Die süsse Lust des Luxus und ein nicht eingehaltenes Politikerversprechen

12. Dezember 2016 | Bild der Woche | 6 Kommentare

Die Auflösung der letzten Pflanze der Woche war offenbar schwieriger, als gedacht. Eine Pflanze, die Silber in Gold verwandelt, ein Allheilmittel darstellt, weil sie abführend wirkt, gewissermaßen das pflanzliche Antimon, das in der ja Alchemieausstellug eine Rolle spielt. Klingt kompliziert.

Die richtige Lösung (ja, @Einbeck, mit ein bißchen Starthilfe ging es doch) lautet: Aloe vera. Aloe vera ist eine succulente Pflanze, gehört zur Gattung der Aloen (ach, was !), und findet sich dann irgendwo in der Ordnung der Spargelartigen (Asparagales) wieder.

Sie ist bei uns eine häufige Zimmerpflanze. Ihre fleischigen, mit scharfen Zähnchen besetzten Blätter erinnern an Agaven, mit denen sie aber nur entfernt verwandt ist. Die bodenständigen Blattrosetten bringen in fortgeschrittenem Alter einen langen Blütenstiel hervor, von ihm hängen röhren- oder glockenförmige förmige Blüten herab, das Gesamtbild ist dann den bekannten Agaven nicht unähnlich. Im Gegensatz zu diesen stirbt die Aloe nach der Blüte aber nicht ab. Auch erreicht die Aloe bei weitem nicht die Größe einer Agave. Aloe ist im arabischen Raum heimisch, war aber schon in der Antike im südlichen Mittelmeerraum bekannt, und ließ sich dort anpflanzen, wo hinreichend warme und trockene Bedingungen vorherrschten. Als succulente Halbwüstenpflanze verträgt sie keine andauernde Feuchtigkeit. In ihren Blättern ist ein Gel als Wasserspeichermedium enthalten, dessen glibberige Konsistenz von einem breiten Spektrums von Oligosaachariden (mittel-und langkettige Polyzucker) zusammengehalten wird.

Schon in der Antike nutzte man die Pflanze als Heilmittel. Damals fand man jedoch nicht das Gel in den Blättern interessant, sondern den gelblichen Gummisaft, der ausschließlich in der Blattrinde enthalten ist, und beim Abschneiden der Blätter am Rand deutlich hervortritt.

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Aloin

Der Saft enthält den gelben Farbstoff Aloin, chemisch ist es ein glykosidisch gebundenes Trihydroxyanthrachinon. Die stark bittere Substanz wirkt stark abführend, und diese Wirkung war medizinisch bedeutend. Schon Dioskurides (1. Jh n. Ch) empfahl deren abführende und angeblich blutreinigende Wirkung.

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Auch der Alchemist und Arzt Paracelsus betonte die heilenden, weil purgierende Effekt. Spätestens hier sind wir beim alchemistischen Bezug der Pflanze angelangt. Paracelsus empfahl ja nicht nur Aloe, sondern auch hochgiftige Antimonverbindungen wegen ihrer abführenden, und damit „reinigenden“ Wirkung  als geradezu universelles Heilmittel.  Der vielen Botanikern bekannte Lonicerus empfahl Aloe 1564 in seinem „Kreuterbuch“ als Mittel, um „böses Phlegma“, „Chaoleram (Galle) „Melancholei“ auszutreiben.  Seine Ansicht war noch stark in der Vier-Säfte-Lehre verankert.  Ärzte der Renaissance und Barock empfahlen priesen den Aloesaft als Mittel der Wahl zu fast allen erdenklichen Krankheiten.  Aloe wurde bald zum Inbegriff des Heilmittels und Segensspender schlechthin, Theologen verglichen die Heilwirkung der unangenehm bitteren Arznei  sogar mit dem Leiden Christi (S. Abbildung, Heilsam-bitteres Aloe, oder kurtz=verfaßte Betrachtungen…, Marcus Eschenloher, Augsburg 1699).  Noch in der Moderne fand Aloe Verwendung: so zitiert das Lehrbuch der biologischen Heilmittel (Bd 1, 1979) von Gerhard Madaus noch einen Arzt, dem es (1939) gelungen sei, durch Röntgenstrahlung verursachte Hautverbrennungen mittels aufgelegter Aloeblätter geheilt zu haben. Während die abführende Wirkung des Aloin – sei sie sinnvoll oder nicht – noch auf der evidenzbasierter Pharmakologie beruht, erfährt die unscheinbaren Stachelpflanze im späten 20. jahrhundert eine merkwürdige Verklärung, die in der Alternativmedizin heutzutage fröhliche Urstände treibt. Während man den gelben Saft mit seiner drastischen Wirkung heute meidet, wendet sich die Alternativmedizin dem farblosen Pflanzengel zu, dem alle erdenklichen positiven Wirkungen zugeschrieben werden. So kursieren vielfältige Anleitungen im Netz, wie man das Aloeblatt filetieren soll, um die giftige, bittere Rinde zu entfernen, um das klare, schleimige Gel des Blattinneren zu gewinnen. Der Glibber soll dann gegen Krebs, alternde Haut, Frauenleiden, Depressionen, ADHS und vielen weitere gefürchtete Geißel der Menschheit wirken. Wir wollen unsere Leser nicht langweilen: Ein Google-Ausflug in die Welt der Spökenkiekerei ist so erfrischend wie der Verzehr eines Smoothies aus Aloe – Glibber. „Über 300 Wirkstoffe“ enthalte das Gel, und besonders die Oligosacchardie haben es den Lobpreisern des Wundermittels angetan. Sie sind für die glibbrige Konsistenz des Zeugs verantwortlich, und möglicherweise kann man,  falls Aloe gerade nicht zur Hand, ebensogut Tapetenkleister als Ersatzstoff verwenden. Eine wundersame Wirkung hat Aloe gewiss: ihren Predigern beschert sie klingende Kassen. Verbraucherzentralen warnen diesbezüglich  jedenfalls regelmäßig und eindeutig.

