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Rote Hühnerknochen und geronnene Milch

Pflanze der Woche, 7.-13. April 2025


Dies ist die erste Pflanze der Woche, die ich, Nicole Nixdorf (genannt Nixi), alleine schreibe. Heino musste kurzum Elfriede bei ihrem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung helfen, er hatte also das Wochenende keine Zeit. So durfte ich die Wochenend-Pflanzenschicht übernehmen. Allerdings hatte er mir am Freitagabend noch eine Pflanze aus dem Garten mitgebracht, ein Teilstück, das er wohl mit dem Spaten abgestochen hatte. „Gallium divisa est in partes tres“, mit diesen Worten überreichte er mir das Stück. Ich starrte auf die Pflanze in meiner Hand. Ihre Blätter standen quirlig um den Stängel – fast wie bei Waldmeister. Heino hatte sie mir in einem Beutel überreicht, mit triumphierendem Grinsen und den Worten: „Deine Rätselaufgabe!“ Dann war er die Treppe hinuntergepoltert.

Und als wäre das nicht genug gewesen, hatte er noch über die Schulter gerufen: „Wir sehen uns doch Sonntagabend, oder?“
Sonntagabend? Ich runzelte die Stirn. Hatten wir irgendetwas ausgemacht? Nein, ich war mir sicher, dass ich nur zugestimmt hatte, seine Pflanze anzusehen, einen Entwurf auszuarbeiten, und wir würden uns dann – ganz dienstlich – am Montag im Büro in der Redaktion sehen. Mehr nicht.
Er wurde mir langsam zu anhänglich. Sein Verhalten hatte etwas Klettiges, Klettenartiges, als würde er sich an mich heften und nicht mehr loslassen. Ja, irgendwie mochte ich ihn, aber ich hielt mich für intellektuell überlegen, und das Ungleichgewicht störte mich. Trotzdem musste ich zugeben, dass mich seine Hartnäckigkeit amüsierte.

Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich auf das, was wirklich zählte: die Pflanze. Sie sah tatsächlich aus wie eine Verwandte des Waldmeisters – eine Familie, zu der auch Kaffee gehörte? Ich durchsuchte ein paar alte Bücher und fand schließlich Berichte über Bauern, deren Hühner rote Knochen bekommen hatten, nachdem sie diese Pflanze gefressen hatten. Was steckte dahinter?
Dann erinnerte ich mich an meinen Textilfärbekurs. Ich schnitt ein Stück der Wurzel ab und testete es mit etwas Wollfasern, Wasser und einem Spritzer Flüssigkeit aus meinem Deoroller – über Nacht entstand ein blasses Orangerot. Interessant. Aber warum färbte die Wurzel überhaupt orange?

Neugierig wagte ich ein weiteres Experiment. Ich zerdrückte einige Stängel der Pflanze und gab sie in einen halben Liter Milch. Das Glas stellte ich auf die Heizung, wo das Thermometer etwa 30 Grad anzeigte. Am nächsten Morgen war die Milch fest geworden – aber nicht sauer. Hatte ich gerade zufällig Frischkäse hergestellt?
Ich presste die Masse durch ein Tuch und kostete vorsichtig. Die weiße, quarkähnliche Substanz schmeckte leicht bitter, aber nicht unangenehm. Damit konnte ich etwas anfangen. Spaghetti mit „Ricotta“ und Bärlauch – das klang nach einem Plan.
Und dann, vielleicht aus einer Laune heraus, schrieb ich Heino doch noch eine Nachricht: „Hast du Hunger? Ich hätte da was ausprobiert…“

Ich blätterte weiter in den Büchern und stieß auf einen spannenden Hinweis: Früher hatte man aus den Samen der Pflanze eine Art Kaffeeersatz gebraut. „Tüngel-Kaffee“ – was für ein merkwürdiger Name. Ich musste unbedingt herausfinden, ob das stimmte.
Während ich noch über meine Experimente nachdachte, ertappte ich mich dabei, dass mir Heino wieder durch den Kopf ging. Verdammt. Ich musste ihm davon erzählen – aber eines war klar: Er würde sich keine Hoffnungen machen. Mich konnte er nicht „dicklegen“. Oder? Was bedeutete das eigentlich genau? Ich hatte den Ausdruck schon oft gehört, meist in Gesprächen über Männer, die sich etwas zu viel herausnahmen. Oder über irgendetwas Käse redeten. War es ein Synonym für Einwickeln, für Überrumpeln? Oder steckte mehr dahinter?

