„Es wird genug Impfstoff für alle geben!“, wiederholt Gesundheitsminister Jens Spahn seit Monaten nahezu mantraartig. Und tatsächlich dürften die von der EU bereits seit langem bestellten Mengen der Impfstoff-Hersteller Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca – insgesamt 860 Millionen Dosen – rechnerisch vollkommen ausreichen, auch in Deutschland einen Großteil der Bevölkerung mit den jeweils zwei nötigen Impfungen versorgen zu können.
Allerdings liegt die Betonung auf „WIRD“ … zukünftig! – Denn gerade zu Beginn wird der Impfstoff nur für einen Bruchteil der gewillten Bürgerinnen und Bürger im Land ausreichen. Dass sich die Situation folglich auch mit einem vorhandenen und zugelassenen Corona-Impfstoff erst nach und nach bessern wird, war ebenfalls seit langem klar.
Wie also ist dieses Dilemma zu lösen? Wer darf und kann zuerst geimpft werden? – Mit diesen Fragen haben sich nicht nur die für die Verteilung des Impfstoffes im Bundesgebiet zuständigen Politiker beschäftigt, sondern auch viele Expertinnen und Experten aus dem Bereich Gesundheit und Medizin, der Ständigen Impfkommission sowie des Deutschen Ethikrats, welche der Bundesregierung bei der Entscheidung über eine Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen beratend zur Seite standen. Das Ergebnis verkündete Jens Spahn bereits am 18. Dezember des vergangenen Jahres in Form der neuen Impfverordnung, welche die Reihenfolge bei den Impfungen festlegt, indem sie die Bevölkerung in Gruppen mit jeweils abgestufter Priorität einstuft. Höchste Priorität und ein Recht auf eine schnelle Impfung haben demnach zunächst nur diejenigen Menschen, die über 80 Jahre alt sind – Und all jene, die in stationären Einrichtungen zur Behandlung, Betreuung oder Pflege älterer oder pflegebedürftiger Menschen arbeiten.
Aber wie gerecht ist diese Entscheidung wirklich? Wie wird sie begründet? Und – muss man unbedingt Impfgegner sein, um sie zu kritisieren?
Es scheint, dass in letzter Zeit vor allem die öffentliche Debatte um diese Entscheidung fehlt! Offenbar muss man entweder ein entschiedener Impfgegner oder gar Corona-Leugner sein, um Gehör zu finden, oder aber man wird automatisch zu denjenigen gezählt, die alle bisher getroffenen Entscheidungen als richtig erachten. Tatsächlich äußert sich die sprichwörtlich große SCHWEIGENDE Masse aber erst gar nicht öffentlich zum Thema.
Trotzdem steigt überall spürbar die Unzufriedenheit über das scheinbar endlose Abwarten und die immer unerträglicher werdende Unsicherheit. Trotz und Wut machen sich in der Bevölkerung nach und nach breit und nicht nur, weil es vielen Menschen immer weniger möglich erscheint, nach der Krise noch finanziell halbwegs gut dazustehen, sondern auch, weil sich viele arbeitende Menschen, täglich dem Risiko der Ansteckung aussetzen, gewillt sind, sich impfen zu lassen, dies aber vermutlich bis in den Sommer hinein noch nicht dürfen.
Kommentare verschiedenster Menschen, die alle nur gemeinsam haben, sich gerne impfen lassen zu wollen, lauten daher:
- „Wenn ich ein so langes Leben gehabt hätte, würde ich den Jüngeren mit Freuden die mir zustehende Impfung überlassen!“
- „Zuerst stuft man uns als systemrelevant ein, und jetzt bekomme ich dafür keinen Schutz!“
- „Als junger Mensch will ich reisen, mich bewegen und frei sein. Die Politik raubt mir die Zukunft, nur um den Alten ihre noch ein kleines bisschen zu verlängern.“
- „Schulen sind Hotspots, da kann mir keiner was erzählen. Und den Kontakt zu Kindern kann ich gar nicht unterbinden. Privat soll ich aber noch monatelang warten, um mich impfen lassen zu dürfen.