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Lüstervergoldung mit Aloe….

Nun aber zur Goldmacherei und unserem Mönch Dionysius. Ihn gab es tatsächlich, er verfasste das unter Kunsttechnologen bekannte „Malerbuch vom Berge Athos“. Wahrscheinlich war es ein gewissser Dionysios von Fourna, der von 1670 bis 1745 im Ort Karyes in der Mönchsrepublik Athos lebte.

Sein Handbuch ist eine technische Dokumentation der metabyzantinischen Ikonen- und Buchmalerei seiner Zeit. Blattgold vorzutäuschen, indem man gelbe, hochtransparente Lacke über Silber- oder Zinnfolien zog, war schon seit der Spätantike eine beliebte Praxis. Dazu brauchte man hochtransparente Lacke, in denen der Farbstoff nicht als unlösliches Pigment, sondern homogen gelöst, vorlag.  Aloe war eines der Farbstoffe, mit denen das gelang. Diese Art der „Lüstervergoldung“ gibt es auch noch heute: wer will, kann einmal versuchen, die oberste Schicht der „Goldfolie“, die gerade jetzt wieder in Unmengen zur Verpackung von Schokoweihnachtsmännern und ähnlichem Süßkram dient, abrubbeln: Unter der Lackschicht kommt schnöde Alufolie hervor.

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Aus dem Buch „Erminia tis Sografikis“, Edition A. Papadopoulou-Kerameos, Petersburg 1900. „Über gelben Firnis: nimm 20 Unzen Sandarak und Sarisabri, das ist Aloe, 10 Drachmen, und reibe das gut …“

Was aber ist das ominöse „Sarisabri“ in dem Rezept?  Es ist ein verballhorntes türkisches Wort, nämlich: „Sari Sabir“. Unter der Bezeichnung findet es sogar Google.

Pflanze der Woche, 12.-18. Dezember 2016

Die süsse Lust des Luxus und ein nicht eingehaltenes Politikerversprechen.

So, Lust auf eine Neues? Wir machen es mal etwas schlichter. Politikergelaber kann Rübezahli nicht vertragen, deshalb lebt er sehr zurückgezogen, sein einziger Freund ist der Rechner, und: eine kleine, geduldige Topfpflanze. Die hegt und pflegt er, denn sie kann vor allem eines: geduldig zuhören, ohne viel zu „Labern“. Während er zärtlich die rauen Blätter streichelt, und dabei aufpaßt, dass er sich nicht an deren scharfkantigen Rändern schneidet, denkt er zurück, an eine andere Zeit.  Seine Pflanze hat einmal Weltgeschichte geschrieben, damals, als ein Politiker – das war aber drüben und ganz weit weg – versprochen hatte, lieber diese Pflanze zu züchten, als jemals zu kandidieren. Es kam dann alles anders.
Für unseren zurückgezogenen Pflanzenfreund ist aber heute ein besonderer Tag der Freude: das unansehnliche Gewächs hat eine wunderschöne Blüte getrieben. Ob sie irgendwann daraus sogar Früchte hervorbringen wird? Das tun doch Blütenpflanzen normalerweise? Das wird sicher noch dauern, aber es wäre eine Sensation. Wie damals, nach der Wende, als dieses exotische Blumenprodukt überall in den Läden zu finden war.

Eine Sensation war es schon vor über 300 Jahren, als in den in den Niederlanden die ersten Blütenstände heranreiften. Eine geschickte Pflege war das Geheimis, unter anderem ein spezieller Rindenmulch, in dem sich die Pflanzen wohl fühlten.  Ein besonderes Gewächs halt, und natürlich nicht für Jedermann. Selbst in vielen Fürstenhäusern hatte man so etwas kaum je gesehen, geschweige in die Hände bekommen….

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Gesucht: Die Blume der Woche für den 11.-18. Dezember 2016

Schön anzusehen ist unsere Blume der Woche auf jeden Fall, auch wenn sie sich jetzt, Mitte Dezember, kaum in unseren heimischen Gärten wohlfühlen dürfte. Wie heißt sie denn?

 

 

 

 

 

 

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