Pflanze der Woche 11.-17. Juli

11. Juli 2016 | Bild der Woche | 9 Kommentare

Die Pflanze der letzten Woche war  – nach anfänglichen Startschwierigkeiten-  dann doch schnell gefunden. Acanthus mollis, der wahre oder auch weiche Bärenklau, war der gesuchte. Acanthus balcanicus oder hungaricus , auch ungarischer Bärenklau, hätten wir gelten lassen können, da wir nur die Blüten abgebildet haben. Und die sehen praktisch gleich aus. Wie auch unsere Leser richtig bemerkt haben, gilt die Art, oder die Familie dieser Pfanzen als der „Motivstifter“ eines architektonischen Dekorationsprinzips.  Die Blätter von Acanthus mollis ähneln etwas den distelartigen Blättern, die wie ein Kohlkopf einen antiken Säulenkopf umhüllen. Man spricht hier von der korinthischen Ordnung.

Kunstgelehrte haben schon in alter Zeit immer wieder versucht, die Baustile ihrer Vorgänger zu ordnen, denn Ordnung ist die halbe Wissenschaft. Im ersten Jahrhundert vor Christus blickte das ganze römische Reich nach Griechenland, von wo man nicht nur die Herkunft des Denkens vermutete, sondern auch die der Kunst, und hier insbesondere der Baukunst.  Die Römer hatten schon seit Jahrhunderten griechische Baukunst adaptiert – die Kunst des von ihnen unterworfenen, kleinen Vielvölkerstaates galt ihnen als Vorbild und Inbegriff imperialer Macht. Versklavte „Kulturbereicherer“ bildeten nun Römer nicht nur in Sachen Rechtschreibung und Literatur aus, sondern bereicherten mit ihren Künsten auch die „Artes sordides“, das Handwerk, wozu auch die bildende Kunst gehörte. Nun war das aber nicht so ganz einfach, mit dieser griechischen Kunst, viele Stile fand man vor, und die schienen einer geheimen Grammatik zu folgen, also bedurfte es einer Ordnung, um sie studieren und anwenden zu können.  Marcus Pollius Vitruvius, ein römischer Architekturgelehrter, der mehr geschrieben, denn selber gebaute hatte, machte sich ans Werk – er ging im ersten vorchristlichen Jahrhundert etwa so vor, wie unser Botaniker Linne im 18. Jahrhundert: Erscheinungsformen wurden benannt, und in Regeln gepresst, und wo was nicht passte, da wurde es  passend gemacht. Drei vorherrschende Säulenformen begegnete man damals in Griechenland: dem dorischen (gerillte Säule, darauf ein runder Wulst, versehen mit einer Deckplatte). So etwas einfaches konnte nur von den primitiven Ersteinwanderern, den Dorern stammen. Dann gab es da noch diese Säulenköpfe mit den Schnecken, die nannte Vitrvius „ionisch“ (nach den ionischen „Zweiteinwanderern“), und dann kam die geordnete Unordung,  die erst  zu Vitruvs Lebzeiten als Hauptordnung richtig in Mode gekommen war: unser Blätterwerk, das schon in Griechenland zumindest in der Innendeko eigentlich schon 500 Jahre alt war.  „Korinthisch“ nannte Vitruv das. Viele Theoretiker folgten seiner Einteilung der Ordnungen, zu der ja nicht nur das Kapitell gehörte, sondern auch das passende „Gebälk“ (Das, was horizotal über den Säulen verläuft). Ein gewisser Polykleitos soll übrigens das korintische Urkapitell in Epidauros geschaffen haben, es wurde dort vergraben und irgendwann im 19. Jahrhundert wieder ausgebuddelt. Es enthält, neben dem bekannten Blattwerk, eine Blüte oben in der Abdeckplatte. (http://www.bildindex.de/obj20030435 .html#|home) Diese Blüte sollte auch später nie verschwinden, in allen möglichen Wandlungen des Kapitells.  Sie könnte zu allen möglichen Pflanzen gehören, aber zu  unserem Akanthus nicht.

Dazu gibt es nur Sagen. Ein Mädchen aus Korinth starb zu früh eines tragischen Todes, die Eltern stellten der Gestorbenen einen Korb mit ihrem Spielzeug aufs Grab, und dann rankte der Akanthus darüber. Besagter Polykleitos (der „Hochbegabte“) fand das irgendwie hübsch, und meißelte alles es in Stein.  Darüber sind viele Aufsätze und Bücher geschrieben worden: unseren Akanthus hat es nicht geschert. Er blieb über alle Zeiten in Mitteleuropa – das finstere Mittelalter bis hin zum Jugendstil eingeschlossen – das führende Ornamentmotiv.

Die nächste Pflanze der Woche:  wir suchen im  Kreise ihrer Familie…

Mit der Ordnung ist es halt so eine Sache, wenn die reale Welt sich ihr nicht fügen will: Wir werden uns dennoch weiter mit Ordnungen im Pflanzereich bechäftigen, und machen mit der nun folgenden Pflanze des Monats so eine Art Familienaufstellung. Die meisten, die der Familie der xxxxceae angehören, sind blaublütig, was aber nicht adlig bedeutet. Unsere Pflanze des Monats ist ein schönes, aber vollkommen unnützes Unkraut, wenn man mal den Nützlichkeitsbegriff so eng zieht, dass bisher kein Mench auf die Idee kam, diese Pflanze zu irgend einem Zwecke anzubauen.

Das ist sie, die Gesuchte...

Das ist sie, die Gesuchte…

Hübsch ist sie aber anzusehen, keine Frage, und selten ist sie nicht. Sie gehört mit ihrer Gattung zu einer Familie von Pflanzen, die über den halben Kosmos verteilt ist. Das ein oder andere Familienmitglied ist als Gewürzpflanze dann schon mal gesät oder geplanzt worden. Eines heißt so ähnlich, wie eine russische Suppe, und die ganze Pflanzenfamilie wurde danach benannt. Doch den meisten Pflanzen haftet seit jüngster Zeit ein Verdacht an: sie enthalten bestimmte Alkaloide unaussprechlichen Namens, die krebserregend sein sollen.

Die HalleSpektrum-Pflanzenredaktion fragt:

Wie heißt diese Substanzklasse?

Und welche anderen Nutzflanzen gehören zur Familie unseres Mauerblümchens?

Eines ihrer Mitglieder verleiht bestimmten Lippenstiften ihre Farbe.  Name?

Chemisch übersichtlicher ist ein Pänomen, das vielen Arten der Familie anzusehen ist: Im Jugendstadium sind die Blüten rosa, dann werden sie blau. Was ist da los?

Ein Familienmitglied der Gesuchten: harmloses Gewürz, oder giftig?

Ein Familienmitglied der Gesuchten: harmloses Gewürz, oder giftig?

 

 

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