Pflanze der Woche, 113.-19. Oktober 2025
Das Telefon klingelte in der Pflanzenredaktion, ein schrilles, ungeduldiges Läuten, das Heino aus seinen Notizen riss. Es war Freitag, ein nieseliger, grauer herbsttag. „Pflanzenredaktion, guten Tag“, murmelte er matt. Am anderen Ende eine Frau, aufgelöst, fast keifend vor Sorge: Ihr Sohn liege auf dem Sofa, blass, den Eimer neben sich. Er habe erbrochen.„Von den Beeren“, sagte sie. „Wir haben sie doch jedes Jahr gesammelt! So schön rot leuchten sie jetzt wieder. Ich koche Marmelade daraus, schon immer. Und nie war was!“
Heino kritzelte in sein Notizbuch: Rote Beeren, Herbst, Strauch, Stadtgebiet, Mutter macht Marmelade. „Wie sah der Strauch aus?“
„Immergrün. Mit Dornen. Wunderschön, wenn die Sonne draufscheint – richtig feuerrot.“
„Dornen?“, fragte Heino und verzog das Gesicht. „Also kein Weißdorn?“
„Ich weiß es nicht. Es wachsen so viele bei uns im Hof, an der Straße, überall in Neustadt.“
Er legte auf. Der Raum war still, nur draußen das fahle Licht des Oktobers, das durch die Jalousien fiel.
Er rief Nixi an. Die musste doch endlich zu Hause sein, wenn der Fernbus aus Florenz pünklich gekommen ist. Ohne ihn war sei eine Woche weg geblieben.
„Was würdest du sagen – Strauch, immergrün, Dornen, rote Beeren?“
Ihre Stimme war sofort da, klar, fast spöttisch:
„Na, das klingt nach einem, der seinen Namen verdient. Feuerrot – und sticht. Das Kind sollte besser zum Arzt. Die Beeren sind nicht harmlos.“
„Aber die Mutter sagte, sie hat sie schon oft gegessen?“
„Das mag sein. Es komm eben auf die Zubereitung an.“
Heino starrte auf das Glas mit der Probe, die ihm die Frau noch vorbeigebracht hatte: kleine, orangerote Kugeln, die wie ganz kleine Äpfel aussahen. Er dachte an die Straßen von Halle-Neustadt, an die Sträucher, die sich mit diesen roten Beeren schmücken, trotzig und schön zugleich.
Fragen:
- Um welche Pflanze handelt es sich?
- Woher stammt sie ursprünglich?
- Sind ihre Früchte essbar – oder giftig?
- Warum ist Muttis Marmelade nicht giftig, aber was hat das Kind?
- Das Kind sieht auf dem Bild ziemlich krank aus. Liegt das am Gift, oder hat die KI wieder einen Ausflug in die Kunstgeschichte gemacht?
Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Langweilig, bitter, gewöhnlich und trübselig): Das Gewöhnliche Bitterkraut – Picris hieracioides
rati vermutrete den Wiesen-Pippau, was auch nahe liegt, denn er sieht auf dem erstebn Blick sehr ähnlich aus. Nur die Blätter sind beim Pippau eher gezackt, wie ein Löwenzahn. NhuDeng sprach daher: „Dann ist es das „Gewöhnliche Bitterkraut (Picris hieracioides)“. So ist es.
Die unscheinbare Pflanze mit den gelben Blüten und den kleinen, schirmartig behaarten Samen ist das Gewöhnliche Bitterkraut (Picris hieracioides), ein Korbblütler aus der Familie der Asteraceae.
Botanik
- Wuchsform: Zwei- bis mehrjährig, 30–100 cm hoch, aufrecht, oft sparrig verzweigt.
- Blätter: Grundständig in Rosetten, lanzettlich, rau behaart; Stängelblätter wechselständig, kleiner, ungestielt.
- Blüten: Goldgelbe Zungenblüten in körbchenförmigen Blütenständen, die dem Löwenzahn ähneln, jedoch kleiner und zottiger. Blütezeit von Juli bis September.
