztes Jahr war kein einziges Solarstromanlage hier zu sehen, jetzt sind es einige wenige, die auf den brachliegenden Feldern, am Westrand der thessalischen Ebene bei Trikala, enstanden sind. Es sind relativ kleine Module, jedes vielleicht 40-50 Quadratmeter groß, die sich, auf jeweils kleinen Betonsockeln montiert, in Gruppen zu vielleicht 10-20 Stück, auf einem “Strema“, der griechische Maßeinheit für 1000 Quadratmeter Landbesitz, von einem Drahtzaun umgeben, mit einem kleinen Häuschen, in dem sich der Wechselrichter befindet, versammelt haben. Jede einzelne dieser Panele hat einen hydraulischen Antrieb, mit dem sie auf den optimalen Sonnenstand ausgerichtet werden, was sie von ihren lahmen, fest montierten  Geschwistern, die man gelegentlich auf hiesigen und deutschen Einfamilienhausdächern findet, unterscheidet. Die griechische Stromgesellschaft ist, ähnlich wie in Deutschland, verpflichtet, den erzeugten Solarstrom zu einem Vorzugspreis einzuspeisen, aber, wie ich glaubhaft von betroffenen Freunden höre, zahlt sie oft nicht, einfach so, trotz empfangener Leistung. Das dürften Anfangsschwierigkeiten sein, denn das Potential, das in den eher suboptimal mit zu wenig Wasser versorgten, und daher agrarisch wenig geeigneten Flächen an der Peripherie der Kornkammern steckt, ist einfach enorm.

Unser Ziel ist Parga an der Westküste, hinter den Bergen des Ipiros. Wir passieren Kalambaka, den Ort, wo rechterhand die merkwürdigen Felsformationen aus Konkglomeratgestein beginnen, auf denen sich die berühmten und in jedem Griechenlandführer unausweichlichen Meteoraklöster befinden. Die lassen wir rechts liegen.

Die Konglomeratfelsen über Kalambaka.

Wie Schlickerhäuschen sehen die Felsformationen aus Konglomeratgestein aus, wie in Beton nachgeformter Schweizer Käse. Von Klambaka aus wollen wir durch die Berge des Ipiros über Metsovo und Joannina weiter, doch die Strasse ist an einer Kreuzung und einer Flußbrücke, an der Honig unter schattigen Platanenbäumen verkauft wird, gesperrt. Der direkte Weg nach Joannina und Parga wird von den Polizeikräften mit einem heftigen Wink mit einer roten Fahne Richtung Grevena umgeleitet. Das bedeutet an die hundert Kilometer Umweg. Der Grund für den Umweg, ein Waldbrand in den Bergen, der seit drei Tagen nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte, taucht in der Ferne auf. Friedlich liegt der hohe Berg da, graubraune, bald gelbliche, zarte Wölkchen steigen daraus auf, vereinigen sich mit den Kumuli, während dort, wo wir fahren, feuchte, schattige Wälder und  abgeerntete Weizenfelder eine arkadische Landschaft enstehen lassen. Maler des 18.Jahrhunderts hätten sicher auch so etwas gemalt, vielleicht auch eine bukolische Szene in den Vordergrund gesetzt, und sicher auch nicht die kleine Vögel am kobaltblauen Himmel vergessen, die erst beim näheren Hinsehen einer ernsten Aufgabe nachgehen, nämlich Wasser vom über hundert Kilometer entfernten Meer aufzugreifen, um es über die dampfenden Berge zu gießen.

Griechische Sommerlandschaft mit brennendem Berg.

So fahren wir weiter, auf der schlecht ausgebauten Straße durch Krüppeleichenwälder, auf der Suche nach einer Abkürzung, um nicht in das „VlachikodreckskaffGrevena“ (So meine Frau) fahren zu müssen, weiter. Die Landschaft entschädigt den weiten Umweg.

