Hans im Pech – wenn in der Küche mal wieder alles schiefläuft

21. November 2017 | Bild der Woche | 6 Kommentare

Wenns nicht steif wird: Das ist nicht nur die Pflanze der Woche, sondern Problem einer Generation.

„Wenn es wieder nicht fest wird, werde ich wahnsinnig.“ Dabei konnte es doch gar nicht so schwer sein, letztes Jahr hat es doch auch geklappt. In der Reihenhausküche türmten sich die Utensilien in einer Dichte, die einem mittleren Industriebetrieb glich. Hier ein „Saftentdampfer“, wie Hans diese merkwürdige Anlage nannte, die einem kleineren Chemiebetrieb zur Ehre gereicht hätte, Töpfe, Zuckertüten, Kellen, alles versank im Chaos. „Bloß nicht wieder überkochen lassen …“

„Hans im Glück“ nannten ihn seine Freunde, denn eigentlich gelang ihm so ziemlich alles, was er mit seinen goldenen Händen anfaste. In der Verwaltung war er ein angesehener Kollege,  immer höflich und freundlich, und selbst der Ortsbürgermeister schätzte seinen kritischen Auffassungsgabe, Kritik trug er stets in sachlichem Ton vor, das hatte er sogar schriftlich. Auch zu Hause bemühte er sich immer, ein verlässlicher Ehemann zu sein. Seine Frau schätzte an ihm eine gewisse Häuslichkeit, allerdings war sie ihrerseits wiederum derart auf Ordnung versessen, dass gerade Hansens heimische Aktivitäten gelegentlich zu Kollisionen führte, wobei die Konfliktlinie fast immer entlang der viel zu kleinen Küchenzeile verlief.  Die Großaktion, mit der unser Hans heute „ihre“ Küche in ein Schlachtfeld verwandelte, hatte der dabei schon extra auf einen Tag gelegt, an dem die holde Gemahlsgattin mit ihren Freundinnen zu einem größeren Tagesausflug aufgebrochen war.  Er würde alles aufgeräumt haben, und nur stolz einen riesen Stapel des Endproduktes servieren, etwa 10 Liter insgesamt, säuberlich abgefüllt in hübsch etikettierte Gläser. So wie letztes Jahr, wunderbare Gechenke für Freunde und Verwandte, das Zeug ging weg wie warme Semmeln.

Dieses Mal war etwas schief gegangen. Als die Frau morgens aus dem Hause war, hatte Hans den Riesenpott aufgesetzt, die orangerote Flüssigkeit vorgelegt und die berechnete Menge Zucker hineingleiten lassen, ein gewaltiger Berg, der sich am Boden des Gefäßes wie ein gewaltiger uterirdischer Vulkan breit machte. Langsam die Temperatur erhöhen, hatte sich Hans vorgenommen, wohl wissend, dass der fast randvolle Topf ein Risiko in sich bergen würde. 105 Grad zeigte das Thermometer an, und am Boden zeigten sich Bläschen. „Vorsicht….“ war sich Hans bewusst, aber er hatte alles im Griff. An der Oberfläche bildete sich ein cremartiger Schaum. Dann hatte es „Dingdong“ gemacht, die Türklingel, Hans war schnell raus, die Nachbarin hatte ein Päckchen angenommen. „Riecht aber gut, was machstn Du?“ „Ich mache…“ hob Hans an, und mit einem Zischen kündigte sich in der Küche ein reaktorunfall an. Er rannte davon, ließ die freundliche Botin stehen, machte sich an den Katastrophenort. Ein weißschäumender Lavastrom ergoß sich über Herdplatte und Küchenbank. Geistesgegenwärtg schob er den Pott vom Ceran, von dem  noch heißen Kochfeld stieg weißer Rauch auf, das Zeug brannte ein. „Gefahr für die Bevölkerung bestand zu keinem Zeitpunkt“, durchzuckte es unseren Ceranfeldherren, der sich augenblicklich innerlich zum Katastrophenmanager beförderte. „Abfüllaktion sofort einleiten“ befahl seine Innere Stimme. „Alle Deckel öffnen“, „Kelle!“ „Einfüllen“. Die abzufüllenden Gläser standen in den klebrigen Pfützen, doch Hans füllte ungerührt ab, verschloss Deckel, drehte die Töpfchen danach um, wie es schon seine Großmutter einst getan hatte. Das anschließende Entkleben und Reinigen der Küche hatte Hans dann immerhin in der Rekordzeit von zwei Stunden hinter sich gebracht. Erleichtert und ziemlich geschafft übersah er sein Werk, jetzt würde er nur noch die Gläschen alle wieder vom Kopf auf die Füße stellen.  Aber… es war alles noch so flüssig wie zuvor. Obwohl das Zeug allenfalls noch handwarm war. Hans fühlte, wie sein Blut in den Adern gelierte.

