Nun ist es wieder soweit. Es folgt die Auflösung der letzten Pflanze der Woche und der/die User/in Lou hatte zuerst vollkommen recht. Und für User/in Gondwana folgt auch das Gericht dazu.
Auflösung: Aubergine
Der Imam sprang vor Freude („Imam bayildi“) als ihm seine Frau ein besonderes Gericht servierte: Sie hatte die braunvioletten Patclicanlari längs geteilt, mit einer Tomaten-Koblauch-Zwiebelmischung und etwas Oregano beschichtet und in den Ofen geschoben. Das Gericht hat sie dann mit reichlich gutem Olivenöl serviert, und vielleicht etwas Schafskäse.“ Imam bayildi“ ist heute einer der Klassiker der osmanisch geprägten Küche.
Die weniger vegetarische Variante sind die griechischen „Paputzakia“ (Schuhchen), sie sind im Prinzip ähnlich, aber für die Füllung wird auch Hackfleisch verwendet. Es ist ein typisches Gericht im sommerlichen Griechenland.
Bekannter ist Moussakas – ein Auflauf, er besteht aus flachen Auberginenstreifen, angegrillt, wie eine Lassagne geschichtet mit Hackfleischsoße, mit Bechamel und Käse überbacken. In griechischen Restaurants kommt auch noch Kartoffel dazu – doch diese Auberginenverwandte hat in einem echten Moussakas nichts zu suchen.
Will man solche Gerichte im antiken Griechenland vermuten, so liegt man hier vollkommen falsch. Denn ebenso wenig wie Kartoffeln oder Tomaten kannte die mediterrane Antike die Aubergine (Solanum melongena). Ihr Ursprung liegt im ost- oder südasiatischen Raum, wo sie schon vor 4000 Jahren kultiviert wurde. Wohl im 7. Jahrhundert machte sie den Sprung über Persien in das maurisch beherrschte Andalusien, von dort verbreitete sie sich rund um den Mittelmeerraum.
Der Name „Aubergine“ hat nichts mit einer französischen Herberge (Auberge) zu tun. Wahrscheinlich kommt er aus dem Arabischen al-bāḏinǧān und gelangte über das katalanische „albergínia“ in die französische Sprache. Wieder ein arabisches Lehnwort, das man in der violetten Eierfrucht ebenso wenig vermutet wie in Algebra oder Alchemie.
Im Türkischen heißt die Frucht Patlican, ähnlich auch in den Sprachen vieler einst osmanischen beherrschter Gebiete, einst auch in Griechenland: nur noch alte Leute nennen sie im Dorfsprech „Padlidsani“, offiziell ist es heute eine „Meletsana“, ähnlich wie das italienische „Melezzane“. Lange blieb die Aubergine in Europa auf den Mittelmeerraum beschränkt – in Deutschland kannte man die merkwürdige „Eierfrucht“ kaum, wo sie erst Mitte der 1980er Jahre in Mode kam.
Der gelbe Käfer – es ist der Kartoffelkäfer – liebt Auberginenpflanzen mindestens so sehr wie die Kartoffel. Ein Befall kann schnell zum Totalverlust der Pflanze führen. Unsere Aubergine ist auch in anderen Aspekten mit der Kartoffel verwandt: Sie bildet das giftige Alkaloid Solanin, weshalb sie nicht zum Rohverzehr geeignet ist.. Außerdem Spuren von Nikotin. Möglicherweise deshalb haben die Melezzanes ihren italienischen Namen: Mala insana – Tolläpfel.
Und nun das neue Pflanzenrätsel:
„Das wird aber eine harte Nuss“ meinte man in der Redaktion zu dem heutigen Ratevorschlag. Mit Nüssen hat die gesuchte Pflanze aber eigentlich nur gemein, dass man aus ihren ziemlich kleinen Samenkörnern ein äußerst hochwertiges Öl pressen kann. Die gesuchte Pflanze ist ein einjähriger Lippenblütler. Sie hat vierkantige Stängel mit lineal-lanzettlichen Blättern und erreicht eine Wuchshöhe von ca. 40 bis 60 cm. Die weißen (es gibt auch hellblaue Formen) unscheinbaren Einzelblüten sind in Scheinquirlen zusammengefasst. In den offenen Kapseln reifen je vier dreikantige langovale Samen von etwa 5 mm Länge, 2 mm Breite und 1,5 mm Dicke. Die Samen sind braun bis schwarz gefärbt mit weißem Nabelfleck. Die Ölpflanze ist vor einigen Jahrzehnten aus ihrer Heimat, dem transkaukasischen Raum, nach Deutschland gebracht worden. Sie ist wärmeliebend und gedeiht am besten in sonnigen Lagen. Gut wächst sie auf kalkhaltigen Böden, insbesondere Verwitterungsstandorten.
