Hollarihollaro – muss der Praktikant um seinen Job bangen?

14. September 2020 | Bild der Woche | 6 Kommentare

Der Redaktionsleiter hielt es nicht mehr aus. Dieser Praktikant, den sie alle nur noch Heino nannte, hatte wieder sein Ritalin nicht genommen. Eigentlich sollte er nur die Pflanze der Woche fertig machen, aber statt dessen hatte der seine Anlage im Büro auf volle Lautstärke gedreht. Dabei fummelte er sichtlich gut gelaunt am Farbregeler herum, tanzte und klatschte um eine Topfpflanze, die er offenbar auf Heimaturlaub von einem Tiroler Wochenmarkt mitgebracht hatte. Die versuchte er zu fotografieren, derweil es unentwegt aus den Boxen wummerte:  „beim Alpenglühen wir uns wiedersehen, Mit ihren ro-ro-ro-roten Lippen fing es an., die ich nie vergessen kann“. Und dann dieses schiefe Gejodel dazu, „hollarie-hollarah…“. Gut gelaunt orgelte der Prakikant weiter an dem Farbregler. Der Direktor seufzte, warf die  Tür zum Praktikantenzimmer zu. Denn es gibt eine goldene Regel: die Praktikanten der Redaktion dürfen schreiben, wie sie wollen. Auch über vermeintliche Pflanzen ihrer Heimat. Dann aber, nach der Veröffentlichung, würden zwei weitere Regeln greifen:

Erstens: sollten die Halle-Spektrum-Leser die Pflanze nicht herausfinden, fängt sich der Praktikant eine Abmahnung. Zweitens:  der Rauswurf erfolgt, wenn sich sachliche Fehler einschlichen. So etwa dann, wenn er fälschlich behauptet, das Topfgewächs stamme aus seiner Heimat. Denn dort wird es oft an Piefkes verkauft, die dann meinen, etwas ganz typisches aus dem Jodel-Land in ihrem Garten „ansalben“ zu können.

Wir wollen wissen: Hat der Direktor eine Chance, das Gejodel ein für allemal abzustellen? (Keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen gibt es übrigens für Fotoshop-Spielereien. Denn dass Bilder lügen können, weiß der mündige Leser.)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Lockige wohlnährende Weiblichkeit“): Mais, Zea Mays.

Unsere Userin und Pflanzenliebhaberin Elfriede schreibt gerne viel, aber irgend wie war sie (vielleicht nach dem Genuss dieses berauschenden weiblichen Garnes – zu sehr abgelenkt,sagen wir besser: hoch emotionalisiert, weshalb sie sich lieber zu virtuosen Elegiden hinreißen ließ, denn zur Lösung auf die Aufgabe. Jungen Mädchen in dem Alter passiert das schon mal, aber das kann halt nicht gewertet werden. User Rugby dagegen konnte sich zusammenreißen. Alles richtig. Eins, setzen.

Wir hatten den Mais (Zea mays) gesucht. Die Art ist nur in Kultur bekannt, sie wurde schon vor über 8500 Jahren von den ersten sesshaften mexikanischen Ureinwohnern aus der Wildform, der Teosinte, gezüchtet. Vergleicht man die Fruchstände dieser Wildform mit den Kolben der heutigen Formen; so mag man kaum eine Ähnlichkeit feststellen. Die Teosinte hat „Ähren, die aus einer einzigen Zeile Keilförmiger, aufeinander gestapelter Körner bestehen. Bei der Reife falls sie auseinander, so können sie sich verbreiten. Für die Verbreitung von Maissamen ist dagegen allein der Mensch zuständig.

Botanisch gehört Mais zu den Süßgräsern (Poaceae). Es ist eine so genannte C4-Pflanze. Dies bedeutet, dass im Photosyntheseweg als erstes ein Molekül mit 4 Kohlenstoffatomen entsteht, das dann zu Zucker weiter verstoffwechselt wird, im Unterschied zu den viel häufigeren C3-Pflanzen. C4-Pflanzen zeichnen sich hohe Effektivität aus, insbesondere was die Nutzung von Wasser betrifft.

