Schön anzusehen. Aber nichts fürs Herz.

27. Februar 2017 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Clivia, Frucht

Verwirrend war die Pflanze der letzten Woche. Hier die Auflösung:

Reiß dich am Riemen, Blatt! Clivia miniata

Wir hatten die Beerenfrucht der Klivie zur Verwirrung auf den Kopf gestellt. Klivien überwintern fast ohne Wasser im Keller, im Treppenhaus oder einfach in etwas kühleren Wohnräumen – sie sind anspruchslos.

Verschiedene Sorten der Arten Clivia miniata, C.nobilis und Hybriden werden als Zimmerpflanzen gehalten. Der deutsche Name Riemenblatt ist für die Gattung der Klivien mit überschaubaren fünf oder sechs Arten und weiteren Zuchtsorten nicht sehr gebräuchlich (- dann schon eher im Rudersport). Unsere Clivia erhielt ihren „Vornamen“, das Artepitheton miniata, übersetzt „mennigefarben“, aufgrund ihrer Farbähnlichkeit mit der Bleioxidfarbe Mennige, die auch Pariser Rot genannt wird. Dieses Farbpulver wurde bereits bei den Römern synthetisiert und dem sandigen Zirkusboden beigemischt, um echte Blutspuren der „Artisten“ zu überdecken. Das hatte wenig mit heutigen Zirkusvorstellungen zu tun, es ging um blutrünstige Wettkämpfe bei „panem et circenses“ in der Arena (übersetzt Sand).

Das recht gesundheitsschädigende Pigment war in der Kunst und als Rostschutzfarbe im Stahlbau von großer Bedeutung, doch seit dem Ende des Bleizeitalters im Baugewerbe ist diese Gefahr größtenteils gebannt.

Vergessene Nostalgie – altmodisch oder Klassiker?

Die meisten Klivien in unseren Wohnungen blühen in diesem rot-orange-Ton, manche Varietäten auch in Hellgelb. Wenn sie überhaupt blühen: Der beste Garant dafür ist, sie ab dem Herbst einfach zu vergessen und sich wenig um sie zu kümmern.  Wie der Bogenhanf ist die Klivie eine der Zimmerpflanzen, die (mich) an Wirtshäuser mit vergilbten Spitzen-Halbgardinen, dunkel gebeizter Möblierung und Wandvertäfelung bei schwacher Beleuchtung und muffigem Geruch erinnern. Die gutbürgerliche Küche mit kräftiger, dunkler Soße und einem Klecks Eimersalat hatte trotzdem etwas. Gibt es so etwas noch? Und da wuchs sie, die Klivie, unverwüstlich. Sie ist die verkörperte Anspruchslosigkeit, und wenn man ihr das gönnt, schmückt sie sich ein- bis zweimal im Jahr üppig wie eine (vor allem in Advent beliebte) Amaryllis. Zu deren Familie gehört auch sie. Sie enthält das typische Amaryllidaceenalkaloid(10 Vokale!) Lycorin, das die Proteinsynthese in Tumorzellen blockieren und eine  Virusvermehrung hemmen kann. Die Bindung  des Alkaloids an spezielle Ribosomen-Untereinheiten der Zellen wird medizinisch genutzt. Und ja, dieses hochwirksame Alkaloid macht die Klivie giftig.

Aus der prachtvollen Doldenblüte bilden sich nach dem Bienchenbesuchgrüne Beeren, die viele Monate, teils mehr als ein Jahr lang reifen müssen, dabei rot werden. Sie bergen neuen Samen, der manches Mal auch schon in der Frucht keimt und sich durch die Hülle bohrt (- dann spricht man von Viviparie, einemLebendgebähren der hartnäckigen Clivia). Man muss sie aber nicht aufwändig aus Samen ziehen: Manche Exemplare begleiten ihre Besitzer so lange wie die eigenen Kinder zuhause. Von solchen „Nesthockern“ kann man sicherlich einen Ableger bekommen.

