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Schlafes Schwester

Einigen klugen Menschen ist es schon aufgefallen: Die Pflanze der Woche ist ohne künstliche Intelligenz nicht denkbar. Hier sehen wir den berühmten, vielen heute noch bekannten Botaniker und Arzt der Renaissancezeit, wie er am Fenster in seiner Heimatstadt Bergzabern sitzt und die Beschreibung einer Pflanze diktiert, die er für den Druck des „Neuw Kreuterbuch“ vorbereitet. (Hier kann man darin blättern: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11200333?page=,1), aber bitte vorsichtig und nur mit sauberen Fingern umblättern. Mit seiner Beschreibung haben wir eine KI-Maschine gefüttert, auch die Originalzeichnung haben wir der KI zur Orientierung vorgelegt.

Der „Prompt“, also der Eingabebefehl, lautete, ganz genau nach der Beschreibung des alten Botanikers: „The plant of the week has a long round root, fingers thick, of white and fragrant color. The leaves are similar to the leaves of the spleenwort, but a little broader, pointed, and longer. The stalk grows a little higher and higher. On the upper part of the stem, as well as on the side branches, it produces many beautiful flowers at the end of the fall month, umbel white, of beautiful colors, light, red, assembled in long clusters, that bloom almost all summer long. It is a wild plant and is only planted in our pleasure gardens, watered diligently.”

Links im Bild sehen wir das Ergebnis. Es ist nicht ganz exakt, aber der Holzschnitt in der Ausgabe von 1588 ist nicht besser und vor allem nur in Schwarz-Weiß. Die Blütenfarbe ist aber schon gut getroffen. Die Blätter passen auch nicht so ganz, im Original sitzen sie nämlich strikt kreuzweise gegenständig am Stängel.

Über die pharmakologische Wirkung der Pflanze schreibt er wenig, denn: er wisse darum nicht viel. Eine botanisch recht eng verwandte, weißblühende Schwesterpflanze wurde in der Antike als Duftmittel verwendet, im Mittelalter dann als Heilmittel gegen Seitenstechen und entzündete Augen. Das ist eigentlich erstaunlich, denn heute wird sie vor allem bei Nervenleiden und Schlafstörungen verwendet. In der Wurzel der weißblühenden Pflanze fand man eine große Zahl von Inhaltsstoffen, denen man eine beruhigende Wirkung zuschreiben kann. In unserer roten Schwesterpflanze fand man einige der Wirkstoffe in noch höherer Konzentration, und es erschien sehr vorteilhaft, dass hier keine „übelriechenden“ Substanzen enthalten waren, die wenig menschliche Begeisterung hervorriefen (kätzische aber schon).

1954 brachte die Firma Madaus das pflanzliche Beruhigungsmittel „Biral“ heraus. Es enthielt auch den Extrakt unserer gesuchten, rot blühenden Pflanze. Heute gibt es dieses Mittel immer noch, allerdings nicht mehr mit den Extrakten unserer gesuchten Pflanze. Denn es hatte sich herausgestellt, dass die beruhigende Wirkstoffgruppe Krebs auslösen kann, was dann eine eher beunruhigende Wirkung in der Fachwelt entfaltete.

Das Wesentliche über Vorkommen und Nutzung der Pflanze, die wir heute in vielen Gärten sehen können (sie blühen gerade sehr prächtig), schrieb Linne wie folgt: „Diese Pflanze wächst in Frankreich, Italien und der Schweiz, auch in der Levante an steinigen, unbebauten Orten und auf dem Schutt von alten Gebäuden wild; und wird auch sonst zur Zierde in den Gärten gezogen.“

So, lange Rede, kurzer Sinn:

  • Von welcher Pflanze ist hier die Rede?
  • Welches sind die problematischen Inhaltsstoffe?
  • Und von welchem Botaniker war hier die Rede?
  • Es gab damals viele „Neue Kreuterbücher“. Das älteste der Neuen hatte schon sein Lehrer verfasst. Welches?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche: (Ein königliches Pflanzenspiel): Guter Heinrich, Chenopodium bonus-henricus

Das Drumherum (die Geschichte von Heinrich am Vogelherd) hatte unser User Rati schnell geklärt, aber bei der Pflanze gab es Stolperfallen. Wir suchten den Guten Heinrich. Der „Gute Heinrich“ (Chenopodium bonus-henricus) ist eine mehrjährige Pflanze aus der Familie der Fuchsschwanzgewächse. Sie wächst 30-100 cm hoch und hat dreieckige, grüne Blätter, die mehlig behaart sein können. Die kleinen, grünlich-gelben Blüten stehen in dichten Ähren, die Früchte sind kleine, schwarze Samen.

Historisch war der Gute Heinrich ein nicht unbedeutendes Nahrungsmittel. Der Name stammt vermutlich vom althochdeutschen „Heimrich“ ab, was „Hausmeister“ bedeutet, und „gut“ bezieht sich auf die positiven Eigenschaften der Pflanze. Der Gute Heinrich kommt ursprünglich aus Europa und Westasien, ist heute in ganz Europa verbreitet und wächst auf nährstoffreichen, feuchten Böden, oft an Wegrändern und in Gärten, bis zu 2000 Meter hoch. In einigen Gegenden Deutschlands gilt er allerdings als vom Aussterben bedroht.

Kulinarisch werden die Blätter und jungen Triebe wie Spinat verwendet, auch die Blütenstände sind essbar. Die eiweißreiche Pflanze wird gedünstet, ältere Exemplare auch schon einmal einige Minuten richtig gekocht. Dabei empfiehlt sich ein Trick: Durch Zugabe von etwas Natron kann man sowohl die Bitterstoffe entfernen als auch dafür sorgen, dass die Blätter grün bleiben. Bei dem leicht erhöhten pH-Wert bleibt nämlich das Magnesium im Chlorophyll erhalten und damit die Farbe stabil. Anrichten sollte man dann mit etwas Zitronensaft. Schmeckt übrigens auch kalt mit etwas Olivenöl serviert. Medizinisch wurden die Blätter traditionell bei Hauterkrankungen, zur Verdauungsförderung und Immunsystemstärkung genutzt.

Alle seit 2016 vergangenen Wochenpflanzen findet Ihr hier im Archiv.

2 comments on “Schlafes Schwester”

  1. – ein Baldrian, bloß welcher? Vielleicht die Rote Spornblume?
    – Alkaloide
    – Jakob Dietrich (Tabernaemontanus)
    – New Kreütter Bůch von underscheydt, würckung und namen der kreütter so in Teütschen landen wachsen. von Hieronimus Bock

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