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Langweilig, bitter, gewöhnlich und trübselig

Pflanze der Woche, 6.-12. Oktober 2025

Heino saß missmutig an seinem Schreibtisch. Vor ihm im Glas: ein paar welke Stängel, gelbe Blüten, die schon ihre Köpfe hängen ließen. „Das ist wirklich eine der hässlichsten Pflanzen, die ich je gesehen habe“, murmelte er. „Was soll ich dazu nur schreiben?“

Draußen regnete es, das Büro war grau, seine Stimmung nicht besser. Er fühlte sich so, wie die Pflanze aussah – gewöhnlich, verbittert, ein Stück grauer Alltag. Nutzlos. Nichts Besonderes. „So bin ich auch“, dachte er. „Nicht schön, nicht glänzend. Nur gewöhnlich.“

Sein Blick wanderte an die Wand. Dort hing ein Gemälde, das er liebte: ein Kunstdruck, irgendwo in einem Museum gekauft, italienische Renaissance. Eine junge Frau, mit goldenen Haaren und sanften Augen, die ihn immer an Nixi erinnerte. Nixi, die fern von ihm unterwegs war. So schön und rein wie eine Orchidee war sie, dachte Heino, während er selbst sich nur so langweilig und bitter vorkam wie die Pflanze vor ihm.

„Sie wird mich verlassen“, flüsterte er.

Da war es, als ob die Frau im Bild zu ihm sprach, mit Nixis Stimme:
„Es gibt keine sinnlosen Geschöpfe. Alle haben ihren Sinn.“

„Aber nicht die da!“, rief Heino und zeigte auf die welke Pflanze. „Die taugt nichts.“
„Doch“, erwiderte die Stimme sanft, „zum Beispiel zum Essen.“
„Unmöglich, die ist bitter!“
„Manche lieben Bitterkeit. Ich zum Beispiel mag dich.“

Heino musste lächeln. Ja, Bitterkeit mochte er – im Bier etwa. Er stieß einen tiefen Atemzug aus, und plötzlich bebten die Pflanzenreste im Glas. Hunderte kleiner, behaarter Samen lösten sich, schwebten empor und segelten durch den Raum. Wie die Schirmchen einer Pusteblume, nur feiner, unscheinbarer. Und für einen Augenblick war selbst das Büro nicht mehr grau.


Fragen an unsere Leser:

  • Um welche Pflanze handelt es sich?
  • Wo kommt sie vor?
  • Kann man sie essen – oder ist sie giftig?
  • Von welchem italienischen Maler könnte das Bild im Hintergrund stammen?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Vaterunser und Rosenkranz“): Paternosterbaum (Melia azedarach)

Nhu Deng hatte sich gemeldet und die fragen treffend gelöst. „Der Zedrachbaum oder Indischer Zederachbaum (Melia azedarach), auch Persischer Flieder, Westindischer Flieder, Chinesischer Holunder oder Paternosterbaum genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Melia in der Familie der Mahagonigewächse (Meliaceae).
Melia schrieb sicher „Melia azedarach“ auf.
Der Zedrachbaum (Melia azedarach) stammt ursprünglich aus Südasien, darunter Indien, China und der Himalaya-Region, sowie aus Teilen Australiens. Auch wenn der Baum nicht aus Persien im heutigen Sinne stammt, leitet sich sein wissenschaftlicher Name vom persischen Wort „azad dirakht“ ab, was „prächtiger Baum“ bedeutet. Persien ist vielmehr ein Gebiet, in dem der Zedrachbaum aufgrund seiner schönen Blüten und seines dekorativen Werts weit verbreitet ist und geschätzt wird
Alle Pflanzenteile werden als giftig eingestuft, besonders die Früchte.
Die Blüten des Zedrachbaums sind violett und verströmen einen Duft, der mit dem von Flieder verglichen wird.“


Der Baum erreicht Höhen von bis zu 15 Metern. Seine Blätter sind groß, zwei- bis dreifach gefiedert, und erinnern entfernt an Eschenlaub. Im Frühjahr erscheinen zahlreiche, sternförmige, violett bis lila gefärbte Blüten mit süßlich-fliederartigem Duft. Im Herbst bilden sich kugelige, gelblich-bräunliche Steinfrüchte, die im Winter oft lange am Baum hängen bleiben.

Herkunft und heutiges Vorkommen

Ursprünglich stammt der Paternosterbaum aus Süd- und Ostasien, insbesondere Indien, Iran, Afghanistan und China. Seit Jahrhunderten wird er in den Mittelmeerraum, nach Australien und Amerika eingeführt und gilt heute in vielen Regionen als Zier- und Alleebaum.