- Früchte: Achänen mit einem feinen, weiß behaarten Pappus. Diese Schirmchen werden leicht vom Wind fortgetragen – das „Pusteblumen“-Moment im Büro.
- Verwechslungen: Durch die Blattform und die gelben Körbchen wird die Pflanze häufig mit Habichtskräutern (Hieracium), Ferkelkräutern (Hypochaeris) oder Löwenzahn (Taraxacum) verwechselt.




Vorkommen
Das Gewöhnliche Bitterkraut ist in ganz Europa, Vorderasien und bis nach Sibirien verbreitet. Es liebt trockene, nährstoffreiche Standorte: Wegränder, Böschungen, Brachen, Schuttplätze. Auch in städtischen Räumen – zwischen Pflasterfugen oder auf Ruderalflächen – ist es häufig zu finden.
Essbarkeit oder Giftigkeit
Die Pflanze ist nicht giftig. Junge Blätter wurden in Notzeiten oder in der Volksküche als Gemüse oder Salat verwendet. Der Geschmack ist jedoch intensiv bitter und daher für moderne Gaumen gewöhnungsbedürftig. Bitterstoffe dieser Art wirken verdauungsfördernd und waren in der traditionellen Pflanzenheilkunde geschätzt. Heute wird die Pflanze kaum noch genutzt, bleibt aber ein Beispiel für die alte Rolle der „Bitterkräuter“ in der Ernährung.
Kulturgeschichtliches
Der Gattungsname Picris stammt aus dem Griechischen und bedeutet schlicht „bitter“. Der Artname hieracioides („habichtskrautähnlich“) weist auf die Ähnlichkeit mit Hieracium hin. Das Bitterkraut ist ein Sinnbild für das Alltägliche, Übersehene, das jedoch seinen Platz im Gefüge der Natur hat.
Das Bild im Hintergrund
Das Gemälde ist natürlich nur KI-generiert. Die KI hat sich dabei am Stil des italienischen Renaissance-Maler Sandro Botticelli (Florenz, 1445-1510) orientiert. In unserer Geschichte sollte es nur eine symbolische Rolle spielen: es steht für Schönheit, Anmut und die Sehnsucht nach Vollkommenheit – im Kontrast zur „hässlich“ und „gewöhnlich“ erscheinenden Pflanze. Doch gerade dieser Gegensatz verdeutlicht die Botschaft: Auch das unscheinbare, bittere Kraut hat seinen Sinn und Wert, so wie es in der Natur keine unnützen Geschöpfe gibt
Weitere „Pflanzen der Woche“ findet Ihr in unserem Archiv – alle, seit 2016.
4 comments on “Feurige Marmelade aus roten Giftbeeren”
Ich würde sage, dass es der Feuerdorn ist.
Die Beeren kann man essen, aber am besten nur im „erhitzten Zustand“. Daher gut als Konfitüre. Der Begriff „Marmelade“ wird im Übrigen für Aufstriche aus Zitrusfrüchten verwendet. Nur mal so…
DIe Beeren enthalten Blausäure, welche beim Erhitzen sich zersetzt. Bzw. die Kerne in den Früchten enthalten cyanogene Glykoside, welche im Verdauungstragt sich zu Blausäure umwandeln. Wenn auch nur geringe Mengen. Die Pflanze selbst fällt aber nicht unter die Giftpflanzen.
Feuerdorn kommt, glaube ich, aus Südeuropa und Südasien (China, etc.).
Bei dem Kind denke ich eher, dass das eine beginnende Bindehautentzündung bekommt 😉
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So gesund sehen die auch nicht aus
Naja, Bilder von Otto Dix sind nicht so meins. Eher Bilder von Claude Monet.
Einen Otto Dix würde ich mir nicht als „Schnuck“ in die Wohnung hängen. Seine Bilder sind harte Sozialkritik. Und sicher nicht dekorativ gemeint.
Bilder von Monet mag ich mir nur aus der Ferne ansehen. Aus der Nähe betrachtet, sind mir die farben so schillernd wie ein Bild mit jpeg-Artefakten.