Pythagoras lehnte sie ab, die Erfurter lieben sie.

14. Februar 2022 | Bild der Woche | 5 Kommentare

Pythagoras und seine Schüler haben mehr Dogmen in die Welt gesetzt, als nur dieses eine zu den Seitenverhältnissen eines Dreiecks, das man gemeinhin in der Schule lernt.

Sondern unter Anderem auch:  keinesfalls dürfe ein echter Pythagoräer von dem Samen einer gewissen Pflanze essen. Und das, obwohl die Schüler des Dreiecksphilosophen fast alle Veganer waren. Eine Begründung für dieses merkwürdige Nahrungsmittel-Tabu ist im Laufe der langen griechischen Philosophiegeschichte verloren gegangen.  Manche Wissenschaftler denken, es habe mit einer am Mittelmeer relativ häufigen Stoffwechselkrankheit zu tun. Den betroffenen Menschen fehlt ein Enzym. Die Folge ist, dass die Einnahme bestimmter Nahrungsmittel bei ihnen in seltenen Fällen zu einer lebensbedrohlichen hämolytischen Anämie führen kann. Dieser Enzymmangel  geht aber andererseits mit einer erhöhten Malariaresistenz einher, weshalb die resultierende Lebensmittelunverträglichkeit  in Nordeuropa seltener ist als im Süden.

Dennoch stammt die alte Kulturpflanze aus dem südöstlichen Mittelmeerraum. Sie wurde so früh von den Menschen in Pflege genommen, dass man ihre Wildform nicht mehr kennt.

Irgendwo in Saudi-Arabien sitzt Ahmed al Faba an einem Abend im Lokal vor dem Fernseher. Er sieht leidenschaftlich gerne Frauenfußball, seit dieser Sport im Jahre 2006 erlaubt wurde, und 2008 sogar die erste Landesmeisterschaft ausgetragen wurde.  Ahmed brüllt fast den Fernseher zusammen, wenn er Regelverletzungen feststellt: „Foul, Medames !“. Irgendwann kommt der Kellner und stellt ihm einen Teller Suppe hin.

In einer Kleingartensiedlung bei Erfurt streicht die eisige Februarsonne über die Parzelle von Viki Puff. Lehmig-fett klebt der schwarze, nasse, fruchtbare Gartenboden an den Stiefeln, eine handbreit tiefer ist der Boden noch gefroren. Genau die Tiefe, in die die alte Dame jetzt die Daumennagel großen, dicken Samen legt. Immer  um diese frühe Jahreszeit,  denn die Mittelmeerpflanze verträgt, wenn sie noch jung ist, durchaus mal einige Minusgrade. Im Mittelalter sicherte die Feldfrucht die Proteinversorgung breiter Bevölkerungsschichten, und den Erfurtern ist sie bis heute geradezu heilig. Eine dortige Spezialität ist ein daraus zubereiteter Salat. In anderen Regionen Deutschlands liebt man sie lieber heiß und deftig – beispielsweise mit ordentlich Speck in einer sahnigen Soße.

Euch läuft schon das Wasser im Munde zusammen? Oder gehört Ihr zu denen, die diese Gerichte ablehnen?
Aber Ihr wisst natürlich auch, um welche Pflanze es sich handelt. Deshalb gleich auch noch mehr Fragen:
– Was brüllt Ahmed da vorm Fernseher?
– Wie heißt diese Enzym-Mangelkrankheit?

(HW)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Fliegen- und Hustenkiller): rundblättriger Sonnentau, Drosera rotundifolia

Gesucht war der Sonnentau, wie Elfriede rasch wusste. Nur welcher? Gemeint war der Rundblättrige Sonnentau Drosera rotundifolia. Der kommt bei uns in Mooren vor. Es gibt noch den Mittleren Sonnentau Drosera Intermedia und den Langblättrigen Sonnentau Drosera anglica. Durch Trockenlegung von Moorgebieten und Torfabbau ist der fleischfressende Sonnentau selten geworden. 1992 war er deshalb zur Pflanze des Jahres gekürt worden. Der Klebstoff in den tauartigen Tropfen der Tentakeln interessiert z.B. Mediziner, die hoffen, einen hochwertigen, biokompatiblen Gewebekleber nachbauen zu können.

(Hans Ferenz)

Noch mehr Pflanzen der Woche gibt es in unserem Archiv – alle Pflanzen der Woche seit Juni 2016.

 

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