Schmackhafte Riesenknospe

23. Januar 2023 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Ein korinthisches Kapitell – ein Kleingärtner hat es aus den Blättern unserer Pflanze gelegt. Führt das zu unserer Lösung? 

Unsere Rätselpflanze gehört in Italien und Frankreich seit Jahrhunderten zur kulinarischen Tradition. Inzwischen wird sie auch bei uns angebaut. Bis heute ist noch unklar woher sie ursprünglich stammt– entweder aus Arabien, dem Iran oder dem Mittelmeerraum. Die griechische Mythologie zeigt, wie sehr sich Menschen bereits in der Antike Gedanken über dieses Gemüse gemacht haben. Der Legende nach, hatte die wunderschöne Cynaria dem Wettergott Jupiter (Zeus) den Kopf verdreht. Doch als er merkte, dass sie kein Interesse an ihm hatte, wurde er zornig und verwandelte sie in eine stachelige Pflanze. Das war gut so, denn dieser kräftige Korbblütler bildet recht große Blütenstände. Die fleischigen Hüllblätter liegen  mit ihrem unteren Teil fest dachziegelartig übereinander und sind oben pieksig spitz. Der Blütenboden ist dick fleischig. Erntet man die Blütenstände nicht, zeigen sich viele violette Röhrenblüten.

Während unserer Kunsthistoriker noch streiten, ob es diese oder eine andere „Stachelpflanze“ war, die nicht nur dem Korinthischen Kapitell, sondern auch vielen anderen klassischen Ornamentmotiven als Vorlage diente: Sicher ist, dass diese Pflanze besonders bei Feinschmeckern beliebt ist.

Die Knospen werden gedünstet. Die abgezupften Hüllblätter tunkt man in eine Vinaigrette oder andere Würzsauce und streift den fleischigen Anteil mit den Zähnen ab. Vom Blütenboden entfernt man den pelzigen Röhrenblütenbelag. Für die Zubereitung des edlen Gemüse gibt es zahllose Rezepte. 

Die Knospen schmecken nicht nur gut; sie tun auch gut. Sie sind kalorienarm, regen die Verdauung an und beeinflussen den Blutfettspiegel positiv. Sie lindern Völlegefühl und Blähungen und regen gleichzeitig die Leber- und die Gallentätigkeit an. Reich an Eisen, Kalium und Antioxidantien sind sie auch noch. So verwundert es nicht, dass dieses Gewächs zur Arzneipflanze 2003 gekürt wurde.  

In Italien verwendet man die getrocknete Pflanze zur Herstellung eines leicht-bitteren herbsüßen Likörs, der die Verdauung fördern soll. Dieser Digestif ist inzwischen auch bei uns sehr beliebt.

Welche Pflanze suchen wir?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche ( „Dunkeldeutsche Gewächse in finsterer Jahreszeit„): Die Mittelmeerzypresse, Cupressus sempervirens

Nhu Deng hatte schon gleich am Montag morgen die Lösung parat: „Arnold Böcklin malte die Toteninsel in verschiedenen Versionen und Hitler besaß die Version III. Im Hintergrund sind Zypressen zu sehen. Zypern ist die gesuchte namensgebende Insel und Kupfer, Cuprum das Halbedelmetall. Erz von der Insel Zypern (aes) cyprium gab dem Metall den Namen.“

So ist es. Aber der Reihe nach: Die Zypressen bilden eine Gattung innerhalb der Familie der Zypressengewächse, die wiederum in die Ordnung der  Koniferen (Nadelbäume) gehört. Die wohl bekannteste Art ist die Mittelmeerzypresse, ursprünglich stammt sie wohl aus dem östlichen Mittelmeer stammt. Heute ist sie mit ihren schlanken , säulenartigen Wuchs und ihrer dunkelgrünen Erscheinung ein klassisches Element eher westmediterraner Landschaften, geradezu klischeehaft gehört sie in die typische „toskanische “ Landschaft wie die Tanne zum Alpenbild. In den Westen des Mittelmeerraums haben sie wohl eher die Römer „verschleppt“, sie schätzten den Baum wegen seines geradwüchsigen Stammholzes, das sich nicht nur hervorragend für die Masten von Segelschiffen, sondern wegen seiner geringen Anfälligkeit gegen Fäulnis auch zum Bau wetterempfindlicher Gebäudeteile eignete. Essen kann man von dem Baum leider nichts. Die Zypresse bildet kurze, gedrungene Zapfen aus, und alle Pflanzenteile, besonders das Laub, sind aufgrund ihres Gehaltes an Terpenen wie dem Thujon giftig.

Pappeln am „Vulkan“ im Wörlitzer Park

Das wird aber nicht der Grund sein, weshalb sie gerne an Friedhöfen, aber auch an heiligen Plätzen  gepflanzt wurde. Es ist wohl eher die immergrüne, allerdings auch finstere Belaubung und der aufrechte Wuchs in den Himmel, der sie einerseits zu einem Symbol für Beständigkeit, andererseits aber auch zum Symbol für die Ewigkeit werden lies. Da die Mittelmeerzypresse im rauen Klima in Deutschland nicht beständig ist, ersetzt  man sie hierzulande oft durch ähnlich aussehende Bäume: auf Friedhöfen meistens mit säulenförmig wachsenden Thuja-Arten (Lebensbaum). Als Fürst Franz im Wörlitzer Park italienische Landschaft nachbilden wollte, griff er statt dessen zur ordinären Säulenpappel, deren Silhouette entfernt an italienische Zypressen erinnern. Entfernt erinnert so der „Vulkan “ oder auch die Rousseau-Insel  an die „Toteninsel“ von Arnold Böcklin. Dessen erste Version des Gemäldes entstand 1880, vier weitere folgten. Die dritte erwarb Adolf Hitler vom Kunsthändler Fritz Gurlitt, heute hängt sie in der alten Nationalgalerie in Berlin.

Noch viel mehr Pflanzen findet Ihr in unserem Archiv. Seit 2016 jede Woche eine neue.

 

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