Prügelei unter Südländern: diskutierst du noch, oder überzeugst du schon?

4. September 2017 | Bild der Woche | 7 Kommentare

Das phytographische Sonderkommissariat fahndet dieses mal nach der Herkunft dieses „Kloppstocks“

Das war eine der gelungenen Guerilla-Werbungen:  einen „Buchenholzstab unbehandelt“ im Stile der Ikea-Produktwerbung als „Kloppe – Meinungsverstärker“ anzubieten.  Ich bleibe aber trotzdem dabei: Gewalt als Mittel gesellschaftlicher Auseinandersetzung ist nicht lustig, gehört nicht in die Mitte unserer Gesellschaft. Deshalb war ich auch richtig entsetzt, liebe Pflanzenfreunde, als ich neulich Zeuge einer heftigen Auseinandersetzung zwischen zwei Jugendlichen- auch was – Kindern! werden musste, die sich mit derartigen „Stöckern“ gegenseitig massiv auf den Schädel schlugen. Es krachte heftig, als sie sich die dicken Prügelteile über den Kopf zogen, die dann splitterten und deren Trümmer in alle Richtungen flogen. Dabei lachten sie auch noch, offenbar ist die Verrohung der Jugend bereits derart weit fortgeschritten, dass die Grenzen zwischen Schmerz und Freude zu verschwimmen drohen. Danke, Frau Merkel ! Eines der Tatwerkzeuge habe ich gleich eingezogen und im HalleSpektrum-Untersuchungslabor den Experten vorgelegt. Was auch mich sofort überraschte, war die enorme Leichtigkeit des Tatwerkzeugs bei gleichzeitiger Festigkeit des Materials. Wie mir die Expertenrunde dann mitteilte, scheinen tätliche Auseinandersetzung in dem Kulturkreis, dem diese „Kinder“ angehören, wohl eine längere, sogar jahrtausende alte  Tradition haben (Das südländische Aussehen dürfte ja unverkennbar sein, das wird man  ja wohl noch schreiben dürfen).  Die Fachleute teilten mir ferner mit, dass diese Prügelstöcke von einer gewissen Gruppe, sagen wir ruhig, religiösen Sekte, gewissermaßen als Auszeichnung und Erkennungsmerkmal betrachtet wurde. Deren geistiger Führer, der von seinen Anhängern geradezu göttlich verehrte wurde, soll nicht nur den Konsum berauschender Getränke propagiert haben, und zwar solcher, die bekanntlich alle Hemmschwellen sinken lasen, und zwar nicht nur zur Gewalt, sondern auch, na, sie wissen schon. Die Stöcke, von von einer dieser Sekte geradezu heiligen Pflanze bezogen wurden,  sollen auch als Tatwerkzeug des Schmuggels einer technologischen Errungenschaft gedient haben, einer solchen, die eigentlich unter  strengster Ausfuhrkontrolle der betrogenen, höher entwickelten Mächte stand. Mittels dieser „Sticks“ wurde gewissermaßen eine Art Atomsperrvertrag unterlaufen. Dem namentlich überlieferte Dieb, behaupteten damals seine Anhänger,  sei es ja nur um die friedliche Nutzung der entfesselten Energie zum Segen der Menschheit gegangen. Die negativen Folgen dieses „Leaks“, liebe Leser, kennen wir alle.

Es mag  da nur wenig beruhigen, dass sogar das geistige Oberhaupt einer westlich-abendländischen Religionsgemeinschaft dieses Prügelinstrument als Machtinsignium führt.

Ich frage nun in die aufgeklärte Runde:

-Von welcher Pflanze stammen diese leichten, faserverstärkten Prügelstöcke?

-Wer kann Hinweise geben auf die Drogensekte, die sich dieser hohlen Schlagstöcke bediente (einige aus diesem „Kulturkreis“ bauten sogar Möbel daraus, oder benutzten sie als Krücken).

-Wie nannte man die Kultprügel?

-Welche Technologie wurde, wenn man älteren Berichten glauben schenken mag, damit gestohlen?

