Jede Blume eine Braut

28. August 2017 | Bild der Woche | 2 Kommentare

Unsere neue Wochenpflanze stellt sich nur ganz kurz selber vor, schließlich ist noch Urlaubszeit. Das Bild sollte fast alles verraten, und die Schöne fordert uns auf:

Wird gesucht: Die Pflanze der Woche 28. August -3. September

  1. Sag mir meinen Namen.
  2. Lass mich von Deinem Kind benennen und du erinnerst dich an meine symbolhafte Bedeutung – richtig? Welche ist das?
  3. Und in diesem Kontext: Wer glaubt, mich oder wichtige Schwestern (welche?) gefunden zu haben?
  4. Sollte ich nicht eigentlich rot sein?
  5. Für ganz fleißige Leser sowie Liebhaber von Literatur und Philosophie: In welchem Zusammenhang ist die Überschrift zu sehen?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche: Immergrüner Blickschutz

User(in?) Lou hatte mindestens eine Ahnung, benannt wurde die Lösung dann doch nicht. Vielleicht beim nächsten Rätsel?

Die buschförmige Lorbeerkirsche mit großen, glatten Blättern und roten und schwarzen Beeren. Hier als „angeflogener“ Solitärstrauch.

In Nachbars Garten wächst ein Kirschlorbeer als schöner, immergrüner Zaun. Dieser fachlich korrekt als Lorbeerkirsche (Prunus laurocerasus) zu benennende Strauch aus der Familie der Rosengewächse wird durch sein Epitheton laurocerasus, lorbeerartiger Kirschbaum, hinlänglich charakterisiert. Seine glänzenden Blätter verfärben sich nur ausnahmsweise, nämlich infolge winterlicher Trockenschäden, dann werden sie braun, hart, und fallen ab. Bei den kirschartigen Steinfrüchten dieses Neophyten fragte sich sicherlich schon so mancher Gartenplaner, wie bekömmlich diese wohl sind. Meistens interessieren den Gartenbesitzer jedoch das rasche, dichte Wachstum und der geringe Pflegeaufwand der als Sichtschutzhecke bevorzugten Pflanze. Darüber wird hart geurteilt: „Wer Lorbeerkirschen anpflanzt zeigt, dass er keine Ahnung und keine Geduld hat“, so der Geschäftsführer des NABU Bremen.

Amsel und Drossel erlaben sich an den Kirschen – aber sonst gleicht die Pflanze einem ökologischen Friedhof.

Unsere Wochenpflanze ist in Westasien und im Kaukasus heimisch, sie ist zu Luthers Zeiten nach Mittel- und Westeuropa gewandert. Hier haben wir nun ein Problem mit ihr: Wie auf dem Foto zu erahnen ist, sind die Früchte der Lorbeerkirsche für Vögel ein Genuss, doch sie verteilen den verdauten Genuss folglich von unserem Garten ausgehend überallhin in die freie Natur. Jetzt kommen die „Stärken“ dieses Neophyten zu tragen: Der Sämling braucht kaum Licht, nur wenig Wasser, ist also anspruchslos und wächst praktisch überall. Im Wald verdecken alsbald große Kirschlorbeerblätter die ebenfalls zart aufstrebenden Pflänzchen aus der natürlichen Waldverjüngung. Unser Neophyt hat zwar auch eine Schwäche – aber wiederum mit negativen Folgen für unsere Umwelt: Prunus laurocerasus blüht früh in hübschen, zierlichen, weißen Dolden. Die meisten, heimischen Wildbienen mögen den Pollen jedoch nicht, ebenso wenig die Mauerbienen und andere Insekten. Ein Glück, wenn noch andere Blütenpflanzen in der Nähe wachsen, damit für die Insekten kein Futtermangel auftritt. Und damit auch Meise, Rotschwänzchen und Zaunkönig ihre tierische Nahrung finden.

Der NABU spricht von „ökologischer Pest“

Noch immer werben viele Staudengärtnereien intensiv für den unkomplizierten Strauch, der sich ungezügelt ausbreitet und doch Nachteile bietet. Besser nicht kaufen, besser nicht Neubaugebiete damit umzäunen! Motivierte Guerilla-Gärtner könnten befreundete Gartenbesitzer auf die schädlichen Auswirkungen des Kirschlorbeers aufmerksam machen (- dabei auch gleich die kürzlich beschriebene Mahonie erwähnen). Als problematisch – wieder mit Anklang an die Mahonie – erweisen sich die Wurzelausläufer, möchte man die Pflanze bekämpfen. Zu bedenken ist auch, dass die „Kirschkerne“, naja, eigentlich alle Pflanzenteile giftig sind: Giftpflanze des Jahres 2013. Die in den Fruchtsamen (aber auch in den Blättern und Blüten) enthaltenen Glykoside werden im Magen in Blausäureverbindungen umgewandelt und führen zur Intoxikation. Bauchschmerzen sind dabei noch das kleinere Übel, dazu gesellen sich u.a. Herzrasen, Erbrechen und sogar Bewusstlosigkeit. Da Glykoside stark bitter schmecken, werden Kinder kaum große Anteile der Blätter unserer Lorbeerkirsche verspeisen. Selbst Mikroben scheinen die Blätter zu verschmähen, wie man bei den kaum verrottenden Blättern im Komposthaufen beobachten kann. Die Früchte dagegen haben nur einen leicht bitteren Nachgeschmack – doch zehn zerkaute Kerne können für ein Kind nach Atem- und Herzstillstand tödlich sein. Erwachsene sollten maximal 50 Samenkerne vertragen können – oder eben gerade nicht mehr.

Jedes Ding hat drei Seiten

In ihren heimischen Gefilden, beispielsweise der Türkei, werden Lorbeerkirschen jedoch gerne gegessen: Getrocknet oder gekocht z.B. als Marmelade, denn dabei werden die Giftstoffe teilweise zersetzt. Man sollte auf fachgerechte Verarbeitung achten. Aus den noch viel giftigeren Blättern werden Öle und Wässer hergestellt, um sie ähnlich wie Bittermandelöl zu nutzen.

Hierzulande gibt es Erfahrungen mit einer weiteren Verwendung der Zierpflanze: Die glykosidreichen Blätter helfen, organisches Material weich zu machen, ohne dass dabei Nebeneffekte wie Wasserschäden auftreten. Will man zum Beispiel seine heimische Käfersammlung reaktivieren, lege man die getrockneten Käfer zusammen mit zerschnittenen Blättern in ein geschlossenes Gefäß. Diesen Vorgang über einige Tage wiederholen, und schon sind die Käferbeinchen wieder schön geschmeidig. Selbst professionelle Restauratoren greifen auf diese Methode zurück.

Ob „unser“ Igel, der im Strauch wohnt, die Blätter für eine Stachelspitzen-Intensivkur nutzt oder einfach nur die ökologische Einsiedelei bevorzugt, ist noch unklar.

(A.S.)

 

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