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Von Spies und anderen Gesellen, Gedanken zum 1. Mai

(Der Kommentar zum 1. Mai) Manchem wird August Spies, der in Amerika zu unrecht zum Tode verurteilte hessische Auswanderer und Kämpfer gegen Ausbeute und für Gerechtigkeit, noch ein Begriff sein. Steht sein Name doch im engen Zusammenhang mit der Historie des 1. Mai. Welch unvergleichlich bessere Welt in der wir nun leben. Unvorstellbar für uns die unmenschlichen Arbeitsbedingungen des späten 19. Jahrhunderts und die Rechtlosigkeit derer , die sich dagegen wehrten. Also alles gut? Sich über erreichtes zum 1. Mai freuen? Bratwurst essen, Kinder auf die Hüpfburg des DGB schicken, bei der SPD Kuchen essen, bei Verdi einen Luftballon ergattern, bei der der Linkspartei einen Kugelschreiber und sich über die Fundamentalaktivisten der der MLPD lustig machen. Nach ein paar Smalltalks übers Wetter und dann ab nach Hause Richtung Sonntagsbraten. Beim Davongehen erhascht man noch ein paar Worte vom Podium, es ist die Rede von Verkäuferinnen, Krankenschwestern, Busfahrern und Paketboten für die es nun wirklich besser werden müsse… seltsam bekannte Worte am 1. Mai und über all die Jahre so vertraut wie das Quietschen der Straßenbahn auf dem Marktplatz.

Wie geht es den unteren Lohngruppen denn wirklich und hat sich in den letzten Jahren tatsächlich Wesentliches verändert? Keine Frage die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro ist die erste, die die Bezeichnung „Erhöhung“ auch verdient. Das noch einzulösende Versprechen eines Bundeskanzlers, der – als er noch Finanzminister war und mit seinem Jahresbrutto von ca 185 000 € (ohne Zulagen und zudem mit einer garantierten Rente von knapp 5000 wenn eine Legislatur durchgehalten wird) und dem „Hinzuverdienst“ seiner Ehefrau von 168 000 € –  sich nicht als reich sondern nur als ganz gut verdienend bezeichnete. Sicher verwirrend für die oben genannten Dienstleister, deren schmale Gehälter durch die ansteigende Inflation gerade einen leichten Dämpfer erhalten. Aber vielleicht hat Olaf Scholz doch recht, wenn man an den übrigen Wohlstand der Republik denkt oder an Elon Musk, der sich bald ein Wochenendhaus auf dem Mond bauen wird. Davon kann unser Bundeskanzler tatsächlich nur träumen. Aber in Potsdam oder Hamburg wird er sich schon eine Immobilie leisten können. (Um Missverständnissen vorzubeugen: Das Gehalt geht in Ordnung, nur die Einordnung befremdet.)

Und wo wohnen unsere wohlbekannten Dienstleister? An Wohneigentum brauchen diese nicht zu denken. Mit Glück haben sie etwas geerbt. Sie schlagen sich mit höher werdenden Mieten herum. Bis zu 40% der Bevölkerung muss schon mehr als 30% ihre Nettoeinkommens für die Miete aufbringen. In Ballungszentren bis zu 40% (Ehepaar Scholz 353000 Familieneinkommen davon 30%, zahlen sie 110 000 € Miete?) Zeitgleich wird freudig mit Immobilien spekuliert und auch höhere Gehaltsgruppen als die oben genannten können sich zumindest in Ballungszentren wie München, Berlin Hamburg längst keine Immobilie von ihrer eigenen Arbeit finanzieren.  Jammern auf hohem Niveau? Was würde August Spies dazu sagen?

Oder viele Ukrainer, denen der KGB-Faschist-Putin gerade die bescheidene Plattenbauwohnung weggebombt hat? Denen ging/geht es beschissener. Trotzdem, das Wohlstandsversprechen der alten  Bundesrepublik, dass man mit seiner Hände/respektive Kopf Arbeit sich ein gutes Auskommen verschaffen kann, es bröselt gewaltig. Die Unwucht unserer wenig sozialen Marktwirtschaft erreicht so langsam auch die Besserverdienenden.

Ausgabe der SPD-Zeitung „Volksstimme“ von 1901, Frankfurt am Main

Zeitgleich wird munter mit Immobilien spekuliert (gerne von denen, die selber gut versorgt sind), an der Börse fröhlich gezockt, gratis geerbt, Vermögen nicht besteuert und Steuerflucht wenig erfasst. Auch die Aufregung über krasse Selbstbediener am Staatsvermögen (CumEx oder auch nur Beispiele wie die verrückten Maskendeals eine Andrea Tandler, etc.) hält sich in Grenzen. Unser Staat scheint sich wenig zu wehren, bedrohlich passiv wirkt sein Verhalten gegenüber den Abzockern der Republik, wenig kreativ sein Gestaltungswille. Wo bleibt die Initiative des SPD Kanzlers zu den Ideen einer Bodenreform wie sie sein verstorbener Genosse Hans Jochen Vogel so eindringlich forderte?

Wir gehen nach Hause, futtern unseren Sonntagsbraten während die Republik zerbröselt. Und wenn alles gut geht, hören wir uns am 1. Mai 2023 zwischen Hüpfburg und Kuchenstand für einen kleinen Moment die Probleme von Krankenschwestern, Verkäuferinnen, Busfahrern und Paketboten an …

(Detlef Wend)

 

One comment on “Von Spies und anderen Gesellen, Gedanken zum 1. Mai”

  1. So ein Maifeiertag auf dem Markt mit der Ableistung der Rituale ist so mitreißend wie ein evangelischer Sonntagsgottesdienst an einem trüben Herbsttag. Jeder weiß, was erzählt wird, aber keiner geht hin, nicht aus Widerspruch, sondern weil man es einfach schon tausendmal gehört hat und einfach keine Wunder passieren.

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