Ziemlich männlich: stachelig, aber schön und beliebt bei Bienen

29. Juli 2019 | Bild der Woche | 4 Kommentare

Die markante Pflanze gehört zu einer sehr artenreichen Pflanzengattung aus der großen Familie der Doldenblütler (Apiaceae, früher Umbelliferae). Die Pflanze wird bis zu 80 Zentimeter hoch. Sie wächst aus einer Blattrosette mit ledrigen, graugrünen Blättern, die mehr oder wenig stark gesägt sind. Charakteristisch sind die matt silberblau überhauchten, zylindrischen Blütenköpfe mit zahlreichen, sehr kurz gestielten bläulichen Blüten und auffällig geschlitzten, dornigen Hüllblättern. Blütezeit ist im Sommer von Juli bis August. Die Blüten sind beliebt bei Bienen, zahlreichen Schmetterlingen, Weichkäfern und vielen anderen Insekten. Die Blütenstände sind bestens zum Trocknen für Trockensträuße geeignet. Die Pflanze liebt kalkhaltigen, nährstoffreichen und durchlässigen Boden in voller Sonne. Staunässe vertragen ihre Wurzeln nicht.
Zur Entstehung des deutschen Namens gibt es mehrere Theorien. Die eine besagt, dass die Pflanze deshalb so heißt, weil vor allem aus der Wurzel Mittel mit aphrodisierender Wirkung hergestellt wurden. Eine andere, im ironischen Sinn gemeinte Deutung bezieht sich auf die bei Samenreife abfallenden und durch den Wind unstet hin- und her gewehten Blütenköpfe. Diese werden auch „Steppenhexen“ genannt.
Die Pflanze wird auch heute noch als Heilpflanze verwendet und hat eine harntreibende und die Leber stimulierende Wirkung. Adamus Lonicerus beschreibt in seinem Kreuterbuch (1679) eine Reihe Anwendungen. Wurzelextrakte mit Honig versetzt „vermehret den mannlichen Saamen und macht gut Geblüt“. Zerquetschte Wurzeln „auf hitzige Geschwür gelegt, benimmt ihnen die Hitz“, sind also entzündungshemmend. Wirkstoffe sind: Saponine, ätherisches Öl, wenig Gerbstoff, Spuren eines Alkaloids, Apfel-, Zitronen-, Malon-, Oxal- und Glykolsäure. In Teemischungen wird die Droge gegen Husten und Bronchitis, Harnverhaltung eingesetzt. Als Hausmittel kennt man sie bei Menstruations- und Magenbeschwerden sowie bei Infektionskrankheiten.
Wie heißt die stachelige, nützliche Schönheit?
(H.J. Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Echt krass scharf):  Gartenkresse, Lepidium sativum.

Unser User „Rati “ hatte es schnell gefunden: das Foto zeigt den etwas lädierten Blütenstand der gewöhnlichen Gartenkresse. Gartenkresse ist heute die häufigste Art derjenigen Pflanzen aus der Familie der Kreuzblüter, die man unter dem Begriff der „Kresse“ zusammenfasst. Das Wort stammt aus  dem althochdeutschen „crasso“ und bedeutet „scharf“ (heute steckt der Wortstamm noch im Ausdruck „krass“). Umgangssprachlich wird und wurde  vieles als „Kresse“bezeichnet, was grün verzehrt wurde und dank seiner Senfölglycoside scharf schmeckt. Solche Pflanzen findet man vor allem unter den Kreuzblütern, wie etwa  Brunnenkresse (Nasturtium officinale) oder auch die Barbarakresse (Barbarea praecox). Aber auch Pflanzen, die nicht im Entferntesten zu den Kreuzblütern gehören, wie zum Beispiel die Kapuzinerkresse (Tropaeolus majum) entwickeln diese Art Schärfe. Am Beispiel der letzteren haben wir auch schon einmal erläutert, was die „Schärfe“ ausmacht: es sind Thiocyanate, die aus den Senfölglycosiden freigesetzt werden, wenn die Pflanzenzellwände zerstört werden (beispielsweise beim Kauen). Weil sie leicht flüchtig sind, steigt die Schärfe dann bis in die Nase auf, was bei anderen Scharfstoffen (Pfeffer, Chili etc) nicht so leicht passiert. Und so ist der Genuss von Kresse auch „gesund“, nicht nur, weil sie wie vieles Grünzeug Vitamine enthält: die Senföle wirken nachgewiesenermaßen bakterizid.

Die Gartenkresse, nach der wir gesucht hatten, stammt wahrscheinlich aus Persien, wo sie auch heute noch verwildert vorkommt. In der römischen und griechischen Antike wurde sie geschätzt, und im Mittelalter auch medizinisch verwendet. Besonders auch die Samen- anders als heutzutage. Sie wurden ganz ähnlich wie Senf als „Scharfmacher“ benutzt.

Aus: J. Christoph Riedel, Verbessertes und vermehrtes Garten-Lexicon, 1769

Später trat die Samennutzung stark in den Hintergrund, in der Neuzeit war man davon fasziniert, wie schnell die würzige Küchenzutat wächst, und es wurde üblich, auch im Winter in Töpfen im Haus Kresse auszusäen, die man innerhalb weniger Tage ernten konnte. Sogar die etwas kitschige Mode, Keramikfiguren aller Art mit Rillen zu versehen, um darin dann Kresse auszusäen, stammt schon aus dem 18. Jahrhundert. Auch die Sitte, Kinder mit Kressesamen ihren Namen ins Beet schreiben zu lassen, ist überliefert, beispielsweise in den Aufzeichnungen des Kaspar Hauser: „Neulich hab ich aus Gartenkresse meinen Namen gesäet, ist recht schön gewachsen und hat mir große Freude gemacht. Ist einer in den Garten hereingekommen, hat Birnen gestohlen, der hat mir meinen Namen zertreten, da hab ich geweint. Herr Daumer hat gesagt, ich soll ihn wieder machen, hab ihn wieder gemacht, am andern Morgen haben ihn Katzen zertreten.« [Jakob Wassermann: Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens – Kapitel 21 ]

Bei uns kennen die meisten wahrscheinlich auch nur noch die Keimlinge, sei es aus dem selbst angezogene Kressetopf, dem „Bio-Keimgarten“ oder fertig in Schälchen im Supermarkt gekauft. Dabei wächst Gartenkresse, im Freiland beispielsweise „vergessen“, durchaus zu ansehnlichen Pflänzchen heran. Je nach Sorte entwickelt sie eine Rosette aus mehr oder weniger glatten, breiten Blättern, aus der dann ein 30 cm hoher Blütenstand treibt. Die charakteristisch kreisrunden, platten Früchte (Schoten) enthalten dann wieder die Samen.

(HW)

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