Früchte und Giftigkeit

Die harten Steinkerne der Früchte sind länglich gerippt und werden seit Jahrhunderten zur Herstellung von Rosenkränzen und Gebetsketten verwendet. In rohem Zustand enthalten die Samen jedoch toxische Inhaltsstoffe (vor allem Triterpene wie Toosendanin), die zu Übelkeit, Erbrechen und schweren Vergiftungen führen können. Daher gilt der Baum als giftig, wenn die Früchte verzehrt werden – wenngleich die harten, polierten Perlen in Ketten meist ungefährlich sind, da die giftige Substanz im Kern eingeschlossen bleibt.

Kulturgeschichte und Verwendung

Der Paternosterbaum wurde im christlichen Abendland durch die Verwendung seiner Früchte als Perlen für Rosenkränze bekannt – daher der Name. Seine Nutzung reicht jedoch weit darüber hinaus: In Indien und China diente er medizinischen Zwecken, in Südeuropa wurde er als Zierbaum gepflanzt. Sein Holz ist hart und dekorativ gemasert, gelegentlich wird es für Drechselarbeiten genutzt.

Gebetsketten allgemein

Gebetsketten finden sich in fast allen großen Religionen: als Rosenkranz im Christentum, als Misbaha im Islam, als Mala im Hinduismus und Buddhismus. Sie dienen der rhythmischen Wiederholung von Gebeten und Meditationen. Der Paternosterbaum ist durch seine harten, leicht polierbaren Früchte in diese Tradition eingebunden worden.

Der Paternoster-Lift

Der „Paternoster“ ist ein endlos umlaufender Personenaufzug, der im 19. Jahrhundert erfunden wurde. Seine Kabinen bewegen sich ohne Halt in einer Kette nach oben und unten – vergleichbar mit den Perlen eines Rosenkranzes, die an der Schnur entlanggleiten. Einst prägten Paternoster viele Amts- und Verlagsgebäude. Die meisten von ihnen jedoch gibt es heute nicht mehr: aus Sicherheitsgründen wurden die Anlagen nach und nach stillgelegt.

Weitere „Pflanzen der Woche“ findet Ihr in unserem Archiv – alle, seit 2016.

5 comments on “Langweilig, bitter, gewöhnlich und trübselig”

  1. – Wiesen-Pippau (Crepis biennis)
    – Wiesen, Wegränder, Weiden
    – nicht giftig, junge Blätter kann man theoretisch als Wildgemüse nutzen, ähnlich wie beim Löwenzahn, allerdings sind sie eher herb
    – könnte z. B. Sandro Boticelli sein oder auch Boltraffio …

  2. Pippau sieht schon ähnlich aus. Aber ich gebe zu, bin gerade mit einer Bestimmungsapp ( Picture!this) drauf gegangen. Das ist natürlich gemogelt, deshalb verrate ich nix. Aber ist schon „erschreckend“ wie gut KI und Bilderkennung heute funktionieren. In den 1990er Jahren, als man begann, Neuronale Netze zu bauen, war es schon eine Sensation, wenn die KI einen Russenpanzer im Gebüsch erkannte. Heute identifiziert sie den Nicht-Pippau in einem durch allerlei komisches Zeug angereichertes Symbolbild.

  3. Dann ist es das „Gewöhnliche Bitterkraut (Picris hieracioides)“ vermute ich.

  4. Rati vermutet Sandro Botticelli ist der gesuchte Künstler.
    Langes blondes Haar war ein charakteristisches Merkmal von Botticellis weiblichen Figuren.

  5. Wahrscheinlich liegt Rati sowohl mit Botticeli als auch mit Boltraffio nicht falsch. Irgendwie der Duktus des Gesichtszuges und die lockigen Haare.. ja, Botticelli. Von beiden Künstlern kennt man nur jeweils ein einziges Bild mit einer weiblichen Brust, bei Boltraffio ist es eine stillende Madonna, und bei Botticelli nur die berühmte „Geburt der Venus“. Mehr haben diese Künstler sich nicht getraut. Cranach dagegen hatte geradezu eine Manie mit weiblichen Brüsten, da war jeder Vorwand recht, seinen zahlenden Zeitgenossen auf Wunsch Brüste samt Brustwarzen zu liefern. Adam und Eva in Serie, Venus, alles wurde an Fürstenhäuser und zahlende Bürger geradezu industriell geliefert. OK, und auf blonde lange Beine standen seine Kunden auch…
    Aber das Gesicht ist eher schon italienische Renaissance, würde ich mal Rati recht geben. Aber es hat nicht dieses stereotypen Ausdruck wie bei Cranach und eben Botticelli, bei dem man ja vermutet, er habe Vorlagen wie aus dem Ausschneidebogen zusammengestückelt.

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