Nicht zugelassen in Scherzartikeln oder Gegenständen, die als solche verwendet werden können

2. Januar 2017 | Bild der Woche | 7 Kommentare

Bevor wir uns dem winterlichen, kalten Erzgebirge zuwenden, kommt hier erst noch die Auflösung der letzten Wochenpflanze.

Sequoia sempervirens, der Küstenmammutbaum aus Kalifornien, in Halleschen Gärten

 

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Der Küstenmammutbaum (Sequoia sempervirens) war die Wochenpflanze vom 26.12.-2016 bis zum 01. Januar 2017 (Bild: AS)

 

User Einbeck war schon auf der richtigen Spur: Die kleine Familie der Mammutbäume, Sequoioideae, besteht aus drei Gattungen: Metasequoia, Sequoia und Sequoiadendron. Jede der überschaubaren Gattungen ist fossil von einer Handvoll Arten, rezent aber nur noch von jeweils einer Art vertreten. Sie alle sind Mammutbäume, wobei der deutsche Namen, abgeleitet vom sibirischen Ausdruck mamont (unter der Erde lebend), ein kleines Rätsel bleibt. Was wir hier vor uns haben, ist ein Küstenmammutbaum (Sequoia sempervirens, lat. immergrün). Dieser Evergreen gehört zu den größten Bäumen der Erde, körperlich belegt durch einen mehr als 115 m hohen Sequoia namens Hyperion (aus der griechischen Mythologie: Sohn des Himmels und der Erde). Dieser Hyperion wächst im Redwood-Nationalpark Kaliforniens, sein genauer Standort wird verheimlicht. Jedenfalls steht er irgendwo dort, wo sich die  niederschlagsreichen Nebelwälder in einem schmalen, langen Waldstreifen entlang des Pazifiks erstrecken, einem sprichwörtlichen Wald, den man vor lauter Baumstämmen nicht sieht. Man fühlt sich dort in die Welt der Dinosaurier versetzt und wartet nur darauf, dass ein der Höhe der Bäume angepasstes Lebewesen um die Ecke biegt. Hyperion ist zwar der höchste Mammutbaum, jedoch vom Umfang her gibt es noch einen größeren, den General Sherman Tree. Das ist ebenfalls ein Mammutbaum, genauer ein Riesen- bzw. Bergmammutbaum (Sequoiadendron giganteum). Die wissenschaftliche Bezeichnung Sequoia leitet sich von dem Cherokee-Indianer Sequoyah ab, der für seinen Indianerstamm Anfang des 19. Jahrhunderts ein Schriftsystem entwickelt hatte. Die dritte rezente Art ist der Urweltmammutbaum Metasequoia glyptostroboides. Das rotbraune Kernholz über dem hellgelben Splintholz ist Grund dafür, dass Küsten- und der Riesenmammutbaum im Englischen mit Redwood benannt wurden – aber auch die dritte Spezies, der laubabwerfende Urweltmammutbaum, trägt den Namen Rotholz, zumindest im Deutschen.

Rekorde?

Der Sequoia in Kröllwitz misst noch nicht einmal 1,50 m, seine Brüder in Deutschland sind aber bis über 50 m hoch. Trotz ihres Namens sind „Mammuts“ aber nicht die höchsten, auch nicht die dicksten und nicht die ältesten Bäume der Erde: Der größte, historisch nachgewiesene Mammutbaum (135 m, ein schon lange gefällter Riesenmammutbaum), wird von einem Eucalyptus amygdalina, einem Myrtengewächs mit 155 m Höhe überragt. Der 135-m-Mammutbaum war mit 12 m Stammdurchmesser auch der dickste Mammutbaum, wird aber von den 20 m Durchmessern (58 m Umfang) eines Taxodium mucronatum (Mexikanische Sumpfzypresse) übertroffen. Die bis zu 3.500 Jahre alten Mammutbäume lernten damals schon die Langlebige Kiefer (Pinus longaeva) kennen (über 5.065 Jahre alt, Kalifornien). Noch deutlich ältere Exemplare fand man in Tasmanien. Hier wurde das Wurzelgeflecht von Lagarostrobos franklinii, einem Steineibengewächs, auf 10.500 Jahre datiert, das von Lomatia tasmanica, einem Silberbaumgewächs, auf 43.600 Jahre. Bäume können so langlebig werden, wenn die Stammzellen in den Wachstumsspitzen ihrer Triebe aktiv bleiben, sodass die Pflanze insgesamt ihre Fähigkeit zur permanenten Erneuerung behält.

