Liebe ist meine Religion

9. Oktober 2017 | Bild der Woche | 10 Kommentare

 


„Liebe ist meine Religion“ ist so ein Zitat von Bob Marley, dem populären Vater der Reggae-Musik, der nur 36 Jahre alt wurde. Trotzdem soll er bis zu 46 Kinder gezeugt haben, wodurch sein Zitat eine neue Dimension erfährt. Er war ein Anhänger der Religion der Rastafari, was sich in seinen spirituellen, teilweise auch politischen Texten ausdrückt. Leider scheint ihm dieser Glaube auch zum Verhängnis geworden zu sein, als er sich bei schwerer Erkrankung lange nicht behandeln ließ.

Leiden Sie unter Tripophobie? Dann wird Ihnen der Ausschnitt dieser Pflanze nicht gefallen.

Jetzt schnell der Brückenschlag zur gesuchten Blume: Sie hat indirekt etwas mit Reggae zu tun, also mit den Roots des Reggaes, und knüpft an die Farben des Ursprungslandes an (- okay, ein wenig muss man die Augen zudrücken). Derzeit ist sie auch in Deutschland unter reger Verhandlung.

Die Blume wurde in früheren Zeiten als Abbild eines Gottes verehrt (- das kann nicht christlich sein). Ihre die Samen umschließende Frucht ist sehr wertvoll, sie besteht u.a. zu einem Viertel aus Eiweiß, zu einem Drittel aus Fett. Ein erwachsenes Exemplar der Pflanze verfügt über tausende von Blüten! Insgesamt klingt die Konstruktion der gesuchten Pflanze recht technisch. So hat ihr Stiel ein Gelenk, das mithilfe von Motorzellen Bewegungen ermöglicht. Im Laufe ihres Lebenszyklus verändert sie ihre Aktivität jedoch.

Wieder spielt der Gott der letzten Woche eine Rolle, Apoll(on). Dieses Mal verschmähte ER die Liebe zu einer Frau, diese äußerte in ihrem Liebesleiden tyrannische Züge. So etwas ist jedoch immer kontraproduktiv – noch mehr wurde sie nun von Apoll ignoriert. In ihrem Kummer kam es – wie in der letztwöchigen Geschichte – zur Metamorphose der Frau, wieder einmal in die von uns gesuchte Wochenpflanze. Jetzt genug der Mythen, die sich hoffentlich nicht zu oft im wahren Leben widerspiegeln: Liebe muss nicht immer tragisch enden, lasst uns der Musik Bob Marleys lauschen und einfach glücklich sein: No woman no cry – anders, als die meisten wohl vermuten, ist die Bedeutung in der jamaika-kreolischen Landessprache folgender: „Nein, Frau, weine nicht“!

Auflösung der letzten Pflanze der Woche: die Rosskastanie, Aesculus hippocastanum

Agricola ist auch im richtigen Leben, nicht nur in der Rahmenhandlung des letzten Pflanzenrätsels ein ziemlich guter Naturkenner. Roßkastanie, Miniermotte, Aesculin. Der Reihe nach:

Bei der Pflanze handelt es sich um die Rosskastanie, den man hier landläufig Kastanie nennt, obwohl er mit der echten Kastanie oder Marone nicht im geringsten verwandt ist, es sind nur die Früchte, die eine gewisse optische Ähnlichkeit zu Maronen aufweisen. Die Rosskastanie gehört in die Ordnung der „Seifenbaumartigen“ (Sapindales), während wir die Marone bei den Buchenartigen (Fagales) zu suchen haben. Die Rosskastanie stammt aus den feuchteren Gebieten des Balkans, so gibt es in den Wäldern Albaniens heute noch größere, natürliche Bestände.

Es erscheint merkwürdig, dass man die Bäume in der griechischen und römischen Antike offenbar nichjt einmal kannte- sie werden jedenfalls nicht erwähnt. erst die Osmanen nutzten den Baum – und zwar die „Kastanien“ als Pferdefutter. Daher stammt auch der wissenschaftliche Artname: hippo-castanum, Ross-Kastanie. me:

Der Gattungsname „Aesculus“ stammt von Carl v. Linne, er übertrug diese lateinische Bezeichnung, die in der Antike der Traubeneiche gegolten hatte, auf die Rosskastanie.

Erst die Türken brachten bei ihren Eroberungszügen die Kastanie nach Westeuropa. Und zwar dahin, wohin sie auch den Kaffee brachten: Nach Wien, wo sie sich dann ab 1576 von dem Hofbotaniker  Clusius in den Gärten gepflanzt wurden. Von hier aus versandte er Samen in  ganz Europa. heute ist der Baum weder aus deutschen Biergärten wie auch Alleen und Park wegzudenken. Danke, Süleyman !

Der menschlichen Ernährung dient die Kastanie nicht, die Früchte enthalten Alkaloide und Saponine, unter anderem das Hydroxycumaringlykosid Aesculin.