Geschafft. Die Küche ist halbwegs sauber.

„Das ging doch letztes Mal so gut, da war alles fest“. Er hätte heulen können. Dabei hatte er sich doch dieses Mal so viel mehr Mühe gegebn. Die Ernte hatte er hinausgezögert, damit die Frücht noch in den Genuß der letzten Herbststrahlen gelangen konnten, „Spätlese“ war die Idee dahinter, alle Schalen hatte er entfernt, die Kerngehäuse herausgeschnitzt,  ganz akribisch. Eine Heidenarbeit. Nein, jetzt würde er nicht aufgeben. Dann muss eben Chemie helfen. „Da hab ich doch noch dieses o-Dingsda von Dr. Ö.“ Hans leerte alle Gläser wieder in den großen Pott, fand in der Speisekammer auch noch mehrere Tütchen von diesem Wunderpulver, das er nun mit dem Schneebesen verquirlte, langsam kochte die Masse auf, und nein, nicht mehr über. Er stellte den Temperaturregler klein, lies nur ganz leise aufkochen, wartete ein paar Minuten, bis er das siedendheiße Material in die Gläschen zurückfüllte, verschloss und umdrehte. Er füllte auch zwei große Weckgläser ab, und während er nach den passenden Gummiringen suchte, vernahm er ein ganz zartes Klicken. Die dicken Glaswandungen waren gesprungen. Abermals ergoss sich ein Lavastrom über die Küchenbank, fand diesesmal den Weg über die Schubladen der Unterschränke (und in sie hinein), von wo aus die süße klebrige Flüssigkeit den Laminatfußboden erreichte – und dort, oh welch zweifelhaftes Glück : erstarrte, genau so, wie in den Gläschen.  Es klickte nochmals, das war der Wohnungsschlüssel, der sich im Schloss drehte, „Was ist denn hier los“, schrie sie, und Hans sagte lieber gar nichts.

Die Geschichte ging dennoch glimpflich ab, die Küche reinigten sie mit vereinten Kräften, und noch monatelang konnten sie bei jedem Anlass, wo sie ihren Freunden ein Glächen mit dem fein erstarrten Selbstgemachten  übergaben, die Geschichte von dem Marmeladen-GAU  berichten.

Der Saftentdampfer.

So manch einer der Freunde trug dann immer etwas zum Thema bei, man tauschte auch Rezepte aus „man muss ja nicht immer nur sowas davon machen, also ich mag die nüämlich viel lieber  zu Kalbfleisch“
„Wie? noch nie gehört“. „Doch, altes Rezept aus Konstantinopel, total geil!“… „Aber man muss sie erst im Ofen karamelisieren, und ganz zum Schluss an das Fleisch geben, sonst zermatscht das alles“
„Ach – unsere Sorte trägt sogar Konstantinopel im Namen“.
„Na zum Glück heißt sie nicht nach Erdogan, dann würde ich die jetzt umhacken“
„Ich finde, für mich ist das der Inbegriff einer altdeutschen Frucht“, sagt die eine, der Nächste erwidert, er habe sowas schon mal in der Türkei gegessen, aber als rote Stückchen zusammen mit Wasser zum Kaffee, „Meine Großtante machte da immer „Brot“ draus, und der nächste trug etwas aus der griechischen Herkules-Sage zum besten, da müsse der Held wohl auch die Frucht gesehen haben. „Übrigens, wusstet Ihr schon, dass Marmelade von „Marie malade“ kommt, weil die Marie-Antoinette immer verlangte, wenn sie krank war?“

Und Ihr, liebe Halle-Spektrum – Leser, dürft nun fleißig mitquatschen.

