Rattengift gegen Liebeskummer

27. November 2017 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Da hat Gregor Bauer nach 43 Jahren wilder, nun auslaufender Ehe doch ganz schön zu schlucken. Er hatte es bereits mit verdünntem Gin probiert, richtig gut ist ihm das aber nicht bekommen, macht einfach nur Kopfschmerzen am nächsten Tag.

Also recherchiert er im Internet…. Liebeskummer… Eine enorme Anzahl an Antworten, also beinahe ein Googol, erhält er. Was soll ihm nun helfen? Sein Kummer ist tief. Rational wie er ist, geht er bei der Suche wissenschaftlich vor, landet rasch beim Kübler-Ross-Modell:

https://youtu.be/G_Z3lmidmrY

Verzweifelt wird ihm klar, dass sich dieser Kummer wohl länger hinziehen wird. Wie lange kann es dauern, kann man das nicht berechnen? Auch hier liefert das Internet wieder Hinweise:

Georg wird es nochmal anders, als er sein Rechenergebnis sieht…. Nun weiß er also, was ihn wie lange erwartet. Wie soll er das überstehen, wo kann er sich Hilfe holen? „Gutes für sich selbst tun“, „kein Alkohol ist auch keine Lösung“, „finde Dich großartig!“, „ruf sie bloß nicht an“, „Sport macht glücklich“ – diese Tipps klingen schon etwas abgedroschen, das hilft ihm momentan nun wirklich nicht weiter. Zum Arzt gehen, kann der helfen? Nein, mittels Psychopharmaka will er sich genauso wenig benebeln lassen wie durch Alkohol. Auch Johanniskraut zur Stimmungsaufhellung birgt so seine Risiken, klärt ihn der Arzt auf. Da bleiben nur „schwächere Geschosse“…. Diese hier:

Diese komischen Teile werden gesucht. Und die Pflanze, die sie liefert.

 

 

 

 

Ja, das klingt vernünftig, selbst für unseren nüchternen, realistischen Georg: Diese Pflanze soll ihm helfen. Wiederum beginnt er zu recherchieren, findet teilweise ernüchternde Angaben: Rattengift! Nein, vergiften will er sich nun auch nicht. Das ist sie nicht wert, die Alte! Also Vorsicht, auf die Dosis achten. In der richtigen Dosierung wagt er sich nun ran an die Pflanzenteile, die ihn heilen sollen. (Sie sind für Schnecken übrigens ungiftig.) Täglich ein bisschen mehr. Die Zeit vergeht, mit vielen Auf und Ab…. Doch von Woche zu Woche wird es erträglicher. Dank vieler Gespräche mit guten Freunden, zahlreicher Wutanfälle, auch mal Tränen – und dank seiner südostasiatischen Wunderpflanze. Langsam setzt deren Wirkung ein. Georg gelingt es, pragmatisch auf die Jahre zurückzublicken: War das alles wirklich so gut mit ihr? Er beginnt, bittersüß zu lächeln… Alles passiert aus gutem Grund!

Unsere Fragen der Woche:

Welche Pflanze, deren deutscher Name im Übrigen irreführend ist, wird hier gesucht?

In welcher Form muss Georg sie verabreichen, um Hilfe bei Liebeskummer erwarten zu können?

Welche Pflanzenteile sind hier abgebildet, und wie ist die deutsche Trivialbezeichnung dafür?

Welchen Namen trägt das Gift, das Ratten töten kann?

(A.S.)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Hans im Pech – wenn in der Küche mal wieder alles schief läuft“): Die Quitte (cydonia oblonga)

Der Quittenbaum (cydonia oblonga) war die Pflanze der letzten Woche

 

Unsere Leser waren unserm unglücklichen Hans schnell mit Rat und Tat zur Seite gesprungen. Natürlich ging es um Quitten, ein inzwischen in den Obstplantagen und Gärten selten gewordenes Obst. Der Baum gehört, wie Äpfel und Birnen, zu den Kernobstgewächsen. Er stammt aus Zentralasien, Kulturformen sind aber schon aus der Zeit um 2000 v. Ch. aus Persien, Syrien und der heutigen Türkei bekannt. In Griechenland tauchte sie um 600 v. Ch. auf, als „Melon Kydonion“, Apfel aus Kydon, was sich auf eine Stadt in Kreta bezog, von wo die Quitte aber keinesfalls her stammt. In „Kydon“ dürfte sich eher ein fermdsprachliches Wort aus derHerkunftsregion versteckt haben.  Die Griechen nannten die Frucht auch „Melimelon“, was soviel bedeutet wie „Honigapfel“.  Da Quitten selbst eigentlich nicht besonders süß schmecken, jedenfalls eher weniger süß als Äpfel, könnte das auf eine Zubereitungsart hindeuten, die auch heute noch in Griechenland und der Türkei üblich ist. Quittenstücke werden mit siedendem Sirup aufgegossen, ziehen gelassen und so kandiert. „Glyko Koutaliou Kydonia“ ist eine der beliebten, krachesüßen Leckereien vom Löffel, wie sie bevorzugt vor allem von älteren Damen  zur Kaffeezeit mit einem Glas Wasser genossen werden (Glyko tou koutaliou, Löffelsüßigkeit ). Rezeptbeispiel.

