Hübsch, etwas giftig und klingt wie eine bayrische Wurst

6. August 2018 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Heute suchen wir den Namen einer attraktiven Schattenstaude mit hübschen weißen Blütenglöckchen. Sie wird zwischen 60 und 80 Zentimeter hoch, wächst kompakt aufrecht und breitet sich langsam aus. Sie hat eiförmig-elliptische, parallelnervige Blätter. Sie sind meist kurz gestielt. Ihre Oberseite ist dunkelgrün und die Unterseite graugrün bereift. Die Blätter sind auch außerhalb der Blütezeit sehr dekorativ, weshalb die Pflanze auch gerne von Hobbygärtnern angepflanzt wird. Die kleinen, weißen und cremefarbenen Röhrenblüten erscheinen von Mai bis Juni als langstielige Blütenstände. Diese bestehen aus zwei bis fünf weißen glockenartigen Blüten mit grünlichen Spitzen in Trauben hängend. Sie sind mit zehn bis zwölf Millimeter Länge sehr lang, sodass nur Insekten mit sehr langen Rüsseln wie beispielsweise Hummeln oder Schmetterlinge den Nektar erreichen. Häufig erfolgt Selbstbestäubung. Die Pflanze liebt lockeren, kalkhaltigen Boden. Man kann sie im Garten durch Teilen der fleischigen Wurzeln (Rhizome) vermehren. Früher als Maiglöckchengewächs (Convallariaceae ) klassifiziert, wird sie heute unter den Spargelgewächsen (Asparagaceae) eingeordnet.

Alle Pflanzenteile der gesuchten Pflanze sind durch Steroidsaponine toxisch. Zu Vergiftungen kommt es hauptsächlich durch die dekorativen Beeren, die wie Heidelbeeren aussehen. Allerdings schmecken sie widerlich süßlich. Herzwirksame Glykoside enthält sie, wie früher vermutet wurde, aber nicht. Die Saponine wirken stark reizend. Nach dem Verzehr der Früchte sowie anderer Pflanzenteile kann es zu heftigem Erbrechen, krampfartigen Bauchschmerzen und Durchfall kommen. Das kann zu Kreislaufstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel und Atemnot führen. Das Rhizom wurde früher zu Heilzwecken eingesetzt. Bereits der griechische Arzt und berühmte Pharmakologe des Altertums Dioskurides, der als Militärarzt unter den Kaisern Claudius und Nero im römischen Dienst stand, erwähnte es zur Behandlung frischer Wunden. Im Mittelalter wurde ein Destillat der ganzen Pflanze als Gesichtswasser verwendet. Dann fand die Pflanze in der Volksheilkunde Verwendung bei allen Arten von Erkrankungen des Bewegungsapparates. Bei vielerlei Sportverletzungen wie Blutergüssen, Prellungen, Verstauchungen oder Brüchen wurde sie gern angewendet. Zudem war sie als blutdruck- und blutzuckersenkendes sowie harntreibendes Mittel, als Hustenschleimlöser und generell als Tonikum bei Altersbeschwerden beliebt. Heute hat die gesuchte Pflanze keine Bedeutung mehr in der Heilkunde.

(H.J. Ferenz)

Auflösung der letzen Pflanze der Woche “ Schmusewolle… “ Wilde Karde, Dipsacus fullonum L.

Das war natürlich etwas irritierend, die Schmusewollen-Werbung, was sollte das mit einer Pflanze zu tun haben? Hat es. Wir suchten nach der wilden Karde, Dipsacus fullonum L. Sie ist eng verwand – bzw. möglicherweise aus der Kulturform der „Weberkarde“, die im mediterranen Raum, aber auch in Deutschland, angebaut wurde, entstanden. Karden sind zweijährig, sie gehören zu den Kardengewächsen .

Mit ihren großen, gezahnten Blattrosetten und den walzenförmige, imposanten, violette Blütenstände auf bis zu zwei Meter hohen Stengeln erinnern sie etwas an Disteln.  Es ist eine der wenigen Pflanzen, die nicht als Nahrungsmittel oder Rohstoff, sondern als Werkzeug angebaut wurde.  Die mit vielen feinen „Stacheln“ besetzten Blütenstände nutzte man früher zum „Kardieren“ der Wolle. Dies geschah einmal, vor dem Spinnen, um die Haare der Schurwolle parallel auszurichten. Dazu wurde sie zwischen den Kardierbrettern längs gezogen und gezerrt, bis ein langes Vlies entstand. Diese Kardierbretter waren kleine Holzrahmen, die mit einem Handgriff versehen waren. In den Rahmen hatte man ein gutes Dutzend der kratzigen Kardenblütenstände eingefasst. 

Auch die Tuchmacher nutzten diese Kardierhölzer, indem sie den  gewebten Wollstoff  damit „kratzten“ und damit einheitlich und weich gestalteten.

So findet man das Kardierbrett beispielsweise in den Zunftzeichen der Tuchmacher wieder.

„Kardiert“ wird in der Textilindustrie immer noch, unsere Pflanze ist dabei aber schon seit dem 19. Jahrhundert durch maschinenbetriebene, nadelbesetzte Kratzwalzen ersetzt worden.

Karde gegen Borreliose?

Der umstrittene, aber bekannte Naturheilpraktiker Wolf Dieter Storl schlug in seinem etwas fragwürdigen Buch „Borreliose natürlich heilen“ vor, Borreliose mit Auszügen aus der Kardenwurzel zu heilen. Die Wirksamkeit ist nicht nachgewiesen, deshalb sei angesichts der Gefährlichkeit dieser Krankheit, vor derartigen Experimenten ausdrücklich gewarnt. Borreliose ist immer ein Fall für den Arzt !

(HW)

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