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Der Brief aus dem Osten

Pflanze der Woche, 27. Oktober 02. November 2025

Es war ein trüber Oktobermorgen, als Heino in der Redaktion ankam. Auf seinem Schreibtisch lag ein Brief – kein E-Mail-Ausdruck, kein interner Vermerk, nein, ein richtiger Brief, mit Briefmarke, Seidenpapier, ein Hauch von fremdem Parfum.
Er erkannte die Handschrift sofort.

„Das ist doch von Dora Ji!“, rief er. „Sie schreibt mit diesem feinen, scharfzähnigen Griffel – als hätte jemand winzige, präzise Schnitte ins Papier geritzt.“
„Ja“, meinte Nixi und beugte sich über seine Schulter. „Aber sie hat trotzdem etwas Strahlendes, eine Ausstrahlung.“

Heino las laut:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich schreibe Euch aus dem Osten, dort, wo die Berge vom Nebel verschluckt werden und die Wälder an den Hängen hängen wie grüne Vorhänge. Hier wächst eine Pflanze, die Ihr kennen solltet. Sie schlingt sich an allem empor – an Bäumen, Zäunen, Drähten. Wenn man sie lässt, baut sie Brücken über ganze Bäche.

Die Früchte sind grün, klein, glatt – keine Haare, kein Pelz. Aber der Geschmack – süß wie Erinnerung, herb wie Abschied. Die Einheimischen essen sie roh, manche machen Saft, manche Wein daraus. Die Kinder nennen sie nach einem kleinen, flugunfähigen Vogel, der in der Ferne lebt und doch seltsam mit ihr verwandt scheint.

Ich schicke Euch ein paar getrocknete Blätter und hoffe, Ihr erkennt sie.
Ewig Eure
Dora Ji.“

Heino hielt den Brief vorsichtig in der Hand, als könnte er ihm entwischen.
„Brücken aus Pflanzen…“, murmelte er. „Und so klein die Früchte?“
„Vielleicht eine Art Wilder Wein?“ – Nixi zuckte mit den Schultern.

Ein Luftzug wehte durchs Fenster. Die getrockneten Blätter, die Dora beigelegt hatte, raschelten leise, als wollten sie sich selbst verraten. Auf einem lag noch ein winziger, silbriger Flaum – und ein Hauch, kaum sichtbar, von dem, was man einst „Fernweh“ nannte.

🕯️ Fragen an unsere Leserinnen und Leser:

  1. Um welche Pflanze handelt es sich?
  2. Woher stammt sie ursprünglich, und wofür wird sie genutzt?
  3. Warum nennt man sie im Volksmund nach einem flugunfähigen Vogel – und welcher ist das?
  4. Was bedeutet der Name „Strahlengriffel“, und was hat es mit dem „scharfzähnigen“ auf sich?
  5. Ist diese Pflanze frostempfindlich – oder kann man sie auch in unseren Breiten pflanzen?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche: „Nun pia andrai, farfallone amoroso“: Phalaenopsis aphrodite, Schmetterlingsorchidee

Gork vom Ork schrieb ganz zutreffend: „Wenn der Hinweis auf die Motte kommt, würde ich sagen, dass es sich hier um eine Schmetterlingsorchidee handelt. Die Blütenblätter haben oft die Form eines Schmetterlings oder einer Motte. 

Das Bild mit der Muschel ist „die Geburt der Venus“. Ein Gemälde von Sandro Botticelli. Kunststil: Frührenaissance.
Es stellt die Ankunft (Anlandung) der römischen Göttin Venus an der Küste von Paphos dar. Das besagte Bild befindet sich in den Uffizien in Florenz.

Familie: Orchidaceae (Orchideen)
Gattung: Phalaenopsis Blume
Art: Phalaenopsis aphrodite Rchb.f.

Name:
Der Gattungsname leitet sich vom Griechischen phalaina („Motte“) und opsis („Aussehen“) ab – also „mottengleich“.
Die Blüten ähneln tatsächlich flatternden Schmetterlingen.
Der Artname aphrodite verweist auf die Liebesgöttin Aphrodite, die aus dem Schaum des Meeres geboren wurde – ein Sinnbild für Reinheit und Verführung zugleich.

Vorkommen:
Beheimatet auf den Philippinen und in Taiwan, wo sie auf Baumstämmen wächst, feuchtwarme Luft liebt und im Schatten gedeiht.

Beschreibung:
Epiphytische Orchidee mit langen, glänzenden Blättern und duftenden weißen Blüten, teils mit rosa Schimmer. Eine elegante, robuste Art, die heute zu den beliebtesten Zimmerorchideen zählt.

Kulturgeschichte:
In Europa seit dem 19. Jahrhundert bekannt, galt sie früh als Inbild exotischer Schönheit.
Sie wurde gesammelt, verehrt und millionenfach vermehrt – die Aphrodite unter den Orchideen, und für manche wohl auch ein stilles Sinnbild geheimer Versuchung.

Weitere „Pflanzen der Woche“ findet Ihr in unserem Archiv – alle, seit 2016.

One comment on “Der Brief aus dem Osten”

  1. Scharfzähnige Strahlengriffel auch Kiwibeere oder Honigbeere genannt.

    Die Pflanze ist ist auf den Kurilen, Sachalin, in Japan, Taiwan, Korea, und Zentralchina verbreitet. Später begann in Kiew die Sortenzüchtung.

    Die Benennung der Beere nach dem Kiwi hat ihren Ursprung in1959, als die kleine Frucht nach dem Nationalvogel Neuseelands Kiwi benannt wurde, denn die Frucht und der Vogel haben viel gemeinsam – beide sind klein, braun und pelzig!

    Strahlengriffel: Der Griffel in einer Blüte ist der Teil eines Fruchtblatts oder Stempels, der die Narbe trägt. Wahrscheinlich sind diese strahlenförmig angeordnet?

    Scharfzähnig kommt von den wechselständigen dunkelgrünen Blätter. Diese sind eiförmig bis länglich-eiförmig mit einer auslaufenden Spitze, am Rand borstig gezähnt.

    Im Gegensatz zur Kiwi ist die Kiwibeere frosthart und kann in unseren Breiten angepflanzt werden.

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