Ein Wettkampf zwischen Geschütz und Panzer – in der Gartenlaube.

12. Dezember 2022 | Bild der Woche | 3 Kommentare

„Aus dem erbitterten Wettkampfe, welcher seit Jahrzehnten zwischen Geschütz und Panzer geführt wird, schien noch vor Kurzem die Angriffswaffe als endgültige Siegerin hervorgehen zu sollen. Wie der Harnisch der Ritter früherer Zeiten sich machtlos gegen die Büchsenkugel erwies, so sollte auch der Riesenpanzer der Kriegsschiffe und der Strandbatterien keine Schutzwehr mehr bilden gegen die Wucht der Geschosse, welche aus den größten Feuerschlünden der Neuzeit, den 100-Tons-Geschützen, geschleudert werden. Und in der That gab es bis zu den Schießversuchen in Spezia keine Panzerplatte, welche den Kugeln dieser von der Firma Armstrong gebauten, auch unter der Bezeichnung 43-CentimeterKaliber bekannten Kanonen hätte Widerstand leisten können. Kein Wunder, da dieselben in der Regel mit 350 Kilogramm Pulver geladen werden und das Gewicht ihrer Geschosse 17½ Centner beträgt!

Die italienische Regierung ist bis jetzt die einzige gewesen, welche einige ihrer Kriegsschiffe mit diesen furchtbaren Zerstörungsmaschinen armiren ließ und die auch den Plan gefaßt hatte, dieselben zur Vertheidigung der Küste zu verwenden. Hier sollten sie in Panzerthürmen aufgestellt werden, wie dieselben schon früher in der „Gartenlaube“ (vgl. Jahrg. 1883, S. 207 u. f.) beschrieben und abgebildet wurden. Die Ausführung dieses Planes würde jedoch nur dann einen sichtbaren Nutzen bringen, wenn diese Panzerthürme mit Platten geschützt werden könnten, welche den Geschossen der 100-Tons-Geschütze Widerstand leisteten“, heißt es in einem Bericht der Illustrierten „Gartenlaube“ aus dem Jahr 1886.

Die Zeitungen dieser Zeit sind voll solcher Berichte, und tatsächlich war es eine Firma aus Magdeburg, die es fertig brachte, ganze Panzertürme aus einem besonderen Stahl herzustellen. Eine gewaltige Panzerplatten von 88 Tonne Gewicht verließ das Werk und traten eine weite Reise an, durch den Gotthard-Tunnel bis nach Italien, wo sie mit gewaltigen Geschützen beschossen im Rahmen eines Wettbewerbs wurde. Die Magdeburger Platten bestanden den Test, während die Materialien französischer Konkurrenz versagten. Die erfolgreichen Tests im Kriegshafen von Specia verschafften dem Magdeburger Stahlwerk eine große Zahl lukrativer Aufträgen aus der ganzen Welt.
Auch die Entwicklung der ersten Kampfpanzer wäre ohne die Erfindung des Firmengründers nicht möglich gewesen. Wesentliches Merkmal war ein besonderer Stahl und eine besondere Technik des Gusses. Dabei entstanden Werkstücke, deren Oberfläche sich durch extreme Härte auszeichnete, die aber im Inneren relativ weich waren. „Harte Schale, weicher Kern“ war das Schlagwort. Nicht nur im militärischen Bereich, auch Eisenbahnwesen war die Magdeburger Stahlerzeugnisse führend. Neben Eisenbahnrädern stellten die Magdeburger Stahlkocher die Herzstücke von Eisenbahnweichen im Gussverfahren her – die übliche Walztechnik versagte bei den kompliziert gebauten Stücken.

Im Jahre 1891 verließ der Magdeburger Ingenieur die von ihm  gegründeten Firma – der Konkurrent Alfred Krupp hatte sie aufgekauft.  Sicherlich nun mit einem traumhaften Vermögen ausgestattet, wandte sich der einstige Stahlfabrikant anderen Liebhabereien zu. Neben der Astronomie war das vor allem die Botanik. Er legte eine gewaltige Pflanzensammlung an, die er mit den monumentalen Gewächshäusern nach seinem Tod der Stadt Magdeburg vermachte. Nach Zerstörungen im 2. Weltkrieg wurden sie wieder aufgebaut, die Anlage trägt heute noch den Namen des  berühmten Ingenieurs und sind der Öffentlichkeit zugänglich.

Die Gewächshäuser in Magdeburg

Aber nicht nur an dem botanischen Garten der Stadt Magdeburg haftet sein Name. Die Pflanze, in die wir im Beitragsbild oben den Geschützturm einmontiert haben, trägt als Art-Epitheton (Artbezeichnung) den Namen des großen Magdeburgers. Guericke ist es nicht. Soviel kann man noch verraten: auch die Pflanze hat Eigenschaften, die sie mit den Panzerkuppeln teilt: „weicher Kern, harte Schale“. Und außerdem hat sie noch mehr zu ihrer Verteidigung zu bieten als nur eine harte Schale.

Im Volksmund hat unsere Pflanze noch eine deutsche Bezeichnung. Sie bezieht sich auf einen Familienanhang, dem zuweilen nervige Eigenschaften nachgesagt werden.

Und hier kommen schon die Fragen:

– um welche Pflanze handelt es sich, und nach wem wurde sie benannt ?

– Das Magdeburger Werk wechselte mehrfach den Besitzer. Wie hießen die wechselten Namen der Firma ?

– existiert sie heute noch?

-In den späten 1980er Jahren, noch vor der Wende, produzierte die Firma ein begehrtes Produkt für technisch Interessierte. Mit massiven Stahlteilen hatte es gar nichts zu tun. Was war das?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Edler Baumbewohner vom Baumarkt“): Dendrobium nobile, Traubenorchidee.

Es war wohl schwieriger als sonst, Agricola zeigte aber schlussendlich mit seine  Andeutungen, dass er dem Rätsel auf die Spur gekommen ist. In der Tat: es  ist schon seltsam, dass die Gattungsbezeichnung „Dendrobium“ sowohl für unsere Orchidee als auch für einen trotzköpfigen Käfer verwendet wird. Aber naheliegend ist es: Dendrobium ist aus dem griechischen (nicht Lateinischen) abgeleitet, und bedeutet „Baumlebewesen“. Während es für Käfer nichts ungewöhnliches ist, auf Bäumen herum zu krabbeln, leben nur wenige Pflanzen „epiphytisch“, das heißt, auf der Schulter  anderer Bäume. Unsere Orchidee, die mittlerweile eine beliebte Zimmerpflanze ist (fast zu beliebt, sie werden auf Baumärkten geradezu verramscht) lebt in ihrer asiatisch-tropischen Heimat bevorzugt im Astwerk großer Bäume. Ihren Wasserbedarf deckt sie, indem sie mit ihren rinnenartig geformten Blättern das Regenwasser auffängt und zu den Wurzeln leitet. Sie verfügt über Speicherknollen, die das Wasser auch einige Zeit speichern können.

Noch viel mehr Pflanzen findet Ihr in unserem Archiv. Seit 2016 jede Woche ein neues Gewächs im unserem  virtuellen Wildwuchs.

 

(HW)

 

 

 

 

 

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