Ist die Lösung dieses Pflanzenrätsels eine Sisyphusarbeit?

15. Januar 2018 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Nach längerer Zeit wollen wir uns einmal wieder einem sog. Superfood widmen. Ein (namentlich) vergleichbares Nahrungsmittel ist derzeit sozusagen in aller Munde. Es handelt sich um eine Frucht, die bei Trockenheit gerne am Baum „sonnengetrocknet“ wird, bis sie ganz runzelig aussieht. Und dann erinnert sie uns an eine bekanntere Frucht, sodass wir sie mit falschem Namen benennen. Der Baum wächst im Nordosten Chinas als seine Heimat, wird aber in warmen Gefilden weltweit angebaut. Auch in manchem einheimischen Kleingarten ist er zu sehen, erreicht dort aber oft „nur“ Höhen von 3-4 m. Auffallend sind seine 3 bis 6 cm großen, eiförmigen Blätter. Aus den gelb-grünen Blüten entwickeln sich nach der Bestäubung die erdbeergroßen Früchte. Diese enthalten einen spitzen Kern. Man kann die Früchte als Apfelersatz nehmen, sie frisch oder getrocknet genießen, auch kandiert oder als Marmelade, als Tee oder Wein, und sich dabei etwas Gutes tun. Extrahiert man bestimmte Stoffe aus der Pflanze, könnten diese Haarwachstum fördern oder sogar gegen Hautkrebs wirken. Die vielfältigen und komplexen Phytonährstoffe der Frucht sind es schließlich, die sie zum Superfood erheben. Aus dem Holz werden feine Gefäße hergestellt.

Man kannte die Frucht auch schon im Mittelalter

Wenn der geneigte Ratende nun all diesen Hinweisen nachgehen möchte, könnte sich das rasch als Sisyphusarbeit herausstellen. Vielleicht erweist sich der Weg über den deutschen Namen als besser geeignete Strategie? Die mittelalterliche Heilsanwendung der Frucht führte zu einer noch heute verbreiteten Bezeichnung, wobei dieser Name schon in den letzten Jahren des Kaisers Augustus erwähnt wurde. Ein anderer, häufiger verwendeter, deutscher Name der Pflanze mag, wenn man die Namensherkunft verfolgt, irreführend sein: Man kann den Umweg über einen der vier Evangelisten gehen, im Kapitel 27, Vers 29, wird eine historisch bedeutsame Verwendung der Pflanze erwähnt. Bibelwissenschaftler disputieren miteinander, um welche Pflanze es sich handelt. Bei der Gattung herrscht überwiegend Übereinstimmung, als arttypisches Epitheton wird für die sehr bekannte Nutzung etwas Anderes vorgeschlagen, als wir hier suchen. Dennoch trägt unsere gesuchte Pflanze im Verkauf oft einen Namen, der vermeintlich auf die biblische Verwendung zurückzuführen ist. Und ja, selbst die etymologische Erforschung der persischen oder arabischen Ursprünge des Gattungsnamens mag sich als Sisyphusaufgabe erweisen.

Ein letzter Tipp: Der „erste moderne Mensch der Neuzeit“ (vgl. https://hallespektrum.de/bild-der-woche/trauerflor-in-halle-sie-werden-moeglicherweise-den-winter-nicht-ueberleben/299190/) verbrachte  seine letzten vier Lebensjahre in einer schönen, italienischen Stadt, welche sich mit einer Spezialität von unserer gesuchten Pflanze rühmt.

So, liebe Ratefüchse, macht euch an die Arbeit:

Wie wird die gesuchte Pflanze nach Gattung und Art eingeteilt?

Welche deutschen Namen trägt der Baum bzw. die Frucht?

Wer hat das Superfood bereits getestet? Welche Inhaltsstoffe zeichnen es aus?

(A.S.)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (mit Böllern und Raketen): der Granatapfel

Fangen wir bei der letzten Frage an: die zu Stein gewordene Blüte ist der so genannte Baluster, eine ganze Reihe von Balustern ist die Balustrade. Die kleinen, meist runden, stark profilierten  Säulchen schmücken Terrassenbrüstungen, Balkone und Treppenläufe. Sie stammen aus der Renaissancezeit, die klassische Antike kennt diese Schmuckform nicht. Die Form soll, das behauptete jedenfalls der spanische Architekturtheoretiker Diego de Sagredo in seinem 1526 erschienenen Werk „Medidas del romano“, einer Granatapfelblüte entstammen. Wann diese geschwungene Säulchen in der Archtitektur aufkamen, ist nicht genau zu bestimmen, sie könnten ebenso aus der renaissancezeitlichen Beschäftigung mit römischen Kandelabern entstanden sein. Die ersten Baluster erscheinen jedenfalls in Venedig im ausgehenden 15. Jahrhundert. Wenn man Balaluster mit den Blüten des Granatapfelbaums vergleicht, muss man immerhin zugeben: Diego del Sagredo könnte Recht haben. Das Wort Baluster wiederum kommt aus dem griechischen und bedeutet „Granatapfelblüte“ (βαλαύστιον).  Möglicherweise hat sich Diego das ganze auch nur ausgedacht – denn weder die griechische noch die römische Architekten kannten den Baluster, geschweige, sie hätten ein Wort dafür entwickelt.

Aus Diego de Sagredos „Medidas del romano“ 1526

„Punica granatum“ war also die gesuchte Pflanze. Und von Spanien ausgehend, machen wir eine kleine sprachwissenschaftliche reise rund um das Mittelmeer. „Punica“ ist der Gattungsname. Er leitet sich von „punisch“ her, die Römer nahmen an, ihre Erzfeinde (die Nafris, also Punier oder Karthager) hätten ihnen die Frucht beschert. Im Artepitheton „granatum“  steckt das lateinische „grana“, also Korn. Das kann man verstehen, wenn man die Frucht öffnet: in ihr wimmelt es von Kernen, die mit einer süßen, roten, fruchtigen Hülle umgeben sind. Sehr lecker ! Dort wo Granatäpfel wachsen, presst man aus ihnen auch Saft als Erfrischungsgetränk, oder dickt ihn anschließend zu Sirup ein („Grenadine“, zum Kochen, aber auch als Bestandteil von Likören und Cocktails) . Die Vielzahl an süßen Körnern sind natürlich auch ein Fruchtbarkeits- und Glückssymbol.  Zu Neujahr ist der Granatapfel ein belkiebtes Gkückssymbol, beispilsweise dem jüdischen Rosh Hashannah) . In manchen getgenden Griechenland gehört es Neujahrsbrauch, einen Granatapfel auf den Boden oder an die Wand zu werfen, dass er aufplatzt, und die Kerne durch die Gegend spritzen wie eine Granate. Genau, die Granate hat ihren namen natürlich auch vom Granatapfel. Weil die frühesten Granaten eben auch aussahen wie die glücksbringende Frucht. Was hatten wir noch gefragt? Die merkwürdige chemische Formel benennt sich Granatformel und beschreibt die kristalline Zusammensetzung des Halbedelstteins Granat. (Wer diesen tiefroten Stei sieht, wird nicht lange fragen, woher der Name kommt. Und dann hatten wir ja noch nach einer Europäischen Gegend gefragt. Gedacht hatten wir an Granada, womut wir dann wieder in Spanien gewesen wären. Aber Lou hatte einen besseren Vorschlag: Rhodos. Auch das ist korrekt, denn der Name der Insel leitet sich ebenfalls vom Granatafpel (gr. Rodi /ῥοδῆ) her.

(HW)

 

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