Unfruchtbar und so heiß begehrt

22. Januar 2018 | Bild der Woche | 3 Kommentare

„Was haben Sie denn für die Ware bezahlt?“, fragte der Gutachter, als er sein vollbärtiges Gesicht wieder vom Mikroskop abwandte. Abdullah hatte schon Ringe um die Augen, vom ständigen Druck der Gummiringe der beiden Okulare des optischen Gerätes. „Ich möchte lieber nicht davon reden“, sagte der Kunde, der sich nur Mehmed nannte. „Wir sind hier ganz diskret“, versuchte Abdullah seinen Kunden zu besänftigen, und wieder dem Mikroskop zugewand, unter dem sich eine winzige Probe eines Pflanzenmaterials befand, das -nun ja, man kann sagen, einen ziemlich eindeutigen Geruch verbreitete- sprach er weiter: „seien  Sie ganz unbesorgt, Bruder. Ich sehe nur weibliche Blütenteile“.
„Oh, da bin ich ja sehr beruhigt, erwiderte der Kunde, der sich das kleine Tütchen intensiv „duftenden“ Pflanzenmaterials schnell wieder in seiner Jackentasche verschwinden ließ. „Nur weiblich, unbefleckt?“ Ja, ganz eindeutig, gut, ganz unbefleckt jetzt nicht, also es  ist auch schon mal ein männlicher, du weißt, äh, Pollen, aber der tut nichts, haha, gänzlich unfruchtbar, Inshallah“.

„Abdullah, sind Sie sicher, dass auch keine Beimengungen untergemogelt wurden?“ Nein, hier nicht. Ich habe schon viel erlebt, mein Freund, gerade hier, in der Szene, wird ja viel gemogelt, aber meinem Mikroskop entgeht nichts. Die Ware, die aus Persien und Afghanistan direkt den Weg hierher findet, ist oft noch relativ sauber. Aber je mehr Zwischenhändler beteiligt sind, um so mehr Unfug wird dazwischen gemogelt. Und pulverisierte Ware – die kannst Du allenfalls den Ungläubigen unterschummeln. “
„Was bin ich Euch schuldig ?“

„Nun, ich habe mich ja schon einige Zeit mit Ihrem Material beschäftigt, sagen wir…. ein Gramm?“

Belauschen wir das Gespräch, das wir in irgendeinem diskreten Hinterzimmer eines beliebigen orientalischen Basars aufgeschnappt haben könnten, lieber nicht weiter. Wir wollen auch gar nicht wissen, in welche Art von „Gebäck“ unsere weiblichen Pflanzenteile landen werden, auch nicht, ob hier Kinderarbeit im Spiel war, und wie das Zeug über die Grenze gelangte.

Uns interessiert viel mehr: was hat es mit der Unfruchtbarkeit auf sich?

Um was für Pflanzenteile handelt es sich wohl?

Welche Inhaltsstoffe, und vor allem, welche psychotropen Substanzen könnten im Spiel sein?

Wo kommt die Pflanze wohl ursprünglich her, und wie ist sie entstanden?

In welchem bekannten Kinderlied kommt sie vor?

(H.W.)

Auflösung des  letzten Pflanzenrätsels: Jujube, Ziziphus jujuba.

Juhuuh, Namenswirren aufgelöst!

Jujube-Früchte. ((c) Wikimedia commons)

Gesucht war Ziziphus jujuba, die Jujube, die als Superfood-Früchte die sogenannten Chinesischen Datteln ausbildet, welche in ihrer Konsistenz an Marshmallows erinnern. Die Steinfrucht hat mit der Dattel der echten Dattelpalme nur das ähnliche Aussehen gemein, ihre Konsistenz ist deutlich fluffiger, ihr Geschmack erinnert an Äpfel mit einer Karamellnote. Jujuben werden in China seit mehr als 4000 Jahren kultiviert, sie nehmen dort eine für uns mit dem Apfel vergleichbare Stellung ein. Traditionell wird die schädlingsfreie und anpassungsfähige Jujube in chinesischen und indischen Plantagen („Indische Dattel“) angebaut. Es gibt über 400 Sorten, die sich grob in frisch konsumierbare und in getrocknet zu verzehrende Fruchtsorten unterteilen lassen. Als die in Asien sehr begehrte, rötliche Frucht im späten 19. Jahrhundert in den USA eingeführt wurde, kam sie nicht besonders gut an: Denn es handelte sich um eine Sorte, die als Trockenfrucht ausgezeichnete Eigenschaften aufweist. Da sie aber frisch verzehrt wurde, konnte sie ihre geschmacklichen Stärken nicht ausspielen.

