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Blüten am Stamm, Fragen im Kopf

Pflanze der Woche, 26. Mai – 1. Juni 2025

Die Redaktion war still in diesen Tagen, beinahe feierlich. Seit dem letzten Bild hatte sich etwas verändert – zumindest für Heino. Die Begegnung mit Dora Ji war ihm im Gedächtnis geblieben, länger als er selbst erwartet hätte. Natürlich, seine Gefühle für Nixi waren ungebrochen. Aber sie waren auch… unerwidert. Und je mehr er versuchte, es sich auszureden, desto deutlicher trat ihm die Wahrheit entgegen: Es war ein Luftschloss. 

Dora Ji hatte ihn nach Feierabend zum eingeladen. „Nur ein Glas Wein“, hatte sie gesagt – aber nun saßen sie schon eine ganze Weile in der kleinen Redaktionsküche, umgeben von leeren Tellern, halbvollen Gläsern und einem angenehmen, leicht beschwipsten Schweigen. 

Draußen wurde es Nacht. 

„Sag mal“, sagte Dora Ji mit einem Lächeln, das mehr Klarheit als Schalk enthielt, „bist du verknallt in Nixi?“ 

Heino lachte – zu laut, zu schnell. Dann seufzte er. 
„Ach… ich weiß es doch selbst nicht. Wahrscheinlich ja. Aber was bringt’s. Sie sieht mich nicht so.“ 

„Sie sieht viel, nur manchmal nicht genau hin“, sagte Dora leise. Dann legte sie ihre Hand auf seinen Arm. Ihr Blick ruhte offen auf ihm. Heino spürte ein leichtes Ziehen im Bauch – Verwirrung, vielleicht auch Verlangen. Er wollte etwas sagen, wusste aber nicht was. 

„Aber ehrlich, so liebensunwürdig finde ich dich nun auch wieder nicht“, sagte sie. 
Heino lächelte verlegen. „Ich bin sicher, sie will mich nicht. Altes Lied, von Heine, du weißt?“ 

„Ja, kenn ich aus dem Goethe-Institut in Seoul.“ Und sie zitierte: 
„Sie war liebenswürdig und er liebte sie. / Er aber war nicht liebenswürdig / und sie liebte ihn nicht.“ 

Eine Stille entstand. Schwer, doch nicht unangenehm. Schließlich deutete Dora Ji auf das Pflanzenbild, das noch auf dem Tisch lag. 

„Ich habe erfahren, was ihr als nächste Pflanze dran habt. Lass uns ein Spiel machen“, sagte sie plötzlich. „Ich verzaubere dich. Und wir sind die Pflanze.“ 

Heino wollte protestieren, halb belustigt, halb verlegen. Doch da fühlte er es schon – ein Kribbeln in den Gliedern, ein Ziehen in den Knochen. Und dann: Triebe. Blüten. Aus seinem Arm sprossen rosa Blüten, aus dem Bein, sogar zwischen den Beinen – ein Erblühen, das ihm seltsam wohlig war. 

„Das ist die Pflanze, Heino“, flüsterte Dora Ji. Man nennt das Kauliflorie.“ 

„Wie fühlst du dich?“ fragte sie. 

„Triebhaft“, antwortete Heino heiser. „Und… schuldig.“ 

„Warum?“ 

„Ich bin ein Verräter an meinen Gefühlen. Ich liebe Nixi. Und jetzt…“ 

„Das ist doch Unfug“, unterbrach sie ihn. „Nixi will nichts von dir. Das ist kein Verrat. Es ist ein Schritt in Richtung Wahrheit.“ 

Heino schwieg. Der Zauber verging, die Blüten zogen sich in sein Inneres zurück. Aber das Gefühl blieb: ein bittersüßes Zwischenreich aus Sehnsucht, Nähe und Schuld. 

„Sag mal, Dora Ji“, fragte er, seine Stimme nun wieder nüchterner, „was weißt du eigentlich über die Pflanze?“ 

Sie nickte, als hätte sie auf diese Frage gewartet. „Sie stammt wahrscheinlich aus Südosteuropa oder Vorderasien“, begann sie. „Wächst dort wild in felsigem Gelände, vor allem in Griechenland, der Türkei, Israel. Und sie liebt Wärme und Licht. Darum pflanzt man sie hier gern in Parks.“ 

Heino beugte sich über das Foto. Die rosavioletten Blüten wirkten wie gemalt. 

„Warum heißt der eigentlich ‚Judasbaum‘?“ fragte er. 

