Uns ist ein Ros entsprungen: Weihnachtswunder aus dem staubigen Morgenland

24. Dezember 2018 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Wie jedes Neujahr pflegte Ahmed ein Ritual – er sah es nicht als religiös an, obwohl sich um die vertrocknete Knolle seit Alters her viele Mythen rankten, mehr allerdings unter den Verehrern des Weihnachtsmanns als unter Seinesgleichen. Die Weihnachtsmänner hatten schon im Mittelalter die Knollen von ihren Kreuzzügen immer wieder in den Westen verschleppt, als Souvenier, als Trophäe. Um zu beweisen, dass man da gewesen war. Wie manche Urlauber halt Muscheln und Seesterne mitbringen, um den Daheimgeblieben zeigen zu können, dass man sich einen Strandurlaub leisten kann.

Ahmed hatte eine ganz andere, persönliche Erinnerung an das vertrocknete Gewächs. Er hatte es beiläufig aufgelesen, zu Beginn seiner langen Odyssee nach Europa, noch im staubigen Wüstendreck, eine verschmutzte, staubige Knolle, vertrocknet und entwurzelt. Irgendwie hatte er sich damals in dem merkwürdigen Geschöpf wiedergespiegelt, in dessen Fähigkeit, wie von Geisterhand aufzuerstehen, wenn die Zeiten einmal besser sind. Das verdorrte Gestrüpp, nicht größer als eine Faust, hatte er tief in seiner Jackentasche vergraben, bevor er wieder den Lastwagen bestieg, auf ungewisse Fahrt in ein ungewisses Schicksal.

So war es, mit wenigen anderen Kleinigkeiten und vielen Erinnerungen, mit ihm an den fernen Gestaden Deutschlands gestrandet, wo Achmed nun jedes Jahr seine Entfaltung, vor den den immer wieder staunenden Augen seiner Kinder, neu vollführte. Zum Jahreswechsel holte er das sorgsam verwahrte, mit Papier umwickelte faustgroße Etwas hervor, und legte es in eine Schale mit Wasser, während die Kinder gespannt das wiederkehrende Wunder erwarteten. „Wunder geschehen nicht in fünf Minuten“, belehrte der Vater dann seine ungeduldig gespannten Kinder. Aber langsam knisterte es in der Knolle geheimnisvoll, und nach drei Stunden, als es langsam dämmrig wurde, hatte sich das Gebilde tatsächlich entfaltet: zu einem ansehnlichen, kleinen „Bäumchen“, das seine Zweige über den Rand der Schüssel hinaus streckte.

„Vater, wird sie weiter wachsen, wenn ich sie einpflanze, und dann größer werden?“. „Leider nein, denn eigentlich lebt sie nicht mehr. Aber sie kann noch führ ihre Kinder sorgen, dass sie einen guten Platz in der Welt finden“.

Soweit, so gut. Unsere Pflanze hat tatsächlich, noch mehr als in ihrer Heimat in den Wüstengebieten Arabiens und Afrikas, eine volksmythologische und religiöse Bedeutung übergestülpt bekommen,, spätestens mit den Kreuzfahrern. Die brachten sie nämlich unter anderem deshalb mit, um zu beweisen, dass sie tatsächlich „drüben“ gewesen sind. Das scheinbare „Wiederaufblühen“ erinnerte natürlich an Kirchenlieder wie „uns ist ein Ros entsprungen“, und ließ sich wunderbar mit christlicher Symbolik aufladen. Zumal es auch Ewigkeit versinnbildlichte – denn nahm man ihr das Wasser wieder weg, rollte sich sich zusammen, um nächstes Jahr wieder zum „Leben“ erweckt werden zu können. In christlich geprägten Kulturen wurde sie daher nicht nur zu Weihnachten, sondern auch zu Ostern verehrt. Seit einigen Jahrzehnten ist sie wieder in Mode gekommen – leider in fast allen Fällen in Form eines Surrogates. Eine andere Pflanze ist an ihre Stelle getreten, oft sogar unter unter falschem Namen. Die „Neue“ kann natürlich alles viel besser und schneller. Auf Weihnachtsmärkten und im Geschenkartikelhandel ist sie für wenig Euro zu haben, versehen natürlich mit allerlei Behauptungen ihrer Wundertätigkeit. Sogar Zigarettenrauch aus der Raumluft soll sie filtern. Moderner Abwehrzauber.

Unsere Fragen:

1) Wie heißt die wahre Pflanze?

2) Der Gattungsname der gesuchten Pflanze bezieht sich mehr auf Ostern als auf Weihnachten. In wie fern?

3) Um welche Pflanze handelt es sich bei dem billigen „Surrogat“, und woher stammt es?

4) Wie vermehrt sich unsere gesuchte Pflanze, wenn doch beim „Aufblühen“ eigentlich schon tot ist?

5) In unserem Beitragsbild haben wir eine Pflanze abgebildet. Ist es die „Echte“ oder die „Falsche“ ?

H.W.

Auflösung der letzten Wochenpflanze: (Teurer Weihnachtsbaum aus dem Jurassic Park): Wollemia nobilis

 

Unser Pflanzenkenner Einbeck hatte die richtige Lösung: Wollemia nobilis. Es ist nun kein Allerwelts- sondern ein Urweltstannenbaum, der wahrscheinlich beinahe der  Forschung entgangen wäre. Der Baum galt als seit 65 Millionen Jahren ausgestorben. Totgesagte leben länger: Im September 1994 entdeckte der Kletterer David Noble in nur  250 km westlich von Sydney (Australien) 23 ausgewachsenen Bäume und einige Jungpflanzen.

Um die Pflanzen rankte sich große Geheimniskrämerei, andererseits wollte man mit ihrer Vermehrung zu ihrem Schutz beitragen. Es wurden Stecklinge erzeugt, lange Zeit galt der Baum als steril, mittlerweile sind auch aus halbseriöser Quelle Samen erhältlich. Anfangs  war es eine ausgesprochene Besonderheit, wenn ein Botanischer Garten ein Exemplar der Wollemie pflanzen konnte. Im Oktober 2005 versteigerte das Auktionshaus Sotheby´s  knapp 300 Ableger mit einem  Erlös von 1,5 Mio. US-Dollar. Im Internethandel sind mittlerweile Zöglinge des ausgestorbenen Baumes zu kaufen: einen kleinen Heister in ca. 60 cm Höhe erhält man, aus ungesicherter Quelle, für um die 200,- €.  Dabei gestaltet sich die weitere Kultivierung der teuren Tanne schwierig: Frosthart im hiesigen Sinne ist sie auf keinen Fall, sie liebt im Winter mildes, feuchtes Kalthausklima. Im  Zuge des Klimawandels besteht allerdings  Hoffnung, die schnöden Kiefern der Dölauer Heide durch Urweltbäume zu ersetzen. Die Stellen für Saurier müssten dann allerdings noch ausgeschrieben werden.

(Hans Ferenz/Hei-Wu)

 

 

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