Eine Pflanze für den Kehraus

15. Juli 2019 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Eigentlich ist unsere Rätselpflanze giftig. Ihrer Verbreitung in Europa tat das aber keinen Abbruch. Sie kommt von der Iberischen Halbinsel über Frankreich, Belgien, England und Süd-Skandinavien bis Bulgarien im Südosten und wächst auf kalkfreien, trockenen Böden, auf Heideflächen, Dünen, in Felslandschaften und in lichten Wäldern. In der Natur wächst sie oft in Nachbarschaft mit Heidekraut, Wacholder, Felsenbirne und Zwergmispeln. Die buschförmige Pflanze gehört zu den Schmetterlingsblütlern. Die Wuchshöhe beträgt zwischen 50 und 200cm. Sie hat intensiv grüne, rutenförmige Äste mit einem kantigen Querschnitt. Das Laub hat 4 bis 15mm lange Blattstiele und ist dreifach gefiedert. Die Fiederblättchen haben eine kurze Stachelspitze und sind dunkelgrün gefärbt. Die Blütezeit ist Mai bis Juni. Die goldgelben, seltener weißlichen, nach Honig duftenden Blüten sitzen einzelnen oder zu zweit an kurzen Trieben und bilden zusammen einen langen, lockeren Blütenstand am Ende der Zweige. Die bohnenförmigen Hülsenfrüchte werden bis zu 5cm lang und 1cm breit. Sie sind zunächst grün, mit zunehmender Reife bräunlich-schwarz. Sie platzen auf, sodass die reifen, bräunlichen Samen unter hörbarem Knacken herausgeschleudert werden. Es gibt zahlreiche Zier- und Zuchtformen mit verschieden farbigen Blüten. Die Blüten stellen eine wertvolle Nektarquelle für Hummeln und Holzbienen dar, während Schmetterlinge und Käfer die Pollen als Nahrungsquelle vorziehen. Der Strauch ist eine der Hauptfutterquellen für die Raupen einiger seltener Schmetterlingsarten.
Der Übertragungsmechanismen des Pollens auf die Insekten ist besonders ausgeprägt. Einige Kronblätter sind zu einer Art Schiffchen verwachsen. 5 der 10 Staubblätter sind länger und mit dem Griffel wie eine gespannte Feder in das Schiffchen gedrückt. Berührt dies ein größerer Blütenbesucher, schnellen die Staubblätter und der Griffel nach oben und bedecken den Blütenbesucher mit Blütenstaub.
Die Pflanze kommt gut mit einem stickstoffarmen Boden zurecht, da die mit ihm in den Wurzeln in Symbiose lebenden Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft fixieren und in den Stoffwechsel einschleusen können. Bevorzugt wird kalkfreier und leicht saurer Boden. Lange Pfahlwurzeln ermöglichen das Überstehen von Trockenperioden.
In der Heilkunde ist die Pflanze als Kraut unter dem Namen „Herba Spartii scoparii“ bekannt. Die Blätter und Zweigspitzen der Pflanze enthalten in geringer Konzentration Spartein, ein Nervengift, welches bei Herzrhythmusstörungen zur Beruhigung und Regulierung eingesetzt wurde. Es wirkt außerdem Wehen fördernd und wurde daher zur Einleitung der Geburt verwendet. Weitere Alkaloide sind Genistein, Pachycarpin und Sarothamnin, außerdem Glykoside, Bitter- und Gerbstoffe, sowie Harz und ätherische Öle. In der Volksheilkunde wird es auch als Diuretikum eingesetzt. Die entwässernde Wirkung beruht auf den Flavonoiden. Wegen der Nebenwirkungen (Sehstörungen, Kopfschmerzen, Benommenheitsgefühl bis hin zur Lähmung) wird die Pflanze nicht mehr genutzt.
Die Zweige wurden früher zur Besenherstellung genutzt, daher stammt auch der volkstümliche Name.