Dora Ji sah ihn einen Moment an, dann sagte sie ruhig: „Es heißt, Judas Iskariot habe sich an einem solchen Baum erhängt. Nach dem Verrat.“ 

„Aber war das wirklich so?“ 

„Wahrscheinlich nicht. Vielleicht ist es nur eine christliche Erzählung, um Schuld zu personifizieren. Der Name ‚Judas‘ wurde später oft zum Synonym für Verrat – leider auch für den Hass gegen Juden. Schon im Mittelalter.“ 

Heino runzelte die Stirn. „Das klingt… als hätte man den Baum zum Sündenbock gemacht.“ 

„Ja. Luther zum Beispiel hat gegen Ende seines Lebens hasserfüllte Schriften gegen Juden verfasst. Das hat sich über Jahrhunderte gehalten. Ein Name wie ‚Judasbaum‘ trägt diesen Schatten mit.“ 

„Komisch, dass so ein schöner Baum so eine Geschichte tragen muss.“ 

„So ist das mit Symbolen“, sagte Dora Ji. „Sie können heilen. Oder verletzen.“ 

„Und ist er giftig?“ fragte Heino, froh über das nüchternere Thema. 

„Nein“, erwiderte Dora. „Im Gegenteil. Die Blüten gelten als essbar. Man kann sie kandieren. Oder als Salatbeilage. Sogar die jungen, bohnenartigen Schoten schmecken säuerlich-frisch.“ 

Heino hob das Glas. „Auf das Leben, Dora Ji. Und auf die Pflanzen, die mehr sind, als sie scheinen.“ 

Sie stießen an. Und draußen in der Dämmerung leuchteten die ersten Sterne über dem Hof der Redaktion. Heino spürte noch einmal dieses Ziehen – nicht mehr in den Gliedern, sondern im Herzen. 

War es der Wein? Oder der Beginn von etwas? 

Fragen an unsere Leserinnen und Leser: 

  • Welche Pflanze blüht direkt aus dem Stamm und trägt dabei eine Geschichte von Verrat und Schönheit zugleich? 
  • Was bedeutet Kauliflorie – und wo begegnet man ihr noch? 
  • Ist der Name „Judasbaum“ historisch gerechtfertigt – oder ein Zeugnis alter Vorurteile? 
  • Können die Blüten gegessen werden? Und was verraten sie über den Geschmack des Mittelmeers? 

Auflösung zur Pflanze der Woche vom 19.–25. Mai 2025 (Lila Bollen, fern der Heimat: zwischen Schwarzwaldhut und fernöstlicher Anmut): Riesenlauch, Allium giganteum
 

Da war ein großer Disput zwischen Pflanzenkenner und Gartenbesitzer Nhu-Dheng und dem Lustgärtner Hei-Wu entbrannt. Welcher Lauch war es denn nun, Ihr Durchlauchtigsten? Lassen wir mal Nhu Deng den Vortritt.

Der Riesenlauch (Allium giganteum) ist eine ausdauernde krautige Pflanze aus der Familie der Amaryllisgewächse, die bis zu 150 cm hoch werden kann. Er zeichnet sich durch seine graugrünen, linealischen Laubblätter und den imposanten kugelförmigen Blütenstand aus, dessen Blüten in verschiedenen Violetttönen strahlen. Diese Pflanze stammt ursprünglich aus Zentral- und Vorderasien und wird oft als Zierpflanze in Gärten und Parks verwendet. Besonders bemerkenswert ist der starke Zwiebelgeruch, den sie verströmt. 

Der Sternkugel-Lauch (Allium cristophii) ist ebenfalls eine ausdauernde Pflanze und zeichnet sich durch einen kugelförmigen, großen Blütenstand aus, der bis zu 30 cm im Durchmesser erreichen kann. Die Blüten sind ebenfalls sternförmig und metallviolett. Diese Pflanze stammt ursprünglich aus Kleinasien und Mittelasien und ist besonders als Zierpflanze wegen ihrer markanten Blütenkugeln beliebt. 

Die beiden Pflanzen lassen sich anhand ihrer Wuchshöhe und der Größe des Blütenstandes unterscheiden: Der Riesenlauch wird deutlich höher (bis zu 150 cm), während der Sternkugel-Lauch eher kompakter bleibt (ca. 50 cm). Zudem ist der Blütenstand des Riesenlauchs meist größer (10-14 cm im Durchmesser), während der des Sternkugel-Lauchs oft 30 cm erreichen kann. 

Weitere „Pflanzen der Woche“ findet Ihr in unserem Archiv – alle, seit 2016.

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