Holla die Waldfee: Relativistische Läuse auf dem Bitterfeld

24. Juli 2017 | Bild der Woche | 13 Kommentare

Diana war der holde Name der römischen Waldfee, der Göttin der Jagd und des Waldes. Aber sie war auch die erste Feministin: sie wirkte als Beschützerin des Mondes und der Geburt, und allgemein: Beschützerin der Frauen und Mädchen. Sie war  Schwester des Lichtgottes Apoll, und  dennoch widerfuhr ihr mit der Einführung des Christentums Furchtbares: sie wurde zur Herrscherin der Hexen umstilisiert. Sie wusste offenbar zu viel über Geburtenkontrolle. Und unsere Pflanze der Woche war ihr heilig. Hat sie etwas mit dem Wissen der weisen Fauen zu tun?  Dabei wächst die Pflanze, die wir diesesmal suchen, eigentlich nicht im Wald, denn sie liebt es hell und trocken. Während sie in Deutschland allgemein eher selten anzutreffen ist, sondern mehr in mediterranen Gefilden, scheint sie sich aber in Halle und Umgebung sehr wohl zu fühlen. Sie ist geradezu typisch für trockene Unkrautfluren und Ödland, beispielsweise aufgelassenen Kaolingruben, aber sie treibt sich auch gerne auf Schuttplätzen und an Strassenrändern herum. Man könnte fast sagen, es sei eine hallesche Charakterpflanze. Der sinnliche Eindruck ist erst einmal abstoßend: streng und abweisend vom Geruch, und wer ihre Blättchen einmal mit Petersilie verwechselt hat, dem ist das Essen unrettbar vergällt. Dennoch verwendet man sie seit Alters her als Genußmittel, genauer gesagt: als Zutat zweier besonders traditioneller, berauschender Getränke. Eines der beiden war sogar lange Zeit verboten, aber heute ist es wieder erlaubt. So etwas passiert, obwohl man doch allgemein den Eindruck hat, der Staat kontrolliere und verbiete mündigen Bürgern immer mehr.

Gesucht wird diese Pflanze, auf der es gerade so von Blattläusen wimmelt.

 

Farbspektrum und die relativistischen Läuse

Wozu die Pflanze sonst noch so gut ist? Als Heilmittel natürlich erstmal. Sie soll sogar gegen Würmer im Darm helfen, aber es gibt heute bessere und zuverlässigere Medikamente, so dass unsere Pflanze, die durchaus nicht ganz ungiftig ist, medizinisch hier nicht mehr verwendet wird. (Ihre Schwester ist aber gerade als Mittel gegen Malaria ins Zentrum der Forschung gerückt). Appetitfördernd soll sie sein, aber vor dem Essen – nicht im Essen – siehe oben.

Und dann behaupten viele Gärtner, ein Absud unserer Pflanze helfe gegen Blattläuse. Das findet man in ganz vielen Gartenratgebern, Foren usw. Diese Behauptung ist nicht auszurotten. Absurder Absud. Bilder, die Hallespektrum vorliegen, beweisen nämlich das Gegenteil. Regelmäßig im Sommer wird unsere Pflanze von Blattläusen befallen. Als die Bilder für diesen Artikel entstanden, machte das Spektrum-Forschungsteam noch eine weitere, erstaunliche Entdeckung. Die Blattläuse, die auf dem Blütenstand unseres Exemplars herumkletterten und genüsslich saugten, bewegten sich. Das ist noch nicht sensationell. Doch, je schneller sie sich bewegten, um so mehr lösten sie sich in ein buntes Farbspektrum auf. Man kennt diesen Effekt eigentlich nur aus dem Weltraum – wenn Objekte sich mit annähernder Lichtgeschwindigkeit aufeinander zu oder wegbewegen, verschieben sich für den Betrachter ihre Farben. Das ist so eine Art Dopplereffekt mit Licht. Auch verzerren sich scheinbar ihre Formen.  Nun scheint das bei unseren Läusen auch so zu sein. Kann es sein, dass Läuse mit Lichtgeschwindigkeit zappeln?

Spannende Fragen, als da wären:

  • Warum sind die Läuse auf dem Bild so bunt? (Wir geben dazu noch eine kleinen Hinweis: die Aufnahmen sind nicht mit einer konventionellen Kamera aufgenommen worden)
  • Wie heißt die Pflanze ?
  • Wie heißen die Genussmittel?
  • Warum waren eines der beiden lange Zeit verboten ?
  • und zu guter Letzt: was hat Diana mit der ganzen Angelegenheit zu tun?
  • Und zu allerletzt: wieso jetzt Bitterfeld?

 

Auflösung der Pflanze der letzten Woche: 

Der chinesische Kulturbereicher und die echten Spinner

Weiße Maulbeere, Blätter und Früchte.

