Eine Metapher für Werden und Vergehen

29. Januar 2018 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Blumen begleiten uns auf jeder Lebensstufe, immer wieder, ein Leben lang. Im Erblühen versinnbildlichen sie die Entfaltung des Lebens. Verwelken sie, erinnern sie uns an unsere Begrenztheit. Mit ihrer Farbigkeit vermögen sie seelische Zustände auszudrücken. Sie entwickeln sich aus ihrem Zentrum heraus, wollen werden, wollen vollendete Schönheit erlangen. Das mag der seelischen Entwicklung von uns Menschen entsprechen. Frisch, lebendig, zur vollen Entfaltung gekommen, sind Blumen ein Sinnbild für die Macht der Gefühle: So steht die leuchtende Rose für die wahre Liebe. In ihrem Lebenszyklus verdeutlicht uns die Blume, dass jedes wahre Gefühl auch wieder nachlassen muss, langsam verblühen und sich in den dunklen Grund zurückziehen muss, in die Wurzeln unseres Daseins. Dann schließlich schmücken die farbigsten Blüten unsere Gräber oder es erstrahlt die Blume der Partisanen.

Nicht jedes Menschen Seele mag sich diesem harmonischen Verlauf unterzuordnen. Manch einer verhärtet, scheint zu versteinern, blendet Gefühle aus oder flüchtet sich gar in tiefe Melancholie, den „Blues“. Was ist die Ursache? Hat dieser Mensch bereits zu viele seelische Verletzungen davongetragen, oder ist er zu empfindsam für seine Gefühlswelt? Einige reagieren hochsensibel auf tiefe Emotionen wie Liebe und Trauer, Hingabe und Liebesleid. Wie soll ein Mensch das ertragen, fragt sich dann manch Lyriker. Auch die Blumen des Glücks muss jeder selbst pflanzen, vermag der Realist zu antworten.

 

Unsere „Pflanze der Woche“ kann ein Bild für derartige Seelenzustände sein. Allein die Farbe, in der wir sie hier ganz absonderlich abbilden, strahlt nichts von der ursprünglichen Lebendigkeit einer frischen Blume aus. Was ist hier passiert, ist diese etwa gar nicht beseelt? Wirkt sie nicht gar versteinert? Nichts Organisches scheint ihr anzuhaften. Mir scheint, hier versteckt sich etwas in einer Verkleidung, die uns Anderes vorgaukelt – vielleicht passend zur fünften Jahreszeit. Sie stammt auch aus einer völlig anderen Zeit, nicht aus der fünften, eher aus der dritten: Vor allem im mittleren Oligozän war sie sogar namensgebend zu finden. Unsere „Blume“ tritt weltweit auf, schmückt manchmal sogar ganze Tischplatten. Das hier abgebildete Exemplar stammt aus Marokko, berühmt sind auch große Wuchsformen von der Isle of Sky. Mit kleineren schmücken Frauen manchmal ihren Ausschnitt. Andere lassen ihre Hände schmeicheln.

Was also haben wir hier dargestellt (und grafisch verfälscht)? Warum ist unsere „Blüte“ so auffallend unsymmetrisch?

(A.S.)

 

Auflösung der  Pflanze der letzten Woche: Safran, Crocus sativus.

Crocus sativus, Safrankrokus (gesamte Pflanze mit Knolle)

In die Drogenfalle ist nun niemand getappt, auch wenn die geschilderte Hinterzimmeratmosphäre auf dem orientalische Basar und er hohe Preis des Gewächses dies hätten vermuten lassen können. Unsere Leser lassen sich nicht hinters Licht führen, und so hatte Rati die Lösung parat: Safran, Crocus sativus. Eine unfruchtbare Pflanze mit einem „verbogenen“ Chromosomensatz (Agricola).

Das Gewürz Safran sind die Narben (also die weiblichen Geschlechtsteile) einer Krokusart, dem Safrankrokus. Nur in diesen Narben sind die Aromastoffe, vor allem das stark süßlich-honigartig riechende Safranal.  Die Krokusart hat nicht einen doppelten oder sonstwie geradezahligen Chromosomensatrz, sondern einen dreifachen (Triploidie). Das führt automatisch zur Unfruchtbarkeit, das heißt, die Pflanze kann sich nicht generativ (sexuell) vermehren, sie bildet daher keine keimfähigen Samen aus. Das einzige, was funktioniert, ist die vegetative Vermehrung, also durch Teilung der unterirdischen Knollen.

Wie konnte diese unfruchtbare Pflanze entstehen und sich dennoch verbreiten? Man vermutet, der Safrankrokus sei auf Kreta entstanden, und zwar aus dem genetisch analogen, aber ganz normal diploiden Herbstkrokus, Crocus cartwrightianus, den man auch als „wilden Safran“ bezeichnet. Dieser Krokus kommt in den Wäldern des Mittelmeerraums wild vor.  Auch er hat duftende Narben, die aber viel kürzer und kleiner sind. Triploidie kann bei Pflanzen immer einmal entstehen, beispielsweise wenn Pollen einer tetraploiden Variante eine diploide Variante der selben Art befruchtet. Normalerweise sterben solche triploiden Exemplare rasch wieder aus.  Es sei denn, der Mensch kommt ins Spiel. Man vermutet, dass die bronzezeitlichen Kreter auf die übergroßen, stark duftenden Narben aufmerksam wurden, das seltsame Gewächs weiterkultivierten und in die Welt hinaus trugen.

