Pflanze der Woche: Vegan salzen

8. Februar 2021 | Bild der Woche | 2 Kommentare

Man fühlt sich an die Nordseeküste versetzt beim Anblick der außergewöhnlichen Pflanzen an manchen Stellen in Sachsen-Anhalt. Dort wo Salz- und Solquellen natürlicherweise zu Tage treten sowie am Fuße einiger Abraumhalden kann man höchst spezialisierte Pflanzen entdecken, die im Binnenland ziemlich selten sind. Hier kann man Pflanzen finden, die an eine Umwelt mit hohem Salzgehalt angepasst sind. Die meisten Pflanzen können Salzstress nicht lange überleben. Nur wenige tolerieren einen hohen Salzgehalt im Boden. Sie besitzen besondere Anpassungen wie Salzdrüsen in den Blättern oder Saftvakuolen mit hoher Salzkonzentration. 

Das ist das Evros-Delta. Es bildet die natürliche Grenze der EU zur Türkei. An den Sümpfen und Wasserläufen sind immer wieder Flüchtende gescheitert. Der Berg ganz im Hintergrund gehört schon zur Türkei. Das Grüne im Vordergrund ist die gesuchte Pflanze der Woche.

Besonders häufig ist eine sukkulente Pflanze mit dickfleischig-glasigem Stängel. Richtige Blätter hat das Gänsefußgewächs nicht und die grünlichen Blüten sind auch unscheinbar klein. Eine Zuordnung zu der Familie der Fuchsschwanzgewächse ist inzwischen auch üblich. Der gesuchte Halophyt ist eine wichtige Pionierpflanze im Küstenbereich und trägt zum Küstenschutz bei. Er wird zur Landgewinnung sogar ausgesät. Ein gängiger deutscher Name weist auf die frühere Nutzung der Asche (Soda) bei der Glasherstellung hin. 

Voraussetzung für die Wasseraufnahme in Pflanzen ist ein osmotisches Gefälle. Dazu nehmen Pflanzen Salze aus dem Boden auf. Wasser folgt dann dem osmotischen Gradienten. Hohe Salzkonzentrationen im Boden verhindern jedoch die Erzeugung des Gradienten und verhindern damit die Wasseraufnahme der Pflanzen. Zudem schädigen die Salze die Pflanzenzellen. Unsere salztolerante Pflanze überwindet die osmotische Saugkraft des Salzbodens. Sie kann Salzwasser aufnehmen, deponiert aber die überschüssigen Salze in großen Vakuolen, Die Salzionen werden energieaufwändig in die Vakuolen gepumpt. Die molekularen Pumpen sitzen in den Vakuolenmembranen. Zur Abpufferung des Ionengradienten bilden die Zellen besser verträgliche Verbindungen wie Aminosäuren. so dass die Pflanzenzellen nur gering gestresst werden. Nach gut einem halben Jahr Überlebenskampf stirbt sie ab.

Forschung über Salztoleranz bei Pflanzen ist hochaktuell, da Agrarflächen immer häufiger versalzen. Süßwasservorräte werden immer knapper und man muß notgedrungen auf salzhaltiges Grundwasser zurückgreifen. Wegen des winterlichen Einsatzes von Streusalz auf unseren Straßen steht die Vegetation am Straßenrand bei uns oft unter Salzstress. 

Unsere Rätselpflanze ist essbar und wird als Delikatesse und Würzkraut geschätzt. Neben Kochsalz enthält sie noch weitere Mineralien. Das will man in einem Innovationsprojekt „Salzpflanzen aus Sachsen-Anhalt“ nutzen und die frischen Pflanzen kommerziell anbauen und vermarkten. Frisch oder getrocknet, gemahlen und verbacken  – es gibt viele interessante Nutzungsmöglichkeiten.

Welche salzliebende Pflanze ist gesucht? Wie lautet ihr volkstümlicher Name?