- „Als Erstsemestler habe ich bisher noch keinen meiner Kommilitonen kennengelernt. Ich gehöre zu denjenigen, die die Kosten der Krise tragen und gleichzeitig die größten Einschränkungen ihrer Freiheit hinnehmen müssen.“
Die Beschwichtigungsversuche des Gesundheitsministers lauten derweil weiterhin: „Ich bitte Sie darum abzuwarten, bis auch Sie an der Reihe sind. Es geht nun einmal nicht anders, wir alle werden noch längere Zeit mit diesem Virus leben müssen. Erst im Sommer wird allen Deutschen ein Impfangebot gemacht werden können! Solange geht es um Solidarität mit den Verwundbarsten!“
– Das leuchtet ein. Sicherlich will sich niemand als unsolidarisch oder egoistisch abstempeln lassen. Das Problem aber bleibt. Viele Menschen, die unser Land aktuell am Laufen halten, fühlen sich im Stich gelassen und angesichts der unberechenbaren Gefahr des Virus nicht ausreichend vom Staat geschützt.
Wie Salz in die Wunde wirkt da auch die Nachricht, dass in vielen Ländern bald ein sogenannter Immunitätspass eingeführt werden soll, der Menschen, die gegen das Coronavirus geimpft sind oder eine Covid-19-Erkrankung bereits überstanden haben, erlauben soll zu verreisen, in Restaurants zu gehen oder in Hotels zu übernachten. In Deutschland könnte eine solche Regelung allerdings erst recht zur Spaltung der Gesellschaft führen und würde darüber hinaus gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoßen.
Warum also die Ältesten zuerst?
Immer wieder hat sich in dieser Krise gezeigt, dass es an Erklärungen seitens der Politik mangelt. Viele Entscheidungen im Umgang mit der Pandemie sind für die Menschen deshalb kaum nachvollziehbar. Zumal es auch gute Argumente für eine Impfung der Jüngeren zuerst gäbe. So heißt es aus epidemiologischer Sicht, gerade diese Gruppe verteile das Virus extrem stark.
Andersherum wird aber beispielsweise vom Robert-Koch-Institut argumentiert, dass diejenigen, die in einem Wohn- oder Altenheim wohnen, dem vermutlich größtem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs ausgesetzt sind.
Und die Statistik zeigt deutlich: Im November 2020 sind in Deutschland wesentlich mehr Menschen gestorben als in den Vergleichsmonaten der Vorjahre. Am stärksten fiel die Übersterblichkeit dabei in Sachsen aus, wo es derzeit viele Covid-19-Fälle gibt. Die Zahlen deuten also darauf hin, dass der größte Teil dieser Übersterblichkeit auf die Infektion mit dem Corona-Virus zurückgeht. Das Statistische Bundesamt gab hierzu außerdem an, dass die Zahl der in einem Alter von über 80 Jahren Verstorbenen im November 19 Prozent über dem Schnitt der Referenzmonate lag. Dagegen war die Zahl der Todesfälle bei den jüngeren Bürgerinnen und Bürgern mit dem Niveau der Vorjahre vergleichbar.
Die verwundbarsten Gruppen vor dem Tod zu bewahren scheint angesichts dieser Zahlen also nicht nur logisch, sondern gar verpflichtend für einen solidarischen Rechtsstaat wie Deutschland. Tatsächlich bleibt daher nur, der Aussage Jens Spahns beizupflichten und alle anderen Mitbürgerinnen und Mitbürger im Land um Geduld und Rücksichtnahme zu bitten. – Und eine gute Nachricht gibt es ja dennoch: Am heutigen tag wurde bereits der zweite Impfstoff von der Europäischen Arzneimittelbehörde in der EU zur Zulassung empfohlen. Es scheint folglich tatsächlich nur eine Frage der nächsten Zeit zu sein, bis der ersehnte Schutz auch für den Rest der sich impfen lassen wollenden Bevölkerung zur Verfügung steht.
6 comments on “Wie fair ist die Priorisierung bei der Impfung?”