Clivia miniata

Südafrikanische Schönheit mit nordenglischem Namen

Die Heimat der Blütenschönheit sind die Talhänge (z.B. des Vaals)der Hochplateaus in Südafrika und Swasiland. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es im schönen Nordosten Englands eine pflanzenliebende Herzogin (Charlotte Florentia Percy, Duchessof Northumberland), deren Mädchenname Clive war. Vielleicht erhielt sie ihre Pflanzen sogar aus dem südafrikanischen Newcastle nahe der Drakensberge? Lady Clive war die ersteBritin, die die Kolonialpflanze gezüchtet und zum Blühen gebracht hat, daher wurde die Pflanze nach ihrbenannt. Vielleicht im englischen Newcastle in Northumberland?

Der Name Cliviawurde auch für eine im fiktiven Boliguayspielende Operette aufgegriffen, das ist interessanterweise in Südamerika, und 1933 in Berlin uraufgeführt. Der Titel der Operette von Nico Dostal wird hier von seiner Protagonistinabgeleitet, einer begehrenswerten Schönheit namens Clivia. Sie erzählt von Putsch, einem gefälschten Gaucho und großer Liebe…

https://youtu.be/wlyy8_dsg5c

<iframe width=“560″ height=“315″ src=“https://www.youtube.com/embed/wlyy8_dsg5c“ frameborder=“0″ allowfullscreen></iframe>

Reifeprüfung

Der im Fragetext angesprochene „Musikmischer” ist übrigens Paul Simon. Vor 30 Jahren hat er mit einheimischen Musikern im Land der Apartheid das ebenso kontroverse wie berühmte (und für manchen geniale) Album „Graceland“ aufgenommen. Vor sage und schreibe bereits 50 Jahren feierte er  zusammen mit Art Garfunkelerste und größte Erfolge mit seinem Soundtrack zum Film „Die Reifeprüfung“, der auch Dustin Hoffman zum Hollywood-Durchbruch verhalf. Hier landen wir wieder bei der Frage: Altmodisch oder Klassiker? Auf jeden Fall „irgendwie schön“!

 

You can call me Clive!

http://img.photobucket.com/albums/v727/PassiRyu/Clivie-05-05-14.jpg


 

Und dies ist die nächste Pflanze der Woche:

Nein, keine Anemone. Auch keine Antimone. Und kein Mohn.

Galanthus ssp. Die werden nicht gesucht.

„Irgendwas stimmt mit meiner Kamera nicht mehr ganz“, dachte Georg Bauer, unser Pflanzenfreund, „ich werde die mal überprüfen lassen. Aber eigentlich egal, schöne Bilder macht sie ja trotzdem, und Bilder können ja nie ganz mit der Realität übereinstimmen“. Mit Freude hatte er in einem lichten Waldstück massenhaft Blüten entdeckt, schon vor 14 Tagen die ersten, und nun stehen sie überall herum, die ersten Boten des herannahenden Frühlings.

Gut, wenn man mal von den Schneeglöckchen absieht, die natürlich jetzt schon in allen Gärten herumstehen. Aber die zu raten, wäre plump.  Oder? immerhin gibt es in Europa 19 Arten, und -zig Hybride davon. Wahrscheinlich können die nicht einmal Professoren der Galanthologie richtig auseinander halten.  Unsere gesuchte Schönheit sieht hingegen beim ersten Hinsehen wie eine Anemone aus – aber dann sind wir in einer Nachbargattung gelandet. Die Familie ist aber in Ordnung.  Ob man die Blüten wohl essen kann?  Oder irgendwas anderes davon? Glücherweise isst ein Bauer bekanntlich nicht, was er nicht genau kennt. Das könnte ihm möglicherweise das Leben  gerettet haben. Denn die in der Pflanze enthaltenen Substanzen können, richtig dosiert, das Herz langsamer schlagen lassen – bis zum Stillstand. Die Natur ist eigentlich ganz schön gefährlich. Da sollte  man seine Kinder nicht hineinlassen.

Unsere Fragen:

1. Name, Vorname?

2. Welchen Fehler hat das Bild?

3. Was schlummern ist in der Pflanze an tödlichen Giften?

 

 

Print Friendly, PDF & Email
3 Kommentare

Kommentar schreiben