(Text und Bilder: H.J. Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Wenn wir schreiten Seitanseit“):

Rugby hat recht: Triticum durum (Hartweizen) und Weichweizen (Triticum aestivum) sind getrennte Arten einer gemeinsamen Gattung. Sie unterscheiden sich genetisch in einem folgeschweren Punkt: Weichweizen hat einen vierfachen Chromosomensatz, Durum-Weizen einen sechsfachen. Deshalb kreuzen sich die beiden Arten auch nicht miteinander.

Der hexaploide Weichweizen und der tetraploide Weichweizen haben dennoch einen gemeinsamen Stammvater: Weichweizen ist ein Additionbastard aus wildem Emmer (tertraploid) und Ziegengras (Aegilops tauschii, diploid). Hartweizen ist dagegen eine Unterart des wilden Emmers. Beide Weizenarten sind seit der Jungsteinzeit wichtige Feldfrüchte und seitdem in Europa und dem westlichen Asien eine der Hauptnahrungsgrundlagen der Menschheit, abgesehen natürlich von Fleisch. Weizen enthält nicht nur als Hauptenergielieferant Stärke, sondern auch Eiweiß, das so genannte Gluten. Dieses Protein sorgt unter anderem dafür, dass man mit Weizenmehl überhaupt Brot backen kann. Es quillt in Wasser zu einer ziemlich zähen, klebrigen Masse auf, hält den Teig beim Gären zusammen und sorgt dafür, dass die Kohlensäureblasen im Teig bleiben und ihn auflockern. Auch bei der Nudelherstellung ist Gluten wichtig: Der Kleber hilft, dass sich die Nudeln im Wasser nicht auflösen, und sorgt für eine schönen Biss „al dente“. Pastahersteller schwören auf Hartweizen, weil er mehr Kleber enthält.  Wer keinen Hartweizen hat, muss dem Nudelteig Eier zusetzen – das ist der Grund, warum in der  traditionelle deutsche Küche Eiernudeln dominieren:  denn Hartweizen ist auf warm-trockenes, mediterranes Klima angewiesen (Es ist übrigens ein Irrtum, dass Italiener grundsätzlich Ei im Nudelteig verpönen: dies wurde uns in den 1980er Jahren von Biolek eingeredet).

Ein Überbleibsel aus der Altsteinzeit ist die Glutenunverträglichkeit , die sich dann in der mittlerweile populären Zöliakie äußert. Mit der massenhaften Verbreitung des Weizenanbaus hat sich der Mensch diese Unverträglichkeit – (ähnlich wie die Lactoseintoleranz ) weitgehend  weggezüchtet. Wer Weizen nicht vertrug, hatte schlechtere Chancen, seine Gene weiterzugeben. So hat der Mensch nicht nur das Getreide gezüchtet, das Getreide hat auch uns züchterisch bearbeitet.

Ach ja, zum Veganismus: „Seitan“ ist ja mittlerweile in aller Munde. Das „Kunstfleisch“ ist nichts anderes als Gluten. Wenn bei der Gewinnung von Stärke (z.B. für Bioalkohol) Weizenmehl mit Wasser ausgewaschen wird, bleibt das Gluten als klebriger Teig zurück. Früher gab man das ins Viehfutter, bis 1962 zwei Japaner auf die Idee kamen, es als Fleischersatz in der Küche zu verwenden. Der Name Seitan ist ein Kunstwort der beiden Erfinder.

Wer experimentierfreudig ist, kann versuchen in der heimischen Küche mit Seitan „Kunstfleisch“ zu erzeugen. Seitan kann man als Pulver kaufen, oder aber selbst herstellen: man macht einfach einen Teig aus Weizenmehl, und knetet den so lange unter fleißendem Wasser, bis all Stärke ausgewaschen ist, und man einen klebrigen Gummiklumpen in der Hand hat. Der wird dann in einer geeigneten Marinade (Sojasoße, Gewürze) eingelegt, dann gedämpft und abgekühlt. Das Zeug kann man dann in Stücke schneiden und auf den Grill werfen. Es schmeckt durchaus, aber nicht wirklich nach Fleisch. Nur von Weizenprotein kann man sich nicht ernähren: dem Gluten fehlt eine essentielle Aminosäure, das Lysin. Man kann diesen Mangel aber mit Hülsenfrüchten ausgleichen, die viel Lysin enthalten.

(HW)

 

 

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