Aber eines ist klar: Heino musste sich schon ein bisschen mehr ins Zeug legen, wenn er bei mir eine Chance haben wollte. Jetzt sitze ich hier und warte auf ihn. Es ist Sonntagabend, eigentlich müsste er längst hier sein, sonst kam er gerne etwas früher. Nun, schauen wir mal. Und hier schon mal die Fragen an euch. Es sind viele geworden. Könnt ja schon mal dran knobeln, während ich hier mit der vegetarischen Frischkäsepasta auf Heino warte (ob ihm etwas passiert ist?).

Fragen für euch:

  • Um welche Pflanze handelt es sich?
  • Woher stammt ihr Name?
  • Warum bekamen Hühner rote Knochen?
  • Warum färbte die Wurzel orange?
  • Was war im Deoroller?
  • Warum wurde die Milch fest?
  • Was ist Tüngel-Kaffee?
  • Und was heißt hier „vegetarischer“ Käse? Ist Käse nicht immer vegetarisch?
  • Was bedeutet eigentlich „dicklegen“?
  • Muss es nicht heißen „Gallia divisa est?“ Oder hat das gar nichts mit französischem Käse zu tun?

Auflösung der letzen Pflanze der Woche („Kohldampf“): Gemeiner Rainkohl, Lapsana communis

„Gemeiner Rainkohl (Lapsana communis) würde ich sagen. Ist die einzige Art der Pflanzengattung Lapsana innerhalb der Familie der Korbblütler. Korbblütengewächsarten enthalten Milchsaft. Dyrrachium liegt im heutigen Albanien, heute ist die Stadt als Durrës benannt.“ Schrieb Gork vom Ork. Und lag damit genau richtig.

Der Rainkohl (Lapsana communis) ist eine heimische Pflanze aus der Familie der Korbblütler, die oft an Wegrändern und in städtischen Gebieten zu finden ist. Ursprünglich in Europa und Asien beheimatet, wurde die Pflanze aufgrund ihrer heilenden Eigenschaften im Mittelalter in vielen Kräutergärten kultiviert. Besonders geschätzt wurde sie wegen ihrer entzündungshemmenden und schmerzlindernden Wirkung. In der traditionellen Medizin wurde der Rauinkohl verwendet, um Wunden zu heilen und Magen-Darm-Beschwerden zu lindern. Heute ist er vor allem als Wildpflanze bekannt, die in der Naturheilkunde und der modernen Phytotherapie noch Anwendung findet. Er wurde nicht nur im Mittelalter, sondern auch schon im alten Rom als Nahrungspflanze genutzt. Es gibt Hinweise darauf, dass er dort als „Hungerpflanze“ diente. Der Ausspruch „Lapsana vivere“, was so viel wie „von Rainkohl leben“ bedeutet, verdeutlicht, wie sehr diese Pflanze mit karger Kost und Mangelernährung in Verbindung stand. Das Sprichwort hatte jedoch eine negative Konnotation und wurde verwendet, wenn man nicht viel zu essen hatte, was darauf hindeutet, dass der Rauinkohl eher eine Notnahrung der Armen oder eine Speise in Hungerszeiten war. Interessanterweise war den lateinischen Übersetzern nicht ganz klar, was „lapsana“ genau bezeichnete. Manche nahmen an, es handele sich um eine Art Ackersenf, während andere den Rauinkohl, der eigentlich gar kein Senf ist, in Betracht zogen.

Alle weiteren, vergangenen (und teils schon kompostierten) Pflanzen der Woche findet Ihr hier unter diesem Link. Alle seit 2016.

2 comments on “Rote Hühnerknochen und geronnene Milch”

  1. Gimmre dr nich um Ladein, Nixi, bleiwe im Lande un bei unsrer Schbrache in Halle, diede so scheen is. Der Lumich will dr „off ewich Liewe schwern“, wie de Männer so sinn, weeßte! Awwer der hat sich selwer verratn, nee, so bleede awwer ooch- da hat der dir
    K L E B K R A U T in de Dalbschen jejehm! Verschehste? Du sollst dem offeen L E I M
    jehn-jewarnt hawwich dr nuh, heere off mich— un der hilft jezz Elfrieden bein Umzuch,
    weile se vrlassen hat!
    Das Flanzenjelumbe heeßt ooch Kletten- Labkraut. Ooch so e Name, derde alles sacht. Der werd an dir häng‘ wie eene Klette un will sich nur an dir lahm (laben off hochdeitsch).
    Maches jut, Kleene!

  2. Na, ob man sich da dran laben kann, oder alles nur Gelaber wird, und dann hinterher, nachdem er sie vielleicht doch „dickgelegt“ hat, sie ein bißchen labberig wird, wer weiß das schön. Aber sachema , Elfriede, was ist denn ein „Lumich“?

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