Aesculin

Garant für eine weiße Weste

Es wird durch UV-Licht zur Emission eines sichtbaren, blauen Lichtes angeregt. Diesen Effekt hatte man schon im 19. Jahrhundert beobachtet, und der Chemiker Paul Krais (1866–1939) kam 1929 auf die Idee, mit dem Farbstoff Textilfasern zu „färben“. Der Effekt war verblüffend: die immer leicht gelblich wirkenden Naturfasern strahlten auf einmal in hellstem, reinen Weiß. Der Grund: der blaue Fluoreszenzfarbstoff wirkt als „optischer „Aufheller“. Das im Tageslicht enthaltene UV-Licht wandelt sich in sichtbares blaues Licht um, addiert sich zum und kompensiert den Gelbstich der Naturfaser. Heute sind solcherart „optische Aufheller“ in den meistens Waschmitteln enthalten – sie waschen dann tatsächlich „weißer als weis“. (Und deshalb leuchtet auch Veras Bluse im Diskolicht hellblau auf, während die seit langem nicht mehr gewaschene Tischdecke dies nicht tut.)

Ein abgeschnittener Rosskastanienzweig im Wasserglas unter UV- Licht (395 nm)

Mordende Motten

Roßkastanien-Miniermotte Cameraria Ohridella

Seit wenigen Jahrzehnten beobachten wir in Mitteleuropa ein trauriges Phänomen. Unsere liebgewonnenen Rosskastanienbäume bekommen bereits im Hochsommer braune Blätter, und jetzt, im Frühherbst, sehen die Bäume wie tot aus, viele sterben tatsächlich, überleben den kommenden Winter nicht. Den Verursacher hat man ausgemacht:die Rosskastanien-Miniermotte. Es ist ein hässlicher Falter, der im Frühjahr seine Eier an der Blattoberseite der Kastanienblätter ablegt, die sich daraus entwickelnden Larven fressen sich durch das Blattgewebe, unterminieren es. Die Folge: Das Blatt stirbt ab, und nach kurzer Zeit, oft bereits im Frühsommer, ist die einstmals grüne Pracht des Deutschen Biergartens braun und tot. Das kann man als politisches Symbol sehen und witzig finden, doch der Spaß hört schnell auf: viele befallene Bäume gehen nach einigen Jahren zu Grunde, weil ihre Blätter nicht mehr genügend Photosynthese betreiben können. Der Baum stirbt an Unterernährung.

Als Reaktion versucht das Opfer noch, im Herbst neue Triebe zu bilden, samt Blüten und Fruchtansätzen, während die Motte sich bereits verpuppt hat, und mit den braunen Blättern zu Boden gesegelt ist: hier lauert sie dann auf den Frühjahrsaustrieb ihrer Opfers – wenn es denn den Winter überlebt. Die Kastanienblüte im Herbst ist gewissermaßen ein letztes Aufbäumen gegen den nahenden Tod. So zu sehen gerade in Halle.  Beachtenswert ist dabei lediglich, dass der „Johannistrieb“ vorzugsweise an Stellen erfolgt, wo Straßenlaternen den Tag verlängern, und dem Baum suggerieren, es sei Frühling. So zu sehen an vielen Orten in der Stadt.

Oft überleben solche Bäume den Winter nicht, und ihre spätherbstlich angesetzten Früchte erreichen keine Reife und keine Keimfähigkeit.

Es geht um den Fortbestand des deutschen Biergartens

Wie konnte es dazu  kommen, dass die seit einigen hunderten von Jahren so robuste Roßkastanie, nach Linde und Eiche einer der wichtigsten, identitätsstiftenden deutschen Bäume, solch einem Generalangriff erliegen konnte?. Naturforschern gibt das  Rätsel auf. Erst 1984 wurde die Miniermotte überhaut erst entdeckt – und ausgerechnet im Heimatland ihres Wirtsbaums. In Albanien und Makedonien !

Später hat man herausgefunden, dass die Motte schon in geschichtlicher Zeit an den Bäumen in ihre balkanischen Heimat nagte – ohne die Rosskastanie dort auszurotten oder ihr bedenkliche Schäden zuzufügen. Irgendwann zu Ende des letzten Jahrtausends ist es dem Schädling gelungen, dem expatriiertenWirt zu folgen, und dort bereitet er ihm den Tod. Warum nur hier? Möglicherweise – und da ist die Forschung noch auf dem Weg – hat die Miniermotte in ihrem Heimatland natürliche Feinde. Wenn man sie findet – soll man sie nach 300 Jahren Rosskastanie und  20 Jahren Miniermotte  ebenfalls hier ansiedeln? Mit welchen Folgen für die Umwelt?

Klimawandel und durch Menschen beförderte Migration der Arten sollte nicht als Forschungsgegenstand  durchgeknallter Botaniker  und Insektenkundler abgetan werden. Es geht um nichts weniger als den Fortbestand des deutschen Biergartens.

 

 

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