Die Pflanze ist einhäusig zweigeschlechtlich, das bedeutet, an einer Pflanze sitzen getrennt voneinander weibliche und männliche Blüten. Die männlichen sind die „ährenfärmigen“ Gebilde an der Spitze der Pflanze, die weiblichen sind die Kolben, die zwischen den Blattscheiden herauswachsen. Die rötlichen „Bärte“ sind die Griffel, wie eine „Zündschnur leiten sie den von oben herabrieselnden oder herbeiwehenden männlichen Pollen zum Fruchtknoten im Kolben weiter, woraus dann bei erfolgreicher Befruchtung das Korn wird.

Auf dem langen Weg von Selektion und Zucht ist eine Vielzahl von Sorten entstanden. Mais ist eigentlich eine Pflanze, die in ihren Körnern Stärke sammelt. Irgendwo unterwegs haben aber einige Sorten ein Gen verloren, das für die Umwandlung von Zucker in Stärke zuständig ist. Als Folge entstanden die Zuckermais-Sorten.

Was den Mais von den meisten Getreidearten unterscheidet: er enthält nicht das Kleberprotein Gluten. Das macht ihn natürlich für Menschen mit Gluten-Unverträglichkeit bekömmlich, aber nur mit Maismehl allein kann man keine lockeren, dicken Brote backen: mangels Klebrigkeit des Maisteiges bleiben die Gasbläschen beim Aufgehen nicht im Teig. Deshalb wird Mais seit alters her in Form dünner Fladen gebacken („Tortillas“, „Tacos“). Um die Körner besser zu Mehl verarbeiten zu können, werden sie zuvor mit Kalklauge oder Aschenlauge behandelt, bevor sie vermahlen werden.

Anfang des 16. Jahrhunderts erreichte der Mais mit der Entdeckung Amerikas Europa, wo er im Mittelmeerraum rasche Verbreitung fand. Auf seiner Basis entstanden klassische Gerichte, so die italienische „Polenta“ (das Wort leitet sich von dem römischen Getreidebrei „puls“ her), die zunächst eine typische Armenspeise war, bis sie in die Ränge der höheren Gastronomie aufsteigen durfte. Im Habsburgischen Raum nannte man den Mais „Kukuruz“, ein Wort, dessen genaue Herkunft im Dunkeln liegt.

Trifft man in Lateinamerika gelegentlich auf violette oder rote „Tacos“, so waren hier keineswegs künstliche Farbstoffe im Spiel. Es gibt nämlich auch eine Vielzahl farbiger Maissorten, beispielsweise die alte Sorte „blue Hopi“.

Popcorn wiederum ist keine Erfindung der US-Amerikaner, sondern bereits der mesoamerikanischen Hochkulturen. Das älteste archäologisch nachgewiesene Popcorn ist bereits 4000 Jahre alt.

Mais wird in Deutschland erst seit jüngerer Zeit in großem Stile angebaut. Dies liegt an neueren Züchtungen, die ihn kälteresistenter gemacht haben. Die wenigsten Kulturen dienen der Gewinnung von Körnermais. Die größten Anbaumengen landen unausgereift als Biomasse mitsamt Laub und Kolben in Biogasanlagen, oder werden siliert als Viehfutter verwendet.

Unter unverbesserlichen Drogenexperimentatoren gibt es immer wieder Berichte, man könne die getrockneten Maisgriffel rauchen. Manche behaupten, das sei wirkungslos, andere warnen vor der Giftigkeit, wieder andere beschreiben komplexe Rauscherlebnisse. Die in den Griffeln enthaltene Alkaloide sind nicht richtig erforscht, möglicherweise sind aber auch Schimmelpilzgifte (Aflatoxine) an der Wirkung beteiligt. Also besser: Finger davon lassen.

Kann man im Maisfeld Pilze sammeln? Mit etwas Glück schon. Allerdings muss man an den Kolben suchen. Der Erreger des Maisbeulenbrandes, Ustilago Maydis (Huitlacoche), erzeugt tumorartige, gallenartige Wucherungen. Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/Maisbeulenbrand#/media/Datei:Ustilago_maydis_de_1.jpg

Diese Pilze werden in Lateinamerika als Delikatesse („mexikanische Trüffel“) angeboten. Nach deutschem Lebensmittelrecht sind sie allerdings nicht verkehrsfähig.

(H.W.)

 

Übrigens Alle Pflanzen der Woche seit 2016  findet man in unserem Archiv#

Archiv: alle „Pflanzen der Woche“ von 2016-2020

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