(Und hier die türkische Variante, Ayva Tatlisi, ist aber eher eine Art Kompott, serviert mit Pistaziengrieß und Sahne)

Die Melimelon wanderte durch halb Europa, die Portugiesen übernahmen den griechischen Ausdruck, verballhornten ihn etwas, woraus das portugiesische „Marmelo“ entstand. Und natürlich, Ihr braucht nicht zu raten: aus „Marmelo“ wurde Marmelade.

 

Das antike „Melimelon“: Glyko Koutaliou Kidonia, Quitte als Löffelsüße zubereitet.

Dass man Quittensaft, oder -mus, wenn er lange genug gekocht wird, mit Zucker (oder Honig) versetzt, geliert, wird man früh bemerkt haben. Dafür ist der hohe Gehalt an Pektinen, einer Gruppe langkettigen Mehrfachzucker, verantwortlich. Sie sorgen dafür, dass die rohe Quitee (und besonders das Kerngehäuse) fest bleibt. Das soll die noch unreifen Früchte vor Tierfraß schützen. Erst im vollreifen Zustand wird das Pektin abgebaut, die Frucht wird süßer, und weicher. Denn jett sollen tiere ja die Frucht fressen – und die Samen über den Hinterausgang verbreiten. Das ist bei vielen Früchten so, bei Quitten und Äpfeln aber besonders ausgeprägt.

„Opekta“ macht Hausfrauen glücklich

Während die Herstellung wirklich gelierender Marmeladen und Gelees einst eine Kunst war, und sehr viel mit Glück zu tun hatte, ist das heutzutage einfacher geworden. Genau gesagt, seit in Köln die Firma „Opekta“ entstand, die aus unreifen Äpfeln gewonnenes, konzentriertes Pektin verkaufte (Opekta= „Obst-Pektin aus Apfel“). Die vielen Werbeanzeigen jener Zeit verdeutlichen den triumphalen Erfolg dieses Wundermittels. Nun konnte man aus nahezu allen Früchten Marmeladen kochen – die heutige Vielfalt an komischen  Obstkombinationen (Rhabarber-Banane usw.) wäre ohne „Opekta“ nicht möglich gewesen. Urgroßmutters Marmeladen, also vor der zeit von „Opekta“, würde wahrscheinlich heute niemand essen wollen: stundenlang musste das Obt mit viel Zucker gekocht werden, bis alles überschüssige Wasser verdampft war: Eine garantiert vitaminfreie, dunkle Wagenschiere. Ausnahme: Apfel, Quitte und Zitrusfrüchte mit Schalen (die Schalen sind pektinreich).

Marmelade und Brexit

Daher wird im angelsächsischen unter „Marmelade“ nur Orangengelee mit Früchten verstanden, alles andere ist „Jam“. Und in Deutschland? Bis zum Erlass der „Konfitürenverordnung“ 1982, die in Verordnung 79/693/EWG (Neufassung durch 2001/113/EG) konkretisiert wurde, durfte alles als Marmelade bezeiczhnet werden, was mit Zucker aus gekochten Früchten hergestellt wurde, wobei Fruchtstücke erkennbar bleiben mussten. Ohne Fruchtstücke nannte man es Gelee. Heute darf  der Marmeladenbegriff nur noch, im britischen Sinne, auf Produkte aus Zitrusfrüchten beziehen.  Wie sich der Brexit zukünftig auf den Marmeladenbegriff auswirkt, bleibt abzuwarten.

Weitere Quittenprodukte

Zurück zu den Quitten: sie dürfen nicht ganz reif sein, wenn man ohne zusätzliches Pektin Gelees oder Marmeladen herstellen will.  Wichtig ist auch, dass man zur Aufbereitung die Quitten samt Kerngehäuse schnetzelt, lange kocht, damit das Pektin in Lösung geht. Das übrige Prozedere ist bekannt. Wichtig ist außerdem: Pektin geliert erst, wenn der pH-Wert niedrig ist, die Lösung also sauer genug ist. Wenig sauren Frucktsäften wird oft Zitronensäure als Geliermittel zugesetzt. Noch eine Süßigkeit aus Quitte sei verraten: „Quittenbrot“. Es ist gewissermaßen ein „Koppelprodukt“ der Geleeherstellung. Der Trester, den man Auspressen des Saftes erhält, wird, nach Entfernen der Kerne, mit viel Zucker vermengt , auf ein Blech gestrichen und im Ofen mehrere Tage lang bei gelinder Temperatur getrocknet. Das Ergebnis ist eine süße, hocharomatische, rötliche, gummiartige Masse.

Wer nicht auf „Süßes“ steht, kann Quitten anderweitig in der Küche veredeln. Aus der osmanischen Palastküche stammen Rezepte, bei denen Fleisch zusammen mit gebratenen Quitten serviert wird. Rezepte findet man im Netz. Ein recht Authentisches und Empfehlenswertes findet man beispielsweise hier.  Und wer Kalb nicht mag, sollte es einmal mit Schweinefilet versuchen.

H.

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