Wenn wir grillen Seitanseit

8. Juli 2019 | Bild der Woche | 2 Kommentare

Sommer 2019: die unbeschwerte Zeit des gemeinschaftlichen Grillens neigt sich dem Ende zu. Seit Tausenden, abertausenden von Jahren hatten Menschengruppen um das wärmende Feuer gesessen, steckten große Stücke erlegter Tiere auf den Spieß, den sie geschickt über der Glut oder gar in den Flammen wendeten, bis ihnen ein betörender Duft herrlicher Röstaromen in die Nase stieg. Die Tiere hatten sie in freier Wildbahn erlegt, und  manchmal gab es einen Hauptgewinn,  wenn gar ein junger Waldelefant in die Fänge der glücklichen Sippe und auf den Speisezettel geraten war. Alte wie Junge, Frauen wie Männer genossen das Gebratene und die Geselligkeit gleichermaßen, so stellen wir es uns jedenfalls vor. Mit dem Fortschreiten der Menschheit wurden die Tiere kleiner und ließen sich in Ställe pferchen, die Menschen zu Bauern, gerieten in Abhängigkeit und verloren wie ihre Tiere ihre Freiheit. Die Feuerstellen wurden bescheidener, die Portionen kleiner, die Verteilung ungerechter. Am vorläufigen Ende der Entwicklung finden wir Klaus und Beate, Uschi und Dirk auf dem engen, aber gepflegten Rasenstreifen im vom Baumarktplunder zugemöbelten Reihenhausparadies wieder. Klaus wendet „Grillfackeln“ und Bratwürste, Ergebnis der Schnäppchenjad beim Supermarkt vor den Toren der Stadt. Eigentlich alles wie immer, möchte man meinen, wenn man von der zunehmenden, bedauerlichen Selbstdomestizierung der Spezies homo einmal absieht. Vorbei die Jagdgeschichten, die Erzählungen großer Heldentaten bei der Zubereitung des erlegten Wildes am, knackenden Lagerfeuer.  Denn die Themen rund um das, was auf dem Rost des wackligen dreiständrigen Blechgrills liegt, sind vermintes Gelände. Als Klaus gerade mit Bier den Fettbrand auf den Kohlen löschen will, eröffnet Gabi das Feuer: „Man kann auch mal was anderes auf den Grill legen als immer nur Fleisch“.  „Ja, Meine, wir haben doch auch noch diesen Grillkäse“.  Dirk leiert mit den Augen, er ahnt, was jetzt kommt. „Uschi und ich haben beschlossen, ganz auf Fleisch zu verzichten“. Die Stimmung der beiden Herren am Grill erlischt. „Und dann wollt Ihr diese komischen Kunstfleischburger essen, tagein tagaus, dieses Chemiezeugs? „Ja das ist gar nicht mal so schlecht, und rein pflanzlich“. Dirk findet, das sei pervers. „Und mit Rote-Bete-Saft präpariert, damit es wie Fleisch blutet. Und Eiweiß nach Bayer-Patent zu Fäden versponnen, dass es sich wie Fleisch anfühlt, das ist doch Quatsch!“

„Fleischpflanzerl“ sind, anders als ihr Name vermuten lässt, keinesfalls vegan.

„Nein, ich meine ohne Tricks und Chemie. Aus rein pflanzlichem Eiweißpulver geformt, das kann man sogar selber machen“.  „Ach das Satan-Zeugs meinst Du. Das schmeckt ungewürzt nach gar nix, hab ich mal in der Mensa essen müssen.  Da kann man auch nen Bierdeckel in Sojasoße tränken und braten“.  „Ist übrigens die totale Lebensmittelverschwendung, wie das Zeugs gewonnen wird“, mischt sich nun Klaus ein. Die meisten Nährstoffe, die die Samen der Pflanze enthalten, die Stärke nämlich, wird einfach ausgewaschen. Die Industrie macht das, um Stärke zu gewinnen. Um dann Bioethanol als Kraftstoff daraus zu gewinnen. Die Eiweißpampe, die da zurückbleibt, hat man dann sonst den Schweinen gegeben. Oder weggeworfen. Aber fein, dass es dafür jetzt Abnehmer in der Veggi-Szene gibt“.

Ja, aber es ist trotzdem vollwertiges Eiweiß, und rein vegan“, entgegnet Uschi, allerdings schon etwas verunsichert ob der Vorstellung, ein Jahr lang  Industrieabfälle zu braten. „Es ist noch schlimmer, meine Lieben, nichts ist da vollwertig. Die essentielle Aminosäure Lysin fehlt da komplett“, erläutert Klaus mit professoralem Unterton.

Diese Pflanze wird gesucht – allerdings hat ein linksversiffter Grafiker das Bild in seiner Manier total verfremdet.

„Ganz abgesehen davon,  dass Ihr rein vegan Euren Bedarf an Vitamin B12 niemals decken könntet. Keine Pflanze produziert dieses Vitamin“, feuert nun auch noch Dirk dazwischen. „Da freut sich höchstens die böse Chemieindustrie. Die machen das mit genmanipulierten Bakterien, und Ihr Veggis müsst das als Nahrungsergänzung schlucken. Ach, und noch was, Uschi: hast Du nicht neulich noch erzählt, dein Hausarzt habe dir eine Gluten-Unverträglichkeit bescheinigt? Dann ist das Zeug sowieso Gift für Dich“

Ihr, liebe Leser, könnt Euch gerne in die Diskussion einmischen. Wir haben allerdings konkrete Fragen:

– Aus den Früchten welcher Pflanze wird das hier diskutierte „Kunstfleisch“ gewonnen? 
– Wie heißt das Zeug?
– Woraus besteht es ?
– Unsere Pflanze existiert in verschieden Zuchtformen. Die eine liefert mehr Eiweiß, die andere weniger. Wie heißen die beiden Sorten?
– Kaninchen leben streng vegan. Aber auch sie benötigen Vitamin B12. Woher bekommen sie es?

(HW)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (“ Wildkraut macht feiste Frauen wieder mager und fruchtbar“):

Gesucht war in der vergangenen Woche der Große Ehrenpreis Veronica austriaca. In Deutschland gibt es ca. 50 Ehrenpreis-Arten. Wie der Name andeutet, war diese Pflanze mal als Heilkraut sehr geschätzt, hat heute aber keine große Bedeutung mehr. Getrocknet wird sie Husten- und Blasentees beigemischt. Zwar galt der Ehrenpreis als allgemeines Stärkungsmittel; aber die versprochene Gewichtsreduktion und Fortpflanzungsfreude beim weiblichen Geschlecht waren wohl von Wunschdenken geleitet. Wegen seiner schönen, leuchtend blauen Blüten wird der Ehrenpreis auch gern im Garten angepflanzt.

(Hans Ferenz)

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