Bei aller Diskussion um die „Impf-Triage“ (und um eine solche geht es ja in der Diskussion) sollte man bedenken, wenn man die Halleschen Zahlen vor Augen hat: Ein großer Teil der Infizierten gehören genau der zu Impfenden Bevölkerungsgruppe an – das Virus verbreitet sich auf den Pflegestationen zwischen den Senioren, Pflegern, möglicherweise wieder zurück in deren Familien usw. Es erscheint mir vernünftig, diese Kette zu durchbrechen.
Vor diesem Hinergrund erschreckcjen mich Nachrichten, dass sich beispielsweise in Thüringen nur etwa 30% der Pfleger impfen lassen wollen. Das zeigt schon, welche grundlegend destruktive Arbeit AfD, Querdenker etc. in der Region geleistet haben.
Selbst der sommerliche Covidioten-Versteher Ramelow ist darüber entsetzt, das sollte zu Denken geben.
Das nenne ich mal einen Kommentar. Das Geschriebene trifft genau die Diskussionen, die in meinem jetzt kleinen Freundeskreis stattfinden.
“ das Virus verbreitet sich auf den Pflegestationen zwischen den Senioren, Pflegern, möglicherweise wieder zurück in deren Familien usw. Es erscheint mir vernünftig, diese Kette zu durchbrechen.“
Das ist Spekulation und nicht belegt. Alters- und Pflegeheime sind so abgeschottet, dass sie wohl kaum als Superspreader in Frage kommen. Dass die Zahlen jetzt wieder zurückgehen hat Ursache in der Kontakteinschränkung, aber nicht weil man ein paar Alte geimpft hat,
Die Jüngeren können mit einem sehr geringen Risiko der Erkrankung durch Ansteckung ihr Immunsystem stärken, die Älteren nicht.
Im Fernsehen hörte ich heute, dass sich zur Zeit nur 30 % der Bevölkerung impfen lassen wollen. Wie kann dafür gesorgt werden, dass sich die Zahl erhöht, denn das ist ja das Ziel, WEIL man annimmt, der Impfstoff wirkt wirklich so, wie er SOLL. Das wird aber erst durch die Praxis bewiesen, also in einiger Zeit.
Es gilt, die Gründe zu erfahren, warum? und wer? Und dann gezielt informieren, Fragen beantworten, aufklären. Die Information, was der Gesundheitsminister für Fehler evtl. gemacht hat, interessiert mich weniger, mögen sie nicht ewig
darüber berichten, dazu ist später Zeit, Herr Scheuer ist schließlich auch noch im Amt!! Dabei spielen mdie Medien die entscheidende Rolle.
– seit 10 Tagen wird geimpft, warum wird nicht darüber berichtet, wie es den Geimpften geht? Ich kann mich nicht tagelang wegen schlechten Befindens ins Bett legen!!
– hat jeder von den Impfstoffsorten den gleichen Wirkungsgrad?
– ich bin verunsichert, dass man plötzlich aus einer Menge Imofstoff mehr machen kann ( statt 4
Menschen nun 5 oder gar 6 impfen damit ) – und darauf ist die INDUSTRIE nicht selber gekommen, wo gerade die Pharmaindustrie so wunderbar gewinnorientiert arbeitet? Dosis facit venenum…. Komisch, sehr, sehr komisch. Ach und ein altes Sprichwort geistert mir ständig im Kopf herum: Viele Köche verderben den Brei! Und da bin ich dann wieder beim Föderalstaat gelandet, weil ich mich an den schlecht gewöhnen kann….
„Vor diesem Hinergrund erschreckcjen mich Nachrichten, dass sich beispielsweise in Thüringen nur etwa 30% der Pfleger impfen lassen wollen. Das zeigt schon, welche grundlegend destruktive Arbeit AfD, Querdenker etc. in der Region geleistet haben.“
den arbeitenden muß man schon zugestehen, das selbst entscheiden zu können. es betrifft sie allein. wenn sich die heimbewohner durch impfung schützen lassen wollen, reicht es doch, oder nicht?
( btw: die menschen bilden sich ihre meinung mitunter auch ohne AfD etc)