Ziziphus jujuba, Jujube mit unreifen Früchten, fotografiert in einem Hinterhof des Pekinger Kaiserpalastes

Über Jahrtausende nutzte man die Rote Dattel für medizinische Zwecke, was nicht allein auf ihren hohen Gehalt an Vitamin C zurückzuführen ist, der den von Zitrusfrüchten um das 20fache übersteigt. Es gibt vielfache Anwendungsempfehlungen in der traditionellen chinesischen Medizin, ebenso wie in anderen asiatischen Ländern („Koreanische Dattel“). Bereits in der Antike wurde sie im Mittelmeergebiet als Brustbeere genutzt und gehandelt, v.a. im Mittelalter galt das Brustbeerlein dann als Heilmittel bei erkrankten Atemwegen. Durch ihren Mineralstoffreichtum (Magnesium, Kalium, Kupfer, Niacin, Calcium, Mangan, Phosphor, Eisen) und die Kombination von acht Flavonoiden, die teilweise beruhigend auf Organismen wirken (z.B. Spinosin), ist die Wunderbeere als Superfood bekannt geworden. Das Isoflavon Puerarin soll positive Wirkungen auf Cholesterinwerte und die kardiovaskuläre Gesundheit entfalten, Apigenin wirkt antioxidativ und entzündungshemmend. Manches mag dem Reich der Legenden entstammen, so auch die dem Baum zugesagte Wirkung, Menschen durch seinen Duft der Liebe verfallen zu lassen.

Die besten Sorten für den frischen Verzehr sind Honey Jar oder Sugar Cane. Für den getrockneten Verzehr werden Sorten wie Lang und Shanxi Li empfohlen. In Burma wird mit den Früchten Seide gefärbt. Der Baum wird auch als Wirtspflanze für die Lackschildlaus Kerria lacca angepflanzt. Die Tiere saugen den Pflanzensaft und scheiden einen orangeroten Lack  aus, der zur Gewinnung von Schellack und in Indien zum Färben von Textilien verwendet wird.

Ernte einer Jujube aus einer Handschrift des 14. Jhdt (Tacuinum sanitatis)

Der Gattungsname Ziziphus ist übrigens nicht von Sisyphos, dem Sohn Odysseus, abgeleitet, sondert wird eher im persischen oder arabischen Sprachraum verwurzelt. Weitere deutsche Namen sind z.B. welsche Hagebutte (für die Frucht) oder Judendorn (für den Baum). Dieser „Judendorn“ mag einerseits eine Verballhornung des Jujubenbaums sein, der teilweise bedornt ist. Andererseits könnte er im Neuen Testament in Matthäus 27, Vers 29 beschrieben sein. Dort steht: „Und dann flochten sie einen Kranz aus Dornen und setzten ihn Jesus auf.“ Bibelwissenschaftler glauben, dass die Dornenkrone aus Ziziphus lotus gemacht worden sei, weil dieser im ganzen Land wachse. Auch Ziziphus spina, der in den Höhen von Jerusalem wächst, wird dafür diskutiert. Jedenfalls trägt unsere gesuchte Ziziphus jujuba auch den Namen des Gemeinen Judendorns.

Besonders bekannt für die Ernte der Brustbeere (ital. Giuggiole) ist das Städtchen Arquà Petrarca bei Padua, es feiert die Ernte der Frucht mit einem großen Fest und bietet feine Liköre und Konfitüren mit der alten, weitgereisten Obstsorte an.

 

(A.S.)

 

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