Stauende Nässe, schwachsaure oder stark tonhaltige Böden sind für den Anbau nicht geeignet. Die Vegetationszeit beträgt etwa 100 Tage: Ende März ausgesät räumt die Pflanze erntereif bereits im August das Feld. Wegen des hohen Ölgehaltes in den Samen (38%) ist die Pflanze sowohl für Nahrungszwecke als auch industriell interessant. Schon die Assyrer schätzten diese Ölpflanze vor Jahrtausenden.
Das Öl besteht zu fast 70 % aus Linolensäure und liegt damit ganz oben an der Spitze der bekannten Pflanzenöle.
Ernährungsphysiologisch ist es sehr zu empfehlen. Kalt gepresst eignet es sich hervorragend für die Kalte Küche. Anders als z.B. Leinöl ist es unaufdringlich im Geschmack, bleibt lange geschmacksstabil und ist ein hervorragender Träger vielfältiger Geschmacksvariationen. Ähnlich dem Leinöl ist das Öl der gesuchten Pflanze ein sehr schnell trocknendes Öl, das im industriellen Bereich bei der Herstellung von Farben, Lacken und Linoleum zum Einsatz kommen kann. Auch als Bestandteil von Kosmetika ist das Öl der gesuchten Pflanze bestens geeignet. Die ungesättigten Fettsäuren erreichen die tieferen Hautschichten und unterstützen die Regeneration (anti-aging Effekte).
So manche weitere Nutzung gilt es noch zu entdecken.
Und nun zu unseren Fragen:
– Wie heißt die gesuchte Pflanze?
– im Text ist von „trocknenden Ölen“ die Rede. Sie „trocknen“, ohne zu verdunsten. Wie geht das?
– Es gibt im Pflanzenreich „Öle“, die verdunsten, ohne zu trocknen. Wie nennt man die, und warum?
12 comments on “Pflanze der Woche, 29.08 – 04.09. 2016”
Oh Gott, diesmal ist es richtig schwer! Das sieht irgendwie wie Ysop aus, aber Ysop hat in der Regel eher lila Blüte.
Na da habe ich ja voll daneben gelegen 🙂
Wirklich eine harte Nuss, aber sehr interessant, dieses Wunderpflänzchen sollte man kennen(lernen). Hoffentlich hält das Öl beim kosmetischen Einsatz nicht das, was der Name verspricht.
Chia ist es auch nicht…
Das ist der Iberischer Drachenkopf oder ‘Kaukasischer Ölziest’, Lallemantia iberica.
Das ist eine harte Nuss und ich hoffe, ich liege richtig.
Ich glaube, ihr flachst nur rum und wisst alle genau, worum es sich handelt! Aber ich gehe euch nicht auf den Lein! 🙂
Naja, Gondwanas pythische Gesänge kommen mir ja auch etwas spanisch vor, und jetzt legt Ronny Leinruten aus – welche Vögel will er denn damit fangen?
Die Pflanze dieser Woche macht mich etwas sprunghaft. Ich denke gerade an einen im Jahr 2008 erschienenen ungewöhnlichen Roman von Jan Weiler.
… und Lou hat nur Bücher im Kopf.
Was der Rost dem Eisen, das ist das Änigma dem Pflanzenrätsel…
Oh, jetzt steht da unten plötzlich die Lösung und unsere Andeutungen kommen nicht mehr nur Hei-Wu „spanisch“ vor 😉
Tut mir leid, die Lösung kam in der Nacht…
Ich setze mich mal an den ersten Teil der Hausaufgaben und berichte, wie ich das mit den trocknenden Ölen verstanden habe: Ein Pflanzenöl besteht aus Fettsäuren, die ungesättigt (mit Doppelbindung) oder gesättigt (nur Einfachbindungen) vorliegen. Bei einem hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren spricht man von einem trocknenden Öl. Die Trocknung ist (wie Rosten) eine Oxidation mit Sauerstoff. Öle mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die Platz an der freien Doppelbindung haben, können Sauerstoff anlagern, also oxidieren. Wenn diese oxidierten Fettsäuren dann polymerisieren, sieht man beim Öl einen Film an der Oberfläche: Das Öl wird immer dicker – es verharzt, trocknet aus und hinterlässt den festen, harzigen Rückstand. Also: Trocknende Öle neigen stärker zum Verharzen.
(Jetzt müsste der Chemiker Unschärfen korrigieren.)