Dass Safran das wohl teuerste Gewürz ist, erklärt sich natürlich aus dem Umstand, dass die Ernte aufwändig, und der Ertrag gering. Jeder einzelne Krokus liefert nur drei Stempelfäden, zehn Quadratmeter Anbaufläche liefern nur 1-2 Gramm der winzigen Fäden, die man einzeln mit spitzen Fingern herauszupfen muss. Für ein Kilo Safran benötigt man einen Hektar Land, und jede Menge Arbeitskräfte. Ein guter Pflücker schafft etwa 60 Gramm Safran am Tag. Dazu ist die Erntezeit kurz: Safran blüht im Spätherbst (im Oktober) nur etwa 14 Tage lang. Dann muss die ganze Ernte vollzogen sein. Geerntet wird nur in den kühlen Morgenstunden, die Fäden dürfen keine Sonne abbekommen, und anschließend bei gelinder Wärme (um die 50 Grad) im Ofen getrocknet werden.

Dass das Gewürz so lichtscheu ist, liegt an einer weiteren anderen Eigenschaft seiner roten Fäden: sie enthalten eine roten, in Verdünnung stark gelben Farbstoff (Crocetin, ein Carotinoid oder Polymethinfarbstoff), der vielen Speisen eine leuchtend gelbe Farbe verleiht. Traditionell wird z.B. eine gute Paella mit echtem Safran bereitet. „Safran macht den Kuchen gel“ heißt es deshalb in dem bekannten Kinderlied „Backe backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen“.

Fälschungen

Safran wird im „normalen“ Lebensmittelhandel kaum angeboten, manchmal findet man ihn im Gewürzregal im Supermarkt in kleinen Döschen zu einem viertel Gramm (was aber schon für eine kleine Paella ausreichend ist, da relativiert sich das mit dem hohen Preis schon wieder). Günstiger bekommt man das Gewürz im „Internet“, gute Sorten bringen es hier aber auch gerne auf Preise zwischen 5 und 25 € pro Gramm. Solche niedrigen Preise ergeben sich natürlich nur unter Arbeitsbedinguungen und einem Lohnniveau, das man nur als ausbeuterisch bezeichnen kann. Es ist keinesfalls nur das Klima, weshalb der weltweit größte Teil der Safranernte aus dem Iran und Afghanistan stammen. Es gibt allenfalls noch ganz kleine Anbaugebiete in Spanien oder in Griechenland (bei Kozani), die Produkte sind entsprechend teuer, und der Anbau kommt kaum über das Versuchsstadium hinaus. Früher wurde Safran durchaus auch in Deutschland gepflanzt, und in dem schweizerischen Ort Mund gibt es heute noch knappe zwei Hektar Safranfelder.

Bei den hohen Preisen ist es verständlich, dass immer versucht wurde, Safran zu verfälschen, zu strecken oder gar zu imitieren. Die Tricks sind vielfältig. Am anfälligsten ist pulverisierter Safran: hier wird gerne untergemischt, was das Zeug hält. Beliebt sind Kurkuma, das auch gelb färbt, aber kein nennenswertes Aroma hat. Früher scheuten sich Betrüger nicht, sogar giftige Menninge oder Zinnober unterzumischen. Es geht der Rat um, Fälschungen durch Zugabe von Natronlauge zu entlarven. Curcuma färbt sich dabei rotbraun, während safran gelb leibt. Wer hat schon Natronlauge in der Küche?

Sicherer ist es, Safran grundsätzlich nur in ganzen Fäden zu erwerben.  Unter einer starken Lupe kann man dann schnell Sicherheit erlangen, ob es echter Safran ist, und ihn beispielsweise vom „Saflor“ unterscheiden, den länglichen, ausgezupften Blütenblättern der Färberdistel, wie sie oft auf Orientmärkten an Touris untergejubelt werden. Die färben zwar auch, haben aber kein Aroma.

Safran selbst anbauen

Safran-Ernte in Halle.

Für den Freizeitgärtner stellt sich da natürlich die Frage: warum nicht eigenen Safran anbauen? In der Tat, das funktioniert, und sogar in Halle. Allerdings ist der Aufwand immens. Safranknollen findet man gelegentlich in besseren Pflanzenläden (oder im Netz). Man setzt sie im Hochsommer, und im Herbst, mit etwas Glück, blühen ein paar von ihnen auf.  Nun schnell ans Werk! Ein Quadratmeter Krokus reicht für ein feines Mahl. Leider ist die Pflege des Safrans schwierig. Er ist zwar vollkommen frostbeständig, möchte es aber sowohl im Winter als auch im Sommer, wenn er das Laub einzieht, schön trocken haben. In unseren hiesigen feuchten Sommern verfaulen die Knollen gerne, oder werden  Opfer von Wühlmäusen. Da hilft nur Topfkultur, aber wer  stellt schon quadratmeterweise Blumentöpfe auf, um 5 Euro zu sparen?

Safran als Droge?

Das Gerücht, Safran enthalte psychoaktive Substanzen mit euphorisierender Wirkung, hält sich seit der Antike, und ist weder bewiesen noch widerlegt worden. 5 Gramm sollen geradezu narkotisch wirken, 12 Gramm werden als tödliche Dosis angegeben. Andere verweisen Aussagen über eine opiumartige Wirkung in das Reich der Märchen. Im Mittelalter kursierten Redensarten, die darauf anspielten,  Safran errege Heiterkeit,  bis hin zum sprichwörtlichen Totlachen durch Zerreißen der Gedärme.

Sucht man im Netz in einschlägigen Seiten nach Erfahrungsberichten experimentierfreudiger Psychonauten, so stößt man hier auf ähnliche Antworten wie beim Erfahrungsaustausch über den Konsum getrockneter Bananenschalen. Erheiternd ist eine solche Lektüre auf jeden Fall.

(H.W.)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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