Giftiges Duftbäumchen auf dem Klo

21. November 2022 | Bild der Woche | 2 Kommentare

Heino stand im Bad vor der Kachelwand und meditierte. Wie oft er hier schon „geschäftlich“ zu tun hatte und immer die selben Kacheln angestarrt hatte? Eigentlich gefiel ihm das Kachelmuster, das einst Elfriede vor einigen Jahren  ausgesucht hatte. Er hatte es eigentlich schlichter haben wollen, aber seine Freundin hatte auf diesen Jugendstil-Replikaten bestanden. Und dann fand Heino das Motiv sogar passend. Er glaubte nämlich, im Kachelmuster stilisierte Teile genau jener Pflanze  zu erkennen, die jeden Winter in eben genau diesem Bad überwinterte.

Eigentlich war Heino dieses ewige Kübelschleppen leid. Jedes mal das Geschrei von Elfriede, wenn unweigerlich beim Heraufwuchten des jährlich immer schwerer werdenden Kolosses Blätter, Ästchen und Erdkrümel sich auf dem Wohnzimmerboden und im Treppenhaus verteilten. Alle Jahre wieder. Dabei war es Elfriede gewesen, die das Monster unbedingt haben wollte. Sein Einwand, dass das Zeug in den Lä#ndern des Südens als schnöde Bepflanzung von Autobahn-Grünstreifen verwendet wird, und keiner dort auf die Idee käme, dieses „Unkraut“ in einen Kübel zu pflanzen, hatte nichts genutzt. Aber Heino musste zugeben: im Sommer, abends, wenn das Teil den ganzen Tag auf der Terrasse in der Sonne geschmort hatte, entfalteten die Blüten einen wunderfeinen, zarten süßlichen Duft, blumig, mit einer feinen Vanillenote. Heino dachte wehmütig an den Sommer zurück, der doch wieder so schnell vorüber gegangen war.

Allerdings musste er auch an dieses dämliche Exsperiment denken, das er veranstaltet hatte: es war halt doch eine Schnapsidee, zu versuchen, eine der Duftblüten zum Aromatisieren in den frisch aufgebrühten grünen Tee zu geben. Die Folge: hämmernde Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Dann waren noch schwere Krämpfe hinzu gekommen, und er war studenlang ans Bad gefesselt. Richtig erschrocken war Elfriede, als sie sah, wie sich Heinos Pupillen erweitert hatten. Glücklicherweise hatte Heino nur eine Blüte im Tee gehabt. In den Blättern ist die Konzentration der Giftstoffe noch höher – schon wenige Blätter könnten tödlich sein, las er später. Und dass es so genannte „Herz-Glykoside“ sind, die da ihre fatale Wirkung im Körper entfalten, also ähnlich wie die vom roten Fingerhut. Schließlich gehört das Gewächs ja zu den „Hundsgiftgewächsen“, und Heino war froh, keine Haustiere zu haben.

Der deutsche – und auch italienische Name – soll sich von einem Wort für Lorbeer ableiten. Mit „Mann“ hat es nichts zu tun. Die Griechen nennen die Pflanze auch „bitterer Lorbeer“, wohl, weil seine immergrünen Blätter ganz entfernt an Lorbeer erinnern. Sie sind aber viel länglicher.

Und das sind unsere Fragen:

Auflösung der letzen Pflanze der Woche („Stinkende Schönheit“): Gefleckter Aronstab, Arum maculatum

Der Aronstab ist ein schönes Beispiel für den Einfallsreichtum der Natur. Die geniale Kesselfalle kombiniert mit perfekten Lockstoffen sichert die Fortpflanzung. Und damit kein Vegetarier stört, ist die Pflanze auch noch giftig. Eigentlich ziemlich giftig. Schlauerweise signalisiert die Pflanze ihre Giftigkeit schon nachdrücklich beim ersten Bisss, wie der Selbsttest von Hei-Wu zeigt. Die brennend, stechenden Schmerzen nach dem ersten Biss verhindern meistens ernsthafte Vergiftungen, da die aufgenommene Dosis gering ist. Problematischer sind die roten Früchte, die sehr essbar wirken. Kinder lassen sich von ihnen leicht verführen. Der Aronstab kommt in feuchten Laubmischwäldern vor, ist nicht gefährdet. Zuchtformen dienen als dekorative  Zimmerpflanze.

(Hans Ferenz)

Noch viel mehr Pflanzen findet Ihr in unserem Archiv. Seit 2016 jede Woche ein neues Gewächs im unserem  virtuellen Wildwuchs.

Print Friendly, PDF & Email
2 Kommentare

Kommentar schreiben