Eine Schönheit aus dem Morgenland

5. Oktober 2020 | Bild der Woche | 10 Kommentare

„Heinos“ Praktikumszeit war abgelaufen. Zum Abschied waren weder Tränen geflossen noch hatte der Chef seine Freude über die Ruhe, die nun wieder einziehen würde, allzu offen gezeigt. Am 3. Untersekretär der Pflanzenabteilung war es nun gewesen, den frei gewordenen Schreibtisch für eine weitere Nutzung vorzubereiten. Und siehe da, in der Schublade fand sich noch ein angefangenes Pflanzenrätsel. Allerdings war es eigentlich nur die Überschrift, ein ausgedrucktes Foto (zu dem sich noch ein paar ähnliche auf der Speicherkarte der Dienstkamera fanden) und ein paar handschriftliche Notizen (oder wäre Krakel der treffendere Begriff?).

Was stand da nun?

  • Küchenschublade, wach geküßt, zum Fressen gern, Welternährung, lustiger Name, nicht artgerechte Pflanzenhaltung, Eiweiß, Zukunft, Südfrankreich, Couscous

Einen richtigen Reim konnte sich unser Schreibtischaufräumer darauf nicht machen, aber was sollte es, der Montag stand vor der Tür und keiner der Pflanzenredakteure hatte geliefert. So schickte er das Protokoll über den Vorgang in die Setzstube und nun ist die Leserschaft des Hallespektrums gefragt – für wen ergibt das Ganze einen Sinn? Welche Pflanze hat „Heino“ da „wach geküßt“ und fotografiert?

F.H.

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Attilas Verhängnis“) : Zwergholunder, Attich, Sambucus ebulus.

Das hätte böse enden können. Glücklicherweise kam „Gork vom Ork“ dann doch noch auf die richtige Lösung. Keinesfalls handelte es sich bei der gesuchten Pflanze um den gewöhnlichen schwarzen Hollunder, aus dem man wohlschmeckende Säfte und Marmeladen bereiten kann. Vielmehr handelt es sich um seinen giftigen Verwandten, den Zwergholunder oder Attich. Alle Teile dieser Pflanze sind giftig, insbesondere die Kerne in den schwarzen Früchten.

Tatsächlich sieht die Pflanze dem echten Holunder  (Sambucus nigra) recht ähnlich. Es gibt aber einige sichere  Unterscheidungsmerkmale, die man kennen sollte, wenn man zum Beerensammeln im Herbst loszieht.

Das wichtigste zuerst: Der Attich ist eine Staude, die oberirdischen Triebe sterben im Winter ab, während der echte Holunder ein Strauch bzw. kleiner Baum wird, mit oberirdisch überdauernden Trieben.

Beim Attich stehen die Blütenstände als Doldenrispe auf einem Stengel, und auch die sich darazus entwickelnden freuchtstände befinden sich am Ende des Stengels, hängen aber manchbal bei genügend Schwere hetrab. das lässt sie schon mit dem echten Holunder verwechseln, dessen blüten aber von den Zweigen herabhängen und nicht nur am ende eines Triebes gebildet werden.

Die Blätter des giftigen Attichs sind wesentlich länger und schmaler als die des „echten“, schwarzen Holunders.

Blüten und Blätter des Attichs stinken widerlich, während die Blüten des echten Holunders vanilleartig duften, und deshalb gerbne zum Würzen von Getgränken verwendet werden.

Der Attich bildet unterirdische Ausläufer, aus dem neue Triebe sprießen. So können sich mit der Zeit breit ausufernde Bestände bilden. Solche findet man beispielsweise am „Kanal“ in Halle-Neustadt, von wo auch das Foto unten stammt.

 

Was kann eigentlich passieren, wenn Attila – wie in unserer Geschichte – seinen Gästen Attichsaft angeboten hätte? Besonders die Kerne enthalten die giftigen Bitterstoffe Ebulosid und Isoswerosid, die starke Leibschmerzen, Erbrechen, Krämpfe und Kopfschmerzen herbeiführen können.  Auch soll es schon Todesfälle gegeben haben.

(H.W.)

 

Pflanze verpasst? Alle Pflanzen der Woche, seit 2016, gibt es hier in unserem Archiv.

Archiv: alle „Pflanzen der Woche“ von 2016-2020

 

 

 

 

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