Uns interessiert:

1. Wie heisst die Pflanze, von der die Früchte stammen, mit denen Hans dso wenig Glück hatte?
(Wie immer, bot. Name, deutscher Name, Familie..)

2.  Woher stammt sie?

3. Hans hat ja offenkundig eine Art „Marmelade“ gekocht. Ist es nur eine „Art“ „Marmelade“, oder sogar die einzig wirkliche? und wie verhält sich dazu die lebensmittelrechtliche „Verkehrsauffassung“? 

4. Was war das (chemisch) für ein Wunderpulver, das mit dem Hans dann noch seinen Ansatz dazu brachte, fest zu werden? davor aber schon?

5. Ohne das Wunderpulver ist es Hans dieses Jahr nicht geglückt, das Zeug steif zu bekommen. Das Jahr zuvor aber schon. Warum?

Auflösung des letzten Pflanzenrätsels („Verstoß gegen das Reinheitsgebot“): Sumpfporst (Rhododendron tomentosum)

Des Rätsels Lösung der letztejn Woche war der Sumpfporst. Dieser kommt in Deutschland natürlich am ehesten in Hochmooren vor und dürfte er sich damit auch den Blicken aller hier stöbernden Rätselfreunde mit ziemlicher Sicherheit bisher entzogen haben. Allerdings führt eine www-Suche nach dem Reinheitsgebot ziemlich schnell zu Bilsenkraut, Stechapfel und „unserer Pflanze“. Tatsächlich galt ihr ein besonderes Interesse bei der Bierherstellung in der der Hopfennutzung „vorgelagerten“ Zeit, wobei damit die Quellenlage dann auch ein bisschen unsicher wird. Sicherlich kann man aber davon ausgehen, dass zum „Würzen“ des Bieres im Laufe der Jahrtausende alle geschmacksgebenden, das Bewusstsein erweiternden/einengenden, beruhigenden und anregenden Pflanzen zumindest ausprobiert wurden. Sumpfporst war neben dem Gagel eins der wichtigeren Grut-Kräuter mit denen das Grutbier gewürzt wurden, wobei beide Pflanzen „damals“ auch als Porst bezeichnet wurden. Die dafür zuständigen Kräuterfachleute waren wahrscheinlich die Grüter usw., woraus sich in der Folge dann auch Familiennamen ableiteten. Inzwischen scheint es auch wieder Grutbier(e) als Spezialität zu kaufen zu geben. In der beschreibenden Literatur finden sich Hinweise, dass Sumpfporstextrakte die Alkoholwirkung verstärken sollen. Die sprichwörtliche Berserkerwut wird allerdings auch mit Sumpfporstbier in Verbindung gebracht. Dabei können Dosis und Extraktionsverfahren und vielleicht auch der Standort der Pflanze wahrscheinlich einen bedeutenden Einfluss auf die Wirkung haben. So weit es in Erfahrung zu bringen war, handelte es sich beim Tun von G. B. um ein Gedankenexperiment. Wir können ihn also auch nicht demnächst nach seinen Erfahrungen fragen. Mit dem Reinheitsgebot, welches später ja dann auch wieder gelockert wurde, und das auch Vorläufer und „Verwandte“ hat, wurden nun eine Reihe von Zutaten ausgeschlossen und durch den konservierend (auf das Bier) und beruhigend (auf die Konsumenten) wirkenden Hopfen ersetzt – damit ließ sich sicher auch einiges an Ärger vermeiden. Insgesamt erscheint der Sumpfporst, der auch pharmazeutisch für Mensch und neuerdings vielleicht auch für die Biene genutzt wird, als geheimnisvolle Pflanze.

 

 

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