(Hans J. Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche „Tannennadeln im Essen“: Rosmarin (Salvia rosmarinus, Rosmarinus officinalis)

Einbeck war schnell. Leider zu schnell. Ihn hat der griechische Pflanzenname „Livanotis“ irritiert, mit dem die Abbildung der gesuchten Pflanze aus dem Wiener Dioscurides irritiert. Der „Wiener Dioscurides“ ist ein im 6. Jahrhundert niedergeschriebene Fassung der „Materia medica“, eines Arzneilehrbuchs des griechischen Arztes Pedanios Dioskurides, der im 1. Jhdt n.Ch. lebte.  Die in Wien erhaltene Abschrift aus dem 6. Jhdt ist ein wichtiges Werk der spätantiken Buchmalerei und enthält zahlreiche Abbildungen von Heilpflanzen.

Beschriftung „livanotis“ (λΙΒΑΝωΤΙC) in spätantiker frühbyzantinischer „Capitalis“, und als Μinuskel (kursive)

So auch den „Livanotis“. Heute findet sich das Wort in dem botanischen Namen für die Heilwurz (Seseli libanotis) wieder. (Und so ist wohl Einbeck an die Heilwurz geaten. die Heilwurz ist aber ein Doldenblüter, und hat kaum Ähnlichkeit mit der Pflanze, die im Dioskurides unter Livanotis gezeichnet ist. Die sieht ein bißchen stzruppig aus, und hat eher nadelförmige Blätter.

„Livanotis“ aus dem Wiener Dioskurides

Wie unsere gesuchte Pflanze zu ihrem Namen „Livanotis“ gekommen ist, ist eine längeren Geschichte. Oleum Libani , „Öl vom Libanon“, nannten die Römer eine spezielle, sehr helle und weiche Art von Weihrauch, dann das Wort „olibanum“.  Das Wort gelangte dann als Lehnwort in die griechische Sprache, wo es zu „Livani“ wurde, der allegemeinen Bezeichnung für Weihrauch, wo dann auch der Ausdruck „livaniso“ entstand, was allgemein „weihräuchern“ bedeutet. Und „Livanotis“ ist dann der Räucherer.  Was nun. Eine Pflanze mit „Nadeln“, die zum Räuchern taugt? Elfriede hatte es ja schon herausbekommen: wir suchten den guten alten Rosmarin. Ein Lippenblüler mit einem hohen Gehalt an Terpenen, die auch in einigen anderen Pflanzen vorkommen (zum Beispiel vielen Koniferen). In der Antike verwendete man Rosmarin als billigen Weihrauchersatz. Die getrockneten Blätter auf glühende Kohlen glimmen lassen- und schon erfüllt sich der Raum mit einem Weihrauchartigen Duft  – der natürlich von den in den Blättern enthaltenen Terpenen rührt. Die verleihen der Pflanze nicht nur ihre Eigenschaft als frisch-herbes Gewürz (Rosmarinkartoffeln sind ja schon eine Zeit lang „hipp“) , sondern auch ihren volksheilkundlichen Gebrauch. Die ätherischen Öle wirken offfenbar in erster Linie psychologisch- durch ihr „erfrischenden“, belebenden Geruch, der „kräftig durchatmen“ lässt. Das hat die Menschen im m16. und 17. Jahrhundert offenbar veranlasst, die Pflanze als „Allheilmittel“ gegen nahezu alle Gebrechen anzupreisen.

Wer Rosmarin im Garten stehen hat, sollte demnächst, wenn es wie angekündigt, „Knackekalt “ wird, für etwas Winterschutz sorgen. Strenge Kahlfröste mag die aus dem Mittelmeerraum stammende Pflanze nicht.

Ach ja, das Meer: wo stammt eigentlich der Name Ros-marin her? Wahrscheinlich vom lateinischen ros marinus  „Tau (ros) des Meeres (marinus)“, wegen seines häufigen Standortes in Meeresnähe und der sich im Nebel an der Pflanze abscheidenden Tautropfen.

Alle bisherigen „Pflanzen der Woche“ findet man hier im reichhaltigen Archiv

Archiv: alle „Pflanzen der Woche“ von 2016-2020

 

 

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