-Welches geistige Oberhaupt schmückt sich damit heute noch symbolisch?

(H.W.)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Jede Blume eine Braut“). Die blaue Blume der Romantik, oder: Der Sehnsucht auf der Spur

In der Romantik schuf der Dichter Novalis (Friedrich von Hardenberg) mit seinem (aufgrund seines frühen Todes) unvollendeten Roman „Heinrich von Ofterdingen“ im Jahre 1802 das Sinnbild der Romantik: Seinem Romanhelden erscheint im Gespräch, dann im Traume eine blaue Blume. Auf seiner Suche nach dieser Blume erfährt er im Zuge von Lebens- und Liebeserfahrungen seine innere Reifung, erkennt sich schließlich selbst. Die blaue Blume symbolisiert das Streben: Über die Erkenntnis der Natur (- dazu muss man alle  Erscheinungsformen der Liebe durchleben) gelangen wir aufgrund der Analogie zur Erkenntnis unseres Selbst.
Während unterschiedliche Pflanzen als Vorbild für die traumhafte Blume des Romans diskutiert werden, kann man zumindest ausschließen, dass es unsere Wochenpflanze sein sollte. Richtig, Lou, gesucht war Männertreu, die blaue Lobelie (Lobelia erinus). Diese Blume aus dem südlichen Afrika ist bei uns ein beliebter und langblühender Gartenschmuck aus der Familie der Campanulaceen. Die blaue Lobelie vermag uns wie andere (z.B. Wegwarte) seither an die Romantik, an die Sehnsucht und Liebe und das Streben nach dem Unendlichen erinnern. Es geht auch weniger gefühlvoll: Von Studenten in Berlin wurde der Blume Gewalt angedroht, im Zuge der 1968er-Bewegung skandierten sie: „Schlagt die Germanistik tot, färbt die blaue Blume rot!“.

Sehnsucht nach dem Sommer? Langsam verblüht die blaue Lobelie, der Herbst zieht ein.

Romantische Naturphilosophie

Novalis hatte seinerzeit eine altdeutsche Sage über die blaue Wunderblume aufgegriffen, ein von vielen ersehntes, schwer zu erreichendes Motiv. Zusätzlich verarbeitete er in dem Roman seine persönliche blaue Blume, die auf einem Gemälde eines Studienfreundes in Form vertrockneter Kornblumen zu sehen ist. Dieses Geschenk sollte dem 23-jährigen Novalis zum Troste nach dem frühen Tod seiner inoffiziell Verlobten, der dreizehnjährigen Sophie, verhelfen. In seinem Romanauszug erscheint das Gesicht der Verlobten in der traumhaften Blume, das Menschliche wird mit der Natur verbunden.

Sie war gesucht: Lobelia erinus.

Das Schlussfolgern von Analogien zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Objekt- und Geisteswelt, zwischen Mensch und Natur ist das Herzstück der romantischen Naturphilosophie. Goethe, Herder, wohl auch August von Einsiedel lieferten dabei Grundlagen für Schellings naturphilosophische Schriften. Johann Gottfried Herder erkennt: „Jede Blume, die sich aufschließt, ist eine Braut“, vergleicht menschliche und pflanzliche Fortpflanzung und Liebe.

Der Watzmann von Caspar David Friedrich, dem bedeutendsten deutschen Frühromantiker. (c) Wikimedia Commons.

„Der leere Wunsch, die Zeit zwischen dem Begehren und dem Erwerben des Begehrten vernichten zu können, ist Sehnsucht.“ (Immanuel Kant)

