Pflanze der Woche, 17.-23. März 2025.
Die Feierabendauslosung in der Pflanzenredaktion war stets ein kleines Spektakel. Mit geübter Routine standen Heino, Herr Dr. Karl Christian Gmelin, Elfriede – die Ex von Heino – und die neue Redaktionsassistentin Nixi im Halbkreis. Eigentlich hieß sie Veronica Nixdorf, doch niemand nannte sie so. „Nixi“ passte besser zu ihrer lebhaften, unkomplizierten Art.
Die Regeln waren klar: Reihum musste jeder eine Pflanze nennen, die noch nicht als „Pflanze der Woche“ gewählt worden war. Wer zögerte oder eine bereits genannte Pflanze wiederholte, schied aus. Das Spiel erforderte Konzentration und Gedächtnis – ein Wettkampf, in dem die alten Hasen deutlich im Vorteil waren.
Die Namen flogen schnell und sicher durch den Raum, bis Nixi an der Reihe war. „Kleines blaues Blümchen, na wie denn nun…“, stammelte sie, und die Runde brach in Gelächter aus. Heino konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen – er mochte diese Mischung aus Selbstbewusstsein und Unsicherheit.
Er beugte sich zu ihr und murmelte: „Macht nichts, Nixi. Du bekommst einen Ehrenpreis.“
Sie hob eine Augenbraue und sah ihn neugierig an. „Ach ja? Was soll das sein?“
„Ein Lehr-Ausflug“, antwortete Heino und bemühte sich um einen sachlichen Tonfall, während sein Puls ein wenig schneller ging. „Ich kenne da eine Wiese im Grünen. Da wachsen tatsächlich diese kleinen blauen Blümchen. Wir könnten ein Picknick machen.“
Zu seiner Überraschung willigte sie ein, wenn auch mit einem amüsierten Lächeln, das er nicht recht deuten konnte.
Zwei Tage später brachen sie bei strahlendem Sonnenschein mit ihren Fahrrädern auf. Der Frühling zeigte sich von seiner besten Seite, die Luft war mild, und die Wege trocken. Nach einer halben Stunde erreichten sie die Wiese – eine sanfte Anhöhe, übersät mit kleinen blauen Blüten, die das frische Grün wie zufällig durchzogen.
Nixi ließ sich ins Gras fallen und strich gedankenverloren mit den Fingern über die winzigen Blüten. „Ein Perserteppich“, murmelte sie.
Heino setzte sich neben sie, nicht zu nah, aber nah genug, um ihr Parfum in der milden Brise zu riechen. „Ein lückenhafter Perserteppich vielleicht“, entgegnete er trocken.
Nixi grinste nur und begann plötzlich zu erzählen – von der Herkunft der Pflanze, die um 1805 aus dem Botanischen Garten Karlsruhe entwichen war und sich seither in Europa ausbreitete. Heino war überrascht von ihrem Wissen und sah sie prüfend an.
„Nicht schlecht“, bemerkte er schließlich.
„Manchmal unterschätzt man mich“, sagte sie, ohne aufzuschauen, während sie eine der Blüten zwischen den Fingern drehte.
In einem plötzlichen Impuls strich er ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht, und sie hielt kurz inne, bevor sie ihn ansah – ernst und mit einem Ausdruck, der ihn verunsicherte. Dann begann sie, leise und mit einem leicht neckischen Tonfall, zu summen. Dieses Lied von den – na, wie hießen sie noch? :… “ Der Poet, Otto Licht
Hält es jetzt für seine Pflicht Er schreibt dieses Gedicht“
„Passender Titel“, meinte Heino und bemühte sich, ruhig zu bleiben.
„Fand ich auch“, erwiderte sie, und für einen Moment herrschte eine Stille, die sich eigenartig intensiv anfühlte. Ihre Finger spielten noch immer mit dem Blümchen, und ihre Knie berührten leicht seinen Oberschenkel, als wäre das Zufall – oder auch nicht.
„Magst du das Blau?“ fragte er schließlich und räusperte sich.
„Eigentlich schon“, sagte sie leise. „Deine Augen sind auch so ein bisschen blau. Nicht ganz, aber fast.“
Heino spürte eine leichte Hitze aufsteigen und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Doch bevor er etwas erwidern konnte, stand Nixi plötzlich auf und klopfte sich die Jeans sauber.
„Wir sollten zurück“, sagte sie knapp. „Der Artikel schreibt sich schließlich nicht von allein.“
Heino nickte und rappelte sich hoch, noch etwas benommen von diesem kurzen, fast zärtlichen Moment, den er kaum richtig einzuordnen wusste. Während sie die Fahrräder aus dem Gras zogen, hatte er das Gefühl, dass dieser Ausflug weit mehr in Bewegung gesetzt hatte als nur eine kleine redaktionelle Recherche.