Bei Pygi führt die Strasse über einen Zufluß des Aliakmonas.

Kurz vor Grevena erreichen wir die „Via Egnatia“.  Die alte Römerstraße, die einst Konstantinopel über Igumenitsa und Brindisi  mit Westrom verband, verläuft nicht mehr entlang der alten Römerpfade, sondern wurde jüngst mit gewaltigen EU-Mitteln als Autobahn durch die alpine Landschaft des Ipiros neu gefräßt. Tunnel folgt auf Tunnel, Licht an, Licht aus, befehlen die blinkenden Leuchttafeln.

In den von kräftigen Turbinen und gelben Natriumdampflampen beleuchteten Betonröhren gibt es reichlich Fluchttüren, und alle 50 Meter eine Feuerlöschanlage. Bremspuren, zerbeulte Reste einer Feuerlöscheinrichtung samt Resten der entstandenen Pulverwolke zeigen, dass ein LKWfahrer jüngst das Ziel mittig getroffen haben muss.

Irgendwo vor Igoumenitza auf der Via Egnatia.

 

Kurz vor Igoumenitza verlassen wir die „Egnatia“ Richtung Parga. Nach einem merkwürdigem Ausblick den Sumpf von Kalodikio, erscheint die Adria, erreichen wir Parga, das wir aber gleich Richtung Anthoussa, einem kleinen Ort oberhalb der Stadt, wieder verlassen. Der Hotelwirt, der das Appartementhaus „Villa Thomas“ (sehr empfehlenswert, übrigens), betreibt, hat uns schon mehrfach – unterbrochen durch die Tunnelfahrten – angerufen, um zu erfahren, wo wir denn bleiben.

Der Sumpf von Kalodikio.

Die Aussicht aus der günstigen, geräumigen, aber schlichten Appartementwohnung auf Parga ist einfach „nett“, doch Parga selbst ist eine Touristenhölle sonder gleichen („Yes Please“ ), und hier oben, in Anthousa, erwartet uns eine Überraschung: Wie nahe doch Griechenland und Halle doch sind.

Um Personen, die Opfer grausamer historische Ereignisse wurden, nicht in unangemessener Weise zu nahe zu treten, will ich darüber so berichten, wie über den brennenden Berg aus Entfernung. In dem kleinen Kafenion in Anthoussa sprechen viele Menschen Deutsch, wechseln, so wie die junge Familie, die zunächst uns gegenüber saß, zwischen Deutsch und Griechisch hin und her. Es gesellte sich ein älteres Ehepaar hinzu, ebenfall beider Sprachen mächtig. Woher wir kämen, also aus Halle, war rasch erklärt, und Halle als auch Leipzig und Jena waren dem deutlich alten Herren sehr wohl bekannt. Seit 1949 (!) lebte er in Leipzig, in Jena auch, als Werkzeugmacher, bis er die DDR in den 70ern Richtung Westen verließ. Ich kannte einen weiteren Griechen, der auch um die selbe Zeit in Halle angekommen war, ein begnadeter Künstler, Fotis Zaprasis, den ich selber als lieben Bekannten kennen lernen durfte. Er  verstarb vor einigen Jahren in Halle. Es ergab sich im weiteren Gespräch, dass beide sich kannten, und die Frau des alten Herren die Neffin meines leider zu früh verstorbenen hallischen Freundes war.

Die Welt ist klein, und die Verbindungen, deren wir auch als Individuen untereinander unterfliegen, sind zuweilen undenkbar groß.

Panorama über Parga in der Dämmerung.

 

Parga selbst ist ansonsten ein saublöde Touristadt, bitte meiden, besonders abends. Empfehlung: Anthousa, oberhalb, der Ausblick auf das Geglitzer von Parga aus angemessener Entfernung und auf das Meer reicht vollkommen. Hier oben kann man das Zirpen der Grillen in den Olivenhainen hören, gelegentlich knattert ein Moped durch den Ort, mehr nicht.