..damit war natürlich der Maulbeerbaum gemeint, und zwar der weiße Maulbeerbaum, Morus albus.  Und der „echte Spinner“ ist natürlich die Seidenraupe, (Bombyx mori).  Der Schmetterling  gehört zur Familie der echten Spinner (Bombycidae), was sie wohl von Spinnern, die nicht mehr ganz echt sind, unterscheiden soll. Der Maulbeerbaum gehört zur Gattung der Moraceae. Neben dem weißen Maulbeerbaum gibt es auch noch den schwarzen und den roten Maulbeerbaum, was sich auf die Farbe der Früchte bezieht. Wirtschaftlich am bedeutendsten ist aber der weiße Maulbeerbaum, und den haben wir hier gesucht. User Rellah hat ihn gefunden, und alle Fragen beantwortet.

Wo gibt es nun Maulbeerbäume in Halle? Rellah sagte, an der Hafenbahn. Vielleicht schickt er/sie ein Foto davon? Unser Exemplar, von dem wir hier Blüte und Früchte abgebildet haben, steht im Hof des Landesmuseums.

Wie gelangte der Maulbeerbaum eigentlich nach Deutschland? Über die Seidenstraße, und zwar mit der Ausbreitung der Seidenraupenzucht. China hatte ja lange versucht, das Geheimnis der Seidengewinnung für sich zu behalten, was auch lange Zeit gelang: denn es genügte nicht, einfach ein paar Seidenraupen zu entführen. Sie sind auf Maulbeerblätter angewiesen, etwas anderes wollen sie nicht fressen. Außerdem stand auf dem Ausschmuggeln von Seidenraupen Todesstrafe. Aber dann wanderte der Maulbeerbaum doch: über Persien erreichte er im 6. Jahrhundert Konstantinopel, im byzantinischen Reich wurde nun erfolgreich Seide produziert. Noch im beginnenden 20. Jahrhundert züchtete man in Griechenland Seide, ganze Dörfer hatten sich auf diesen lukrativen Wirtschaftszweig spezialisiert. Ein Zentrum war die Stadt Soufli am Evros, heute nur wenige Steinwürfe von der türkischen Grenze entfernt. Es entstand sogar ein heute bekannter  bekannten Familiennamen: Metaxas, was Seidenmacher bedeutet. Den seidenweichen Geschmack des von einem Menschen Namens Seidenmacher auf den Markt gebrachten Weinbrands  kennt heute jeder. Weniger bekannt ist, dass die Seidenraupenzucht auch mit Erfolg in Deutschland betrieben wurde.

Das Seidenmuseum in Soufli am Evros (Wikimedia). Quelle: Wikipedia-User Kalogeropulos, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Silk_museum_soufli.jpg

Die erste Seidenzucht gelang wohl erst um 1600 nach Deutschland. Kaiser Friedrich der Große (1712-1786) , dessen landwirschaftliches Engagement heute vorzugsweise mit der Kartoffel in Verbindung gebracht wird, regte den Seidenanbau an und ermutigte sein Volk um 1750,  Seidenraupen zu züchten und Maulbeerbäume zu pflanzen. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte sich insbesondere die Familie von der Leyen (sic!) in Krefeld mit der  Seidenzucht und Verarbeitung einen Namen gemacht. Zum Schluß nicht immer einen guten: der  Seidenweberaufstand 1828 richtete sich gegen die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und die Dumpinglöhne, die die feinen Herren von der Leyen zahlten.  Karl Marx nannte den Krefelder Seidenweberaufstand später den „ersten Arbeiteraufstand der deutschen Geschichte“.

Anleitung zur Seidenzucht

Wie funktionierte das eigentlich mit den Raupen und Baum? Man kann es eigentlich nachlesen, viele zeitgenössische Anleitungsbücher gibt es heute umsonst im Netz: digitalsiert von Google.

Jedenfalls funktioniert es nicht so, dass man die Raupen einfach auf den Baum setzt, und irgenwann pflückt man dann die Seide ab.

Man muß den Tierlein das Futter bringen. Als Zuchtstation kommt auch ein  einfacher Keller in Frage, aber beheizt muß er sein. Die Würmchen frieren nicht gerne. Man bereitet den Tieren aus Maulbeerzweigen und Blättern ein Bett, das immer wieder erneuert werden muss. Nach wenigen Wochen haben sich die Raupen derart fett gefressen, dass sie beschließen, sich zu verpuppen, um Falter zu werden. Dazu spinnen sie den Kokon, der innerhalb von wenigen Tagen reift, und nun schnell geerntet werden muß. Denn sonst schlüpft der Falter, wobei er mit ätzenden Säfte den Kokon zerstört. Stattdessen tut der Mensch etwas Brutales: Kokon und Puppe kommen in kochendes Wasser, dann wird der Faden abgehaspelt. Und die Raupe? In China wird sie gerne gebraten und von Menschen verzehrt – in Deutschland sind sie als Koi-Futter im Handel.

Man kann aber auch die Eier bequem im Versandhandel kaufen, und – so Maulbeerblätter zur Hand – selbst „Seidenwürmer“ züchten.

Übrigens: Nazi-Deutschland forcierte noch einmal den Seidenanbau: man wollte unabhängig von ausländischem Importen werden – denn Fallschirmseide war kriegsentscheidend.

Seidenraupen auf Maulbeerblättern

 

 

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