Und hier kommt die einfache Frage: um welche Pflanze mit den blauen Blümchen kann es sich hier handeln, und wo im Text finden sich die Hinweise drauf?
Auflösung der letzten Pflanze der Woche: Die Schalotte, allium cepa var aggregatam (Früher: Allium ascalonicum)
Was sind Schalotten?
Schalotten (Allium cepa var. aggregatum) sind eine milde Varietät der Küchenzwiebel aus der Familie der Amaryllisgewächse. Sie zeichnen sich durch ihren feinen, leicht süßlichen Geschmack aus und bestehen aus mehreren kleinen Teilzwiebeln, ähnlich wie Knoblauchzehen.
Name und Herkunft: Das kleine Aschlouch
Der Name „Schalotte“ leitet sich vom französischen „échalote“ ab, das auf die antike Stadt Askalon (heute Aschkelon in Israel) zurückgeht. Ursprünglich stammen Schalotten aus Zentral- und Westasien und gelangten über Handelswege nach Europa, wo sie vor allem in Frankreich eine bedeutende Rolle in der Küche erlangten. Auch in den Mittelhochdeutschen hat sich Askalon eingeschlichen: mit „Aschlouch“ nannte man das Zwiebelgewächs. Eine Charlotte so zu bezeichnen, ist also keine Beleidigung.




Botanische Merkmale
Schalotten sind mehrteilige Zwiebeln mit rötlich-brauner oder violetter Schale. Sie bilden selten Blüten und vermehren sich meist vegetativ durch Tochterzwiebeln. Botanisch sind sie eine Varietät der Küchenzwiebel und gehören nicht zu einer eigenen Art.
Verwendung in der Küche
Aufgrund ihres milden Aromas werden Schalotten häufig roh verwendet, etwa in Dressings, Vinaigrettes und Saucen wie der Sauce Béarnaise. Sie passen auch gut zu Schmorgerichten und verfeinern Suppen und Ragouts, ohne die Speisen geschmacklich zu dominieren.
Weitere Pflanzen der Woche findet Ihr in unserem Archiv – seit 2016, ohne Auslassung, jede Woche eine.
11 comments on “Mädchen lacht, Jüngling spricht „Fräulein, wollen Sie oder nicht“”
Die Comedien Harmonists sangen davon, dass der Lenz da ist und der Spargel wächst. Die blauen Blümchen wachsen folgerichtig auch zu dieser Zeit mit ihrem, ihrem…ja, FDJ-Blau ( würde ich sagen, um es richtig zu charakterisieren und alle Gleichaltrigen müssten mir zustimmen, denn sie waren Mitglieder dieser Jugendorganisation der DDR. Nur wenige konnten sich widersetzen.) Und ich meine Scillas (Blausterne), denn sie gehören zu einer Untersorte der Spargelgewächse, also nichts Anstößiges dabei.
Wenn ich das Bedürfnis habe, ganz, ganz viele davon zu sehen, gehe ich auf den STAGA.
Da brauche ich nichts zum Picknicken mitzunehmen, denn Fressbuden/ Imbisseinrichtungen gibts es nicht weit davon. Heino weiß sicher, was und wo der STAGA ist? Andernfalls kläre ich ihn gerne auf….
MfG
die NICHT GEEXSTE ELfriede (ELSCHALOM)
Nicht der Heino, aber der Hei-Wu weiß, was einem auf dem Stadtgottesacker blühen kann. Nämlich die giftige Scilla, die ist schlimmer als Scylla und Charybdis, jene gefürchteten Ungeheuer der Meere, welche jeden Wanderer näher in das Reich des Todes, also auf den StGa bringen kann, als ihm lieb ist. Allerdings mich dünkt, dass das keine Blausternchen sind, zumindest dem Foto oben nach (bzw. der einzigen Blüte, die da zu sehen ist). Blausternchen blühen übrigens auch im Gimritzer Park, ab nächste Woche geht es wieder los.
Frau Elfriede, die Blausterne waren schon einmal dran, und zwar hier: https://hallespektrum.de/bild-der-woche/ungeheuer-im-blauen-meer-der-blumen/395480/
Das Redaktionsspiel hätten Sie schon mal verloren.
Liebe Elfriede, nimm es dir nicht so zu Herzen, mit Heino, das wird schon wieder. Die Geschichte ist gespickt mit Hinweisen, so, dass es leicht war den “ Persischen Ehrenpreis“ (Veronica persica) zu bestimmen.
Hinweise waren:
Herr Dr. Karl Christian Gmelin, Kräuterbuch
Ehrenpreis für Nixi
Veronika, Vorname von Nixi und in dem Frühlingslied
Perserteppich
Interessant auch die Geschichte über die angebliche Ausbreitung der Pflanze aus einem Labor der Stadt Karlsruhe.