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Mammutbäume im Redwood-Nationalpark (Bild: Wikimedia)

Ein Rekord, den sie wirklich vertreten können, ist mit dem 84 m hohen Riesenmammutbaum General Sherman Tree das voluminöseste, Biomasse-reichste Baumexemplar. Diese Art erhielt zudem die meisten wissenschaftlichen Namen: 12 Benennungen, beginnend bei Wellingtonia und endend bei Sequoiadendron. Sehr bemerkenswerte Exemplare waren die zahlreichen Mammutbäume im Erdzeitalter Karbon als produktive Hölzer innerhalb des Braunkohlewaldes, zusammen mit Ginkgo, Magnolia und vielen anderen. Heutzutage finden wir diese über 315 Millionen Jahre alten Exemplare stark gepresst und verändert. Als dunkelbrauner Klotz landen sie so zur Verstromung im Kohlekraftwerk, vergleichbar mit den tertiären Braunkohlen beispielweise im Senftenberger Revier, deren Charakterbaum unser Sequoia sempervirens ist.

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Die weichen, flachen Nadeln des Küstenmammutbaums ähneln denen der Eibe, wohingegen der Riesenmammutbaum kleinere, rundlichere Nadeln bildet. Wir haben hier 10 bis 20 mm lange Nadeln, die spiralig an Langtrieben oder zweizeilig an Kurztrieben stehen. Sie sind immergrün und fallen nach 3 bis 4 Jahren zusammen mit den Kurztrieben ab. (Bild: AS)

Von Bäumen und Menschen

Dieser hat sein einziges natürliches Vorkommen in Kalifornien. Als California Redwood ist er wegen seiner außerordentlichen Holzqualität geschätzt, weshalb zur Bestandserhaltung Nationalparks errichtet wurden. Als auch das, aufgrund gestiegener Nachfrage nach den schnurgeraden, schnellwachsenden, weitgehend astfreien Stämmen, nicht mehr für deren Schutz ausreichend war, bestieg die Umweltaktivistin Julia Butterfly Hill im Jahr 1997 ein Exemplar eines Küstenmammutbaums. Sie lebte fortan für gut zwei Jahre im Baum Luna auf zwei jeweils 4 m² großen Plattformen in 60 m Höhe. Damit stellte sie sich gegen die Firma Pacific Lumber, um Kahlschlag zu verhindern. Der Firma gelang es nicht, die 23-Jährige zu vertreiben, nicht einmal mittels künstlich erzeugter Winde (mithilfe der Rotorblätter großer Columbia-Transporthubschrauber). Nach der Einigung und der Bezahlung von 50.000 Dollar Spendengeldern an die Firma konnten alle Bäume auf einem 12.000 m² großen Areal erhalten werden. Dem berühmten Baum Luna wollte man später mit einem 81 cm tiefen Schnitt auf halbem Baumumfang zu Leibe rücken. Davon konnte sich der Baum dank aufmerksamer Naturliebhaber und künstlicher Verankerung erholen. Trotzdem zeigt die Übernutzung verheerende Folgen: Nur 10 % des heutigen Verbreitungsareals des Küstenmammutbaums stehen unter Schutz, davon sind nur 3 % als Urwald erhalten.

Der Küstenmammutbaum ist – abgesehen vom fällenden Menschen – in geeigneten Klimaten sehr robust, nahezu unsterblich. Das Holz ist resistent gegen Pilz- und Schädlingsbefall, ein hoher Gerbstoffgehalt in der bis zu 75 cm dicken Borke schützt zudem vor Feuer und verlangsamt die Verrottung. Dieser Gerbstoff Tannin ist auch für die Rotfärbung von Rinde und Splintholz verantwortlich. Eine Achillesverse besitzt der Baum dennoch: Sein Wurzelwerk breitet sich zwar bis zu 45 m um den Baumstamm herum aus (- das ist wohl der Grund, warum er bei uns so selten kultiviert wird), verankert ihn aber nur bis in 1 bis 2 m Tiefe! Wind- und Schneelasten können daher Mammutbäume fällen.

Im Botanischen Garten Halle wachsen drei Urweltmammutbäume, einer davon ist der höchste im Ländle, und ein Riesenmammutbaum. Wer weiß, welche Mammutbäume im Nordfriedhof zu finden sind?

Daneben wachsen 6 mm lange, ungestielte Schuppenblätter, vor allem im stark besonnten Teil der Krone. Von Dezember bis Ende Februar bilden sich unscheinbare Blüten an den Enden der Kurztriebe. Weibliche Sequoias bilden eigroße Zapfen aus, die bis zu 25 Jahre für ihre Reifung benötigen. Sie werden nicht abgeworfen.

(AS)

Wir verlassen nun die amerikanische  Westküste und begeben uns ins lausig kalte Erzgebirg, wo die erste „Pflanze der Woche“ des neuen Jahres auf uns wartet.

Pflanze der Woche  02.01.2017-08.01.2017

Hadschi, das Räuchermännchen

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Winterlandschaft: nicht nur im Erzgebirge hat es geschneit, auch in Halle. Unserer Pflanze macht der Schnee aber nichts aus, im Gegenteil.

In dem kleinen Städtchen im Erzgebirge, auf fast 500 Meter Höhe gelegen, herrschte des Mittelalters immer schon merkwürdiges, geradezu geheimnisvolles Treiben. Tief im Inneren des Berges hämmerten kleine Wichtel das Erz aus den Gängen, die Bergleute schoben es auf kleinen Hunden hinaus. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts schon machten der Silberbergbau den unwirtlichen Ort zu einer Stätte bescheidenen Wohlstands, das „Berggeschrey“, eine Art frühneuzeitlicher Goldrausch, zog zahlreiche Menschen an. Kein geringerer als Georg Agricola, der große Lehrbuchautor der Bergwerkskunst, schrieb in einem seiner Werke, dass die Grube „..so viel hatte, als in keiner Grube Deutschlandes je gefunden worden war. Sie haben auch, wie wohl bekannt ist, eine so grose gediegene Silberstufe angehauen, daß Herzog Albrecht zu Sachsen […] aus Neugierde in die Grube gefahren, Speise und Trank hinunter bringen lassen, und sich dabei dieser Stuffen statt Tisches bedienet, wobei er gesagt: unser Kaiser Friedrich ist zwar gewaltig und reich; ich weiß aber doch, daß er jetzo keinen solchen stattlichen Tisch hat“

Doch schon Ende des 16. Jahrhunderts erschöpften sich die Silbergruben, man baute noch eine Zeit lang Kobalterze ab, aus denen sich eine blaue Farbe gewinnen ließ, aber viele Bürger mußten sich nun auch anderer Beschäftigung zuwenden. Die Wirtschaftskonversion trieb vielfältige Blüten: man schnitzte und drechselte Schwibbögen, kerzentragende Bergmänner und Räuchermännchen. So ein Räuchermann braucht natürlich Tabak, auch wenn in den heutigen Männlein nur ein lumpiger Kegel aus gefärbtem Holzmehl mit natürlichen und naturidentischen Aromen brennt. Aber in jener Zeit, von der wir hier reden, war immer schon eine andere Nutzung des Tobacks sehr populär. Es soll ein Apotheker der Stadt  gewesen sein, der ein sehr wirksames Pulver erfand. Sein Vorteil: man brauchte zu seiner Herstellung nicht einmal virginischen Tabak importieren.

Das Mittel sollte förmlich den Kopf wieder freiblasen. Enthalten war unter anderem getrocknete Teile unserer Pflanze. Das Mittel, dessen Wirkung bestimmten alkaloiden Inhaltsstoffen der Pflanze zu verdanken ist, führt, eingesogen, zu heftigen, geradezu eruptiven Reaktionen, die den Verstand reinigen und gegen Schwindel und Übelkeit wirken sollten. Aber es rief auch Kritiker auf den Plan, so schrieb schon 1750 Johann Georg August Galetti, ein Gymnasialprofessor in Gotha: „Die Haupteinnahme dieses Städtchens  besteht im Schnupftabak. Er schwächt das Gedächtniß und bringt den verlorenen Schwindel wieder“.
Das Ende des erzgebirgischen Traditionsproduktes kam schleichend, in der alten Bundesrepublik wurden vergleichbare Produkte schon 1983 aus dem Verkehr gezogen, Schuld war die „Richtlinie 83/264/EWG des Rates vom 16. Mai 1983 zur vierten Änderung der Richtlinie 76/769/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen.“

Für unsere Pflanze heißt es da: „Nicht zugelassen in Scherzartikeln oder Gegenständen, die als solche verwendet werden können“. Nun ist ja unser Pülverchen kein Scherzartikel, und so produzierte ein Apotheker am Orte noch bis 2012 seine Ware nach traditionellem Rezept weiter, reichte jährlich 200 Päckchen über den Ladentisch. Doch dann kam das endgültige Aus: nach der neuen Apothekenbetriebsordnung  dürfen  nur noch Ausgangsstoffe mit zertifizierter Qualität verwendet werden. Und unsere Pflanze wollte niemand zertifizieren. Wohl zu Recht: denn sie wirkt mit ihren Herzglykosiden, je nach Dosis, sogar tödlich giftig.

Unsere Fragen:

Wie heißt unsere Pflanze?

Warum passt sie so schön  zur Weihnachtszeit ?

Und wie heißt das erzgebirgische Nest, von dem hier die Rede war?

(Red)

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