Verwirrendes asiatisches Stangenwurzelobst

9. Mai 2022 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Weitgereist gelangte sie im Mittelalter zu uns, die Barbarenwurzel. So lautet, übersetzt, ihr lateinischer Name. Im Deutschen wurde er derart verstümmelt, dass am Ende nur ein großes Blabla heraus kam. Aber überhaupt umgibt unsere ausländische Wurzelpflanze, deren Ursprung irgendwo im Himalaya liegen, viel Verwirrung. Die Wurzeln einiger verwandter Schwesterarten der  Pflanze dienen in der traditionellen chinesischen Medizin als Mittel zur Regelung der Verdauung. Und der Färberei.  Aber die  Pflanze, die wir suchen, wird anders verwendet. In China offenbar überhaupt nicht, was sehr verwundert. Dabei würde sie sich sehr gut als Zutat in einer traditionellen, pikanten, „asiatischen“ Suppe entfalten. So gut, dass der Autor es ausprobiert hat. Man nehme eine kräftige Hühnerbrühe, etwas in Öl angeschwitzte Zwiebel, Soyasoße, koche darin die kleingeschnittene Triebe der Pflanze, gebe wenige Glasnudeln hinzu, verfeinere mit wenig Zucker, ordentlich Chili, Knoblauch, etwas Tomatenmark und Fünf-Gewürze – Pulver. Heiß servieren. Die pikante Säure, kombiniert mit der Schärfe, macht müde Geister in Sekunden wieder munter. Und unsere Pflanze liefert zudem noch viel Vitamin C. Vielleicht hilft es dem ein oder anderen Omikron-Infizierten über einen milden Verlauf hinweg – was aber keinesfalls als medizinischer Rat zu verstehen ist. Ein Rezept gibt es dann in der Auflösung nächste Woche.

Es muss ja nicht immer Schwiegermutters Kuchen sein: So sieht das Ergebnis eurasischer Fusion-Küche aus.

Aber die chinesische Küche kennt ein solches Gericht nicht. Etwas amüsiert schaut man von dort auf die europäische Küche, einige chinesische Webseiten beschreiben fasziniert, was die französische Küche mit dem Gemüse anstellt. Man ist offenbar amüsiert, dass das Gemüse in Süßspeisen verarbeitet wird. Dafür machen Asiaten halt aus Bohnen süßes Konfekt (Anko). Andere Länder, andere Sitten.

Nach Deutschland gelangte das feine Stangengemüse recht spät, um dann aber einen förmlichen Siegeszug zu feiern. Die Pflanze gelangte Ende des 18. Jahrhundert über Russland nach England, immer noch als Medizinalpflanze. Mitte des 19. Jahrhundert begann man dort, die Pflanze in der Form zu nutzen, wie wir sie auch kennen.  Befördert wurde das sicher dadurch, dass man nun auch einheimischen Rübenzucker herstellen konnte – und auf diese Weise viele bittere, saure oder sonstwie „abartig“ schmeckende Pharmazeutika schmackhaft machen konnte. Manche dieser Medikamente verwandelten sich auf diese Weise plötzlich in beliebte Leckereien – an denen die Apotheken gut verdienten. Wir hatten andern Ortes ja schon einmal über die Geschichte des Marshmallows berichtet. So gelangte unser „Gemüse“ dann auf die englischen Gemüsemärkte, ein richtig professionelles „Treiben“ fand in Chelsea und Yorkshire statt, von dort es auch nach Hamburg. Gerade um diese Jahreszeit ist die Hochsaison des Gemüses, später im Jahr soll man es nicht mehr essen. In Russland gilt das Gemüse übrigens bis heute als nicht essbar. Das behauptet jedenfalls Wladimir Kaminer in seinem Buch über sein Leben im deutschen Kleingarten. Ein ganzes Kapitel widmet er dort dieser Pflanze und amüsiert sich über das kultische Gewese um das ihm fremde, sonderbare Gewächs.

    • Genug um den heißen Brei geschwurbelt – um welche Pflanze geht es hier?
    • Wenn von unverständlichem „blabla“ die Rede ist, drückt man es zuweilen dadurch aus, dass man den Pflanzennamen mehrmals hintereinander spricht. Dabei bedeutete der lateinische Ausdruck, der die Artbezeichnung wiedergibt, eigentlich auch nur „blabla“. Welcher?
    • Die Blätter sollen richtig giftig sein. Und auch das Gemüse ist, in größeren Mengen genossen, gesundheitlich nicht unbedenklich. Warum?
    • Manche geben Milch oder Sahne dazu. Warum?
    • Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Obst und Gemüse?

(HW)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Prähistorisches Würzkraut auf der Ziegelwiese“): Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata)

Elfriede hatte natürlich den Riecher, im wahrsten Sinne des Wortes: wir suchten nach der Knoblauchrauke. Die Blütter des Kreuzblütlers bverstromen ein angenehmes Knoblaucharoma und lassen sich auch als Salat- und Würzkraut verwenden. An Scherben von steinzeitlichen Tontöpfen konnte man nachweisen, dass diePflanze schon vor 4.000 Jahren als Gewürz verwendet wurde und damit das älteste bekannte einheimische Gewürz ist.

(Hans Ferenz)

Noch viel mehr Pflanzen findet Ihr in unserem Archiv. Seit 2016 jede Woche ein neues Gewächs in unserem Lustgarten.

 

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