Symbol der Sehnsucht

Seit der Romantik ist die blaue Blume auch das Sinnbild für ein sehr ambivalentes Gefühl: die Sehnsucht. Dieses intensiv gefühlte, innere Verlangen und Ziehen, das nur Erwachsene kennen. Ursache und Sinnhaftigkeit der Sehnsucht sind wenig erforscht (- rein wissenschaftlich; lebenspraktisch wohl von jedem?). Wenn wir mit Unerreichbarem leben müssen, hilft uns die Sehnsucht dabei. Wenn wir unsere Sehnsüchte nutzen, um etwas zu erreichen – nicht materielle Ziele, sondern Lebensentwürfe – beeinflussen sie unser ganzes Leben. Die Sehnsucht bringt das Innere in Bewegung, sie stachelt uns an zu Taten und wird so zu einem Gefühl, das uns weiterträgt, Veränderung bewirkt.
Die sehnende Suche nach dem perfekten Partner, einem Kind, einer anderen Art zu leben… oder eben nach der unerreichbaren blauen Blume des Novalis – diese Suche kann zum brennenden Wunsch werden, der uns arg schmerzt. Sehnsucht ist also immer ein bitter-süßes Gefühl, ein Gefühl mit zwei Komponenten: Wenn man es schafft, sich vor dem Bitterem, dem Unerreichbaren, innerlich zu distanzieren, ist man bereit, die süße Komponente zu erspüren, das Gefühl des Sehnens also auskosten. Das scheint ein guter Ratschlag zu sein – aber wer verfügt schon über solch mentale Stärke, zu denken „Ich will Dich, ich weiß, dass ich Dich nicht bekomme – und genieße mein Sehnen“? Sehn-Suche: Die bessere Welt, die wahre Liebe…
Der sehnende Mensch lebt „strebend, nach vorne denkend, das Vergangene nutzend, die Zukunft erträumend und die Gegenwart ertragend.“ Das klingt ernüchternd. Dennoch: Sehnsucht ist die Suche nach etwas unglaublich Schönem, das bisher nicht erreicht wurde. Nach etwas, was zu unserem Glück beiträgt.
Die Suche nach einer besseren Welt wird unser ganzes Leben, auch das berufliche Fortkommen beeinflussen. Wir haben eine Idee von der Welt, nach der wir suchen – besser, gerechter – also muss es sie auch geben, irgendwo. Wir sind uns selbst nicht mehr genug, wollen weiter, uns „Stuf‘ um Stufe heben, weiten“. Es ist die brennende Suche nach etwas, was in der heutigen Gesellschaft verwehrt ist, nach dem besseren Leben, nach der Komplettierung. Diese Suche benötigt Leidenschaft und Durchhaltevermögen, sonst wird uns eng ums Herz. Und wir müssen wissen, wo wir suchen müssen…
Es ist die Suche nach dem, was fehlt, und steht im Kontrast zur Hoffnung: Wenn Hoffnung über lange Zeit unerfüllt bleibt, schlägt sie um in Sehnsucht. Sehnsucht lässt uns den Mangel erfühlen, das macht uns elendig. In der Romantik ist Sehnsucht die Vollendung als Suche nach der wahren und ewigen Liebe. Ein qualvolles Begehren. Alles würden wir dafür geben, sogar uns selbst.
Sehn-Sucht, Weltschmerz
Sehnsucht wird zur Sucht, wenn sie nicht weitersieht, verharrt. Die Sucht sieht nur sich selbst. Sie lässt uns – mitsamt dem diffusen Sehnen – allumfänglich, zufrieden erscheinen, wir fühlen uns bewahrt in diesem Gefühl, folglich verteidigen wir diese Sucht. Ihr Verlust träfe uns hart. Vielleicht härter, als uns die Sehnsucht jemals Leid würde zufügen können. Vor allem dann, wenn wir den Verlust bestimmen – dann schlägt die Sucht um in schiere Angst. Der Mensch erkennt, dass nichts und niemand auf der Welt seine Sehn-Sucht stillen kann. Das ist der Weltschmerz des Sensiblen.
Die Suche dagegen ist ein umfassendes Verlangen, das uns stark macht- oder auch trübselig werden lässt. Bewährt hat es sich, wenn zwei sehnsüchtig Suchende Ähnliches begehren, ein ähnliches Lebenskonzept verfolgen; das verspricht Linderung, sogar Stabilität. Sehnsucht als Ausgangspunkt für eine erfüllende Beziehung.
Das Wesen der Sehnsucht ist es jedoch, unerfüllt zu bleiben, denn die Erfüllung würde das Ende derselben bedeuten.

(A.S.)

 

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