Aus einem Labor jetzt, ernsthaft? Karlsruhe, das Wuhan des 19. Jahrhunderts? Mir macht das Frollein Veronika in Garten tatsächlich ernsthaft zu schaffen. Und dann habe ich mal nach dem Poeten Licht gegoogelt, der „das folgende Gedicht“ schrieb. Nicht fündig geworden.
„Wussten sie, dass das berühmte Lied „Veronika, der Lenz ist das“ auf einen Freiburger Dichter zurückgeht? Das ist die Geschichte von Otto Licht, die leider kein glückliches Ende findet. “ schreibt die Badische Zeitung. Leider ein Bezahlartikel!
An Wuhan dachte ich auch gleich. Glaubhafter ist diese Beschreibung:
Ursprünglich stammt der Persische Ehrenpreis aus dem Kaukasusraum. Er wurde in Europa zunächst nur in Botanischen Gärten gehalten. Im 19. Jahrhundert (wahrscheinlich 1805) ist er dann, angeblich aus dem Botanischen Garten Karlsruhe, verwildert und hat sich über ganz Mitteleuropa ausgebreitet.
Bezahlseiten nerven total. Zumal man ja nicht irgendwelche Bezahlabos für irgendwelche Provinzblätter abschließen will, wo dann allemal ein zweimal im jahr etwas steht, was einen interessiert. Aber ich bin nach einigen Klimmzügen zum Ziel gekommen:
hier eine zusammenfassung von Bing: Die Geschichte erzählt von Otto Licht, einem Freiburger, der 1907 als jüngstes von 13 Kindern geboren wurde. Seine Mutter war Hausfrau, sein Vater arbeitete im städtischen Gartenamt. Schon früh entwickelte er Interesse an der Natur sowie eine ausgeprägte Beobachtungsgabe. Nach seiner Schulzeit, die er eher zurückgezogen verbrachte, studierte er Biologie und Meteorologie an der Universität Freiburg, die damals ihren 470. Geburtstag feierte. Später zog Otto Licht nach Berlin, da ihm seine Heimatstadt zu eng wurde.
In der Hauptstadt hoffte er auf berufliches Glück, doch es schien, als bliebe er unbemerkt. Sein Leben änderte sich, als er Harry Frommermann, den Gründer der Comedian Harmonists, in einer Berliner Kneipe traf. Dort schrieb Otto spontan ein Gedicht auf einen Bierdeckel. Dieses Gedicht wurde von Frommermann bearbeitet und zur Vorlage des berühmten Liedes „Veronika, der Lenz ist da“.
Der Text, der stark von Ottos Heimweh und Erinnerungen an Freiburg geprägt war, wurde ein großer Erfolg. Leider konnte Otto Licht diesen Triumph nicht mehr erleben, da er im Dezember 1932 verarmt und verbittert verstarb. Positiv betrachtet blieb ihm dadurch das Leid erspart, von den Nationalsozialisten vereinnahmt zu werden.
Danke, interessant, Freiburg ehrt ihn als bedeutenden Freiburger.
„zu Herzen nehmen“? Beileibe nicht. Diese erwähnte Blume kenne ich gar nicht, mir ist nicht bewusst, sie einmal gesehen zu haben und wenn doch, muss ich sie wohl als wenig beeindruckend empfunden haben und habe sie ..ratz, batz..unter den Teppich gekehrt.
Ich freue mich jetzt über die Gänseblümchen, etwas Schöneres gibt es für mich in D nicht. Und die Äußerungen Strittmatters über die Gänseblumen halte ich für das Schönste, was er geschrieben hat. Man muss sich über das freuen, was man hat und bescheiden sein in seinen Ansprüchen, dann geht es einem gut.
Liebe Elfriede, ich habe die gleiche Meinung. Ich freue mich über das was ich habe und jammere nicht über Einschränkungen. Ist es nicht schön, was wir im hohen Alter noch erleben. Danke für den Tipp mit den Gänseblümchen. Ein schönes Wochenende wünsche ich allen Lesern.
@NhuDheng, @Elfriede: dass Elshalom, alias Elfriede, in höherem Alter ist, das wusste ich. Du, NuDheng, kamst mir jünger vor, aber ich rücke auch langsam auf diese Phänomen des Alterns zu. Es stimmt, man freut sich dann auch über Gänseblümchen, mehr aber doch, seinen Wissenshorizont zu erweitern, während – so geht es mir- hinter der sich erweiternden Wissensfront wiederum Wissen zusammenbricht. „ klingt interessant, was der Typ da schreibt“, und dann lese ich den Autorennanen. „Scheiße, das war ich selber“. Dann wird irgendwann die letzte Phase des Lebens sich hineinschleichen. „Schöne Veranstaltung, sagte mein Opa, als er sich in einer wunderschönen Party wiederfand. „Wer sind all diese interessanten Leute hier? Mit denen kann man sich wirklich klug unterhalten“. Es war sein 90.er Geburtstag.