Fernöstliche Wurzeln gefährden Halle-Neustadt

25. Oktober 2021 | Bild der Woche | 2 Kommentare

Die große Welle vor Kanagawa: der Farbholzschnitt des Meisters Katsushika Hokusai (1831) gehört wohl zu den bekanntesten, geradezu ikonografischen Werken fernöstlicher Kunst. Dies nicht erst seit sie nach der Katastrophe von Fukushima zum Sinnbild des großen Desasters schlechthin wurde.

Für Desaströs halten Umwelt- und Naturschützer auch jede harmlos aussehende Pflanze, die auf dem Bauplatz des neuen Hochwasserschutzdamms wächst. Genauer gesagt: wieder wächst.

Denn Bulldozer hatten unsere stolze Pflanze, die an die drei Meter ihre Stängel in den halleschen Himmel reckte, vollends platt gemacht, auch den Mutterboden abgeschoben. Während sonst kein Baum und Strauch diese Prozedur überlebte, nachdem die Planierraupen eine Schneise aus leblosem Schotter hinterließen, in den nun die Bohrpfähle für die Neustädter Hochwasserschutzwand gesetzt werden: unsere stolze Pflanze lächelt darüber mit fernöstlicher Weisheit. Jetzt ist sie schon wieder einen Meter hoch und blüht, und im nächsten Jahr wird sie wieder stattliche Größe erreicht haben, ihre Wurzeln, die sich mehrere Meter tief und an die zehn Meter lang durch alles Erdreich bohren, werden wieder irgendwo grüne Sprosse ans Tageslicht schieben. Je mehr man sie stört übrigens, um so mehr spornt sie das das Wachstum an. Eine Bohrpfahlwand unterkriechen? für unseren japanischen Gast kein Problem, auch mit  Asphalt nimmt er es spielend auf. Schon viele Uferbefestigungen soll die Pflanze zerstört haben, Deichbauer und Landschaftspfleger fürchten sie gleichermaßen. Was zu ihrer Verbreitungsstrategie gehört: kleine Wurzelstücke, vom Hochwasser mitgerissen, entwickeln sich an neuen Gestaden wieder zu prächtigen Nachfahren. Da macht es nichts, dass ihr Sexualleben zumindest in unserem Lande weniger zu ihrer Verbreitung führt: um ihre geflügelten Samen zu entwickeln, braucht die weibliche Pflanze einen männlichen Bestäuber: und der wohnt oft weit weg, auf einem männlichen Exemplar. Bei allem Ärger: mit ihren rot gefleckten Stängeln, die ganz entfernt an den Schierling erinnern, sieht sie regelrecht giftig aus. Ist sie aber nicht. Jung soll sie essbar sein, die säuerlich schmeckenden Sprossen werden angeblich in ihrer Heimat ähnlich wie Rhabarber zubereitet. Mit dem sie übrigens verwandt ist.

Welche Pflanze suchen wir?

(HW)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Bunte Blätter nicht nur im Herbst“): Buntnessel (Solemonstemon scutellanoides)

Gesucht war die Buntnessel (Solemonstemon scutellanoides, früher Coleous blumei). Hei-wu hat das Abbild mal buntgemalt, aber Elfriede hatte dennoch den Durchblick.

 

(H. Ferenz)

Noch mehr Pflanzen der Woche gibt es in unserem Archiv: Seit 2016 jede